Fünf

1.6K 93 11
                                    

Fünf

Ich laufe durch die Wohnung, um meine Sachen für die Arbeit zusammen zu suchen.
Nacheinander stopfe ich alles energisch in die Tasche.
Am liebsten würde ich einmal so laut schreien, wie es nur geht, doch selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht. Da mir meine Jacke zum Überziehen fehlt – sie hängt noch im Schrank - muss ich unglücklicherweise ins Schlafzimmer, wo Chris gerade ist.

Einen leisen Seufzer ausstoßend, lege ich die Hand auf die Klinke und drücke sie langsam herunter. Dank unseres Streits sind wir nun beide spät dran.
Chris noch später als ich. Mit leicht hängenden Schulte steht der Blonde da. Er trägt lediglich seine Anzughose, das Hemd streift er sich gerade über.

Als er mich bemerkt, dreht er mir den Kopf zu, was mich dazu bringt, schwer zu schlucken.
Ich probiere so kühl wie möglich zu wirken, aber meine Unterlippe zittert, ohne das ich etwas dagegen tun kann.

Wenn ich dich so sehr nerve, denke ich bitter. Dann verpiss dich doch einfach.

Um ehrlich zu sein, glaube ich ihm noch immer nicht ganz, dass da nichts mit einer anderen Frau war. Wie sollte der verdammte Lippenstift denn sonst an sein Hemd kommen?
Da mir unser gegenseitiger Starrkontest zu anstrengend und unangenehm wird, wende ich den Blick rasch ab und marschiere an ihm vorbei, um zum Schrank zu kommen.
Ich schiebe ihn auf und ziehe meine Jacke direkt, als ich sie entdecke heraus.

„Ally...", höre ich Chris leise seufzen.

Ich hebe fragend den Kopf und sehe ihm in die großen blauen Augen.
Darauf wartend, dass er fortfährt, stehe ich da, doch es kommt nichts. Er schaut lediglich weg.

Alles klar, denke ich.

Anschließend verlasse ich unsere Wohnung bepackt mit meinen Arbeitssachen beinahe fluchtartig.




„Wenn Sie weiter zu spät kommen, werde ich Ihnen eine Abmahnung schreiben müssen.", erklärt John, mein Chef mir, mit strenger aber gleichzeitig auch eindringlicher Stimme.

Wir verstehen uns eigentlich ziemlich gut, aber es ist wohl logisch, dass er mein Zuspätkommen nicht unbedingt duldet.

„Ja, ich weiß.", sage ich und beiße mir unsicher auf die Lippe.

„Es tut mir auch leid."

„Sie schreiben wirklich tolle Artikel, aber, wenn Sie so weiter machen, sehe ich hier keine Zukunft mehr für Sie."

Still schweigend nicke ich. „Okay."

„Und jetzt gehen Sie an die Arbeit, Alice. Ich möchte ihren Bericht noch heute auf meinem Schreibtisch liegen haben."

„Natürlich.", sage ich, bevor ich mich rasch abwende.

Ich lasse mich an meinem Schreibtisch nieder.
Den Laptop öffnend, sitze ich vor einer komplett weißen Seite.
In meinem Kopf schwirrt nichts herum. Rein gar nichts außer Chris, außer allem, was völlig schief geht.

Bis du dir deinen Feierabend verdient hast, dauert es noch eine ganze Weile, denke ich.

Wenn du bis heute Abend überhaupt fertig wirst. 

Mit diesen Gedanken probiere ich mich so gut es geht auf meine Arbeit zu konzentrieren. Allein schon die weitere Recherche wird eine Menge Zeit kosten.
Unzählige Stunden später bin ich endlich so weit, dass ich einen Ausdruck machen kann und ihm John vorlegen kann. Ob er damit zufrieden ist, ist eine andere Frage, aber immerhin habe ich es irgendwie geschafft, rechtzeitig fertig zu werden.
Ab und zu hat mein Handy ein Piepen von sich gegeben, einmal sogar geklingelt, aber ich habe ihm nicht weiter Beachtung geschenkt. Schließlich hatte ich zu tun.

Beau | Sebastian Stan au ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt