Thaddeus lief durch die Kälte. Eine Dose seiner Großmutter, in der sich Kekse befanden, die seine Mutter dort lagerte, befand sich in seinen erfrorenen Händen. Er hoffte so sehr, dass Ardy noch dort war. Er wollte sich bei ihm entschuldigen.
Ardy kam ihm wie der Einzige vor, der sich ehrlich für ihn interessierte. Auch, wenn er ihn quasi dazu zwang sich mit Thaddeus auseinander zu setzen.Und Ardian war noch dort, an der selben Stelle, in der selben Position und mit dem selben starren Blick auf das rauschende Wasser, das bis in die Unendlichkeit zog. Es war so dunkel, dass Thaddeus kaum sehen konnte, wohin er trat, als er den schmalen Weg zum Fluss hinab ging. Er machte etwas Lärm. Aber Ardian bewegte sich nicht.
Er ist tot. Nein, nein, er darf nicht tot sein!, dachte Thaddeus. Er malte sich Horrorszenarien aus.
"Ardy, Kumpel...", flüsterte er harsch. Seine Stimme erstickte in der eisernen Stille. Er sah Ardian kritisch an, hockte sich mit der Dose zu ihm runter und betete innerlich.
Er darf doch nicht tot sein, dachte er immer wieder.
"Hey, ich hab Essen dabei.", flüsterte Thaddeus wieder und stupste Ardian unsicher mit seinem Finger an. Ardian's Kopf lag auf seinen Armen, die sich um seine Beine geschlungen hatten. Seine Lippen waren am Zittern und seine Wimpern schlugen auf seinen Wangen auf.
"Ich bin nicht dein Kumpel, Tjarks.", grummelte Ardian lebendig. Ja, er lebte noch. Er hatte doch immerhin nicht vor sich umzubringen. Und verhungert war er noch nicht. Er atmete, sein Herz schlug und seine Wimpern erhoben sich, als er seine Augen öffnete und seinen Kopf zu Thaddeus drehte.
"Ich dachte, du wärst tot.", atmete dieser erleichtert aus und seufzte. Seine Lippen schlugen sich in ein kaum sichtbares Lächeln, denn es fühlte sich falsch an, zu lächeln, fand er. "Ich hab Kekse dabei."
"Super", antwortete Ardian ironisch. Er wollte niemanden, der sich jetzt noch um ihn kümmert. Er wollte alles alleine wieder zum Stehen kriegen. Sein Leben wieder aufbauen.
"Die sind für dich.", erinnerte ihn Taddl großzügig und fürsorglich. Er streckte Ardian die Dose zu, nachdem er sie öffnete und den Deckel neben sich auf den Schotterboden legte.
"Wieso bringst du mir Kekse mit? Wieso bist du überhaupt wieder hier? Ich hab dir doch gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst, hergott nochmal."
Ardy wandte seinen Kopf ab, weg von Thaddeus. Er wollte niemanden bei sich. Die Nacht gab ihm die Kraft, um sein Leben zu überdenken. Er wollte nicht, dass jemand ihn dabei störte. Er wollte weder schlafen, noch Essen, noch Trinken, noch Personen. Die letzten Tage hatte er immerhin auch ganz gut überlebt. Trotzdem lebte er eine Lüge. Er lebte diese Lüge, um sich besser zu fühlen. Im Eigentlichen wusste er, dass es mit ihm momentan bloß bergab ging.
"Und ich hab dir gesagt, dass ich das nicht kann. Also iss, verdammt, du siehst schlecht aus, sonst- sonst-" Thaddeus war am Rande seiner Worte angelangt. Er wusste nicht, mit was er ihm drohen sollte. Er wusste ja nichts über Ardian.
"Sonst was?", neckte dieser frech. Er machte sich auch nicht die Mühe Thaddeus jetzt eines Blickes zu würdigen.
Bis Thaddeus leise sagte: "Sonst stirbst du..." und danach verstummte, da seine eigenen Worte ihn wie Spere in sein Herz trafen. Ja, sonst würde Ardian sterben. Und sein innerliches Zerbrechen wäre beendet.
Beide Augenpaare trafen aufeinander. Sie blinzelten beide nicht. Sie lächelten beide nicht. Sie zeigten beide keine Emotionen. Doch es war, als würden sie in die Seele des jeweils anderen sehen. Sie fühlten gleich. Sie beide zerbrachen innerlich. Und es hörte einfach nicht auf.
Wortlos griff Ardian nach einem Keks, auf dem Thaddeus' Mutter mit Zuckerguss einen lächelnden Smiley gemalt hatte. Sie war eine äußerst positive Frau. Doch bei ihr war es bloß noch eine Frage der Zeit, bis sie ihren Sohn und Mann verlassen würde. Sie hielt es nicht mehr aus. So wie es Thaddeus nicht mehr aushielt. Diese gesamte Fassade begann zu bröckeln. Und sie bröckelte immer weiter.
Und es hörte nicht auf.Ardian fühlte sich unglaublich glücklich, nachdem er seinen Keks gegessen hatte. Er fühlte sich wieder frisch. Und so aß er weiter und weiter, bis sein Bauch genug hatte. Er wischte sich mit dem Ärmel seines dünnen Pullovers die letzten Krümel von seinem Bart und Mund.
"Du musst doch erfrieren.", stellte Thaddeus fest, der auch ein wenig gegessen hatte.
"Ist okay", antwortete Ardian, "ich bin Kälte gewohnt."
Aber Thaddeus akzeptierte das nicht. Er schwor sich in dem Moment, in dem sie sich in die Augen und in die Seele des anderen sahen, dass er diesen jungen Mann nicht dem Wetter und Umständen überlassen würde. Er wollte ihm helfen.
Und Ardian schwor sich in dem Moment, in dem sie sich in die Augen und die Seele des anderen sahen, dass er diesen Jungen nicht seinen Umständen und Komlexen überlassen würde. Er wollte ihm helfen, denn er sah, dass Thaddeus fürsorglich sein konnte. Er kümmerte sich.
"Es tut mir leid. Ich meine, dass ich mich so aufdringlich und stur verhalten hab...", murmelte der Blondschopf verlegen. Ardian akzeptierte es.
Und er sagte zu ihm: "Ich hab auch nicht alles richtig gemacht, oder?" und lachte ihn an. Und er lächelte das erste Mal. Auch Thaddeus lächelte das erste Mal nach langer Zeit wieder. Es fühlte sich für beide ziemlich gut an.
"Kannst du mir was versprechen?", fragte Ardian und zog seine Augenbrauen zusammen. Thaddeus nickte ihm zu. "Versprich mir bitte, dass, wenn ich dich in mein Leben lasse, du mich nicht einfach von heute auf morgen alleine lässt, in Ordnung?" Und seine Stimme klang so tief, verrucht und verrückt und alt, und doch so weise und klug.
"Versprochen, Ardy", antwortete Thaddeus mit einem noch breiterem Lächeln.
"Gut...danke, Taddl.", sagte Ardian darauf und lächelte ebenfalls noch breiter.
Das war die Nacht, in der sie begannen sich gegenseitig zu akzeptieren und in das Leben des anderen zu lassen.
Und so sollte alles erst richtig ins Rollen kommen...

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Riverside
Fanfic»Und alles, was sie taten, war anscheinend nichts weiter, als unten am Fluss zu sitzen und über die Probleme und Theorien dieser verkorksten Welt zu reden.« Sie waren unzufrieden mit der aktuellen Situation. Sie beide hatten den Glauben an die Mensc...