Kapitel 7

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Nun war es bereits Mitte der ersten Woche und nach dem Frühstück hatte Robin einen recht angenehmen Vormittag. Zuerst hatten sie Gesellschaftslehre bei Frau Bottenberg, die zwar streng, aber nicht ungerecht war. Der Sechzehnjährige hatte erwartet, dass sie eventuell mit Erdkunde beginnen würde, da die Lehrerin eine Erd-Elementaristin war. Aber das war nicht so. Sie begann den Unterricht mit einem geschichtlichen Thema - und zwar im Hinblick auf die Elementaristen. Das fand Robin recht spannend, weil er Geschichte noch nie in diesem Kontext betrachtet hatte bzw. betrachten hätte können.Anschließend hatte er Naturwissenschaft bei seiner Tutorin Frau Funke. Sie begann ein biologisches Thema, wies aber darauf hin, dass sie die drei Themenbereiche Chemie, Physik und Biologie nicht so stark trennen würde, sondern einzelne Gebiete ganzheitlich betrachten wollte. Der Junge war sehr gespannt, wie sich das entwickeln würde.


Nach der Mittagspause war es aber an der Zeit einen weiteren neuen Lehrer kennenzulernen. Nun stand der Sportunterricht bei Herrn Hawkins an. Die Jungs zogen sich in der Jungenumkleide um, während die Mädchen ihrerseits ihre Sportklamotten in der Mädchenumkleide anzogen.Als sie die Sporthalle, die sich im Übrigen hinter dem Schulkomplex befand, betraten, stand da bereits ein recht junger Mann. Robin war sehr erstaunt, denn er hätte ihn auch für einen älteren Schüler halten können. Der Lehrer war groß mit einem durchtrainierten Körper, hatte kurze braune Haare und ein markantes, aber junges Gesicht. Seine Augen waren in einem ziemlich hellen Braunton. Er trug einen hellblauen Jogginganzug, welcher seidig glänzte. Um den Hals trug er ein Lederband, an dem eine silberne Trillerpfeife hing.„Der könnte ein männliches Model sein", bemerkte Iggy, der neben Robin stand. „Die Mädels werden ihn sicherlich anschmachten."Als sich die Schüler in eine Reihe aufgestellt hatten, sprach der junge Sportlehrer los:„Hallo alle miteinander. Mein Name ist Skye Hawkins. Ich bin, so wie ihr, erst ganz frisch an dieser Schule. Am Montag trat ich meine Stelle hier im Haus 4E an. Mein Schwerpunkt liegt bei dem Element Luft. Aber ich unterrichte euch auch in Sport, Kunst und Musik."Er erklärte dies mit einer überaus großen Souveränität und Freundlichkeit, sodass ihm alle gespannt und ruhig zuhörten. Sein strahlend weißes Lächeln wirkte äußerst charmant und Robin konnte beobachten, wie die Mädchen um ihn herum lauter Herzchen in den Augen hatten. Besonders Aria schien den jungen Sportlehrer anzuschmachten. Nur Marina ließ sich nichts anmerken. Wie immer wirkte sie zurückhaltend und schüchtern.„Wie ihr an meinem Namen hören könnt", fuhr Hawkins fort, „stamme ich nicht aus Deutschland. Ich komme aus Schottland, lebe aber bereits seit fast elf Jahren hier in Frankfurt. Meine Eltern sind wegen ihrer Arbeit hierher gezogen, als ich fünfzehn Jahre alt war."Da haben wir es!Nun wusste jeder, wie alt der Lehrer war. Mit seinen jungen 26 Jahren gehörte er definitiv nicht zum alten Eisen und würde wahrscheinlich das Herz jedes anwesenden Mädchens erobern können. Diese hatte er nun definitiv auf seiner Seite. Robin erkannte eine Taktik dahinter.Wie beiläufig er sein Alter erwähnt.„Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich gerne per Du mit euch bleiben. Ich finde, das lockert die Atmosphäre ein wenig auf. Außerdem fühle ich mich nicht wie jemand, den man siezt. Wer etwas dagegen hat, kann dies gerne äußern. Dann sieze ich diese Person selbstverständlich."Und noch ein Einschleim-Versuch.Daraufhin erklärte Hawkins, dass sie verschiedene Einheiten im Sportunterricht abhandeln und mit Badminton beginnen würden. Zuallererst ließ er die Schüler ein paar Runden in der Halle laufen, damit sie warm wurden. Anschließend absolvierten sie ein paar Dehnübungen und stellten danach die Netze auf. Er verteilte schließlich die Schläger und Federbälle, womit die Schüler gegeneinander spielen konnten.„Da es die erste Sportstunde ist, gehen wir es locker an. Ihr dürft miteinander spielen und nächste Woche schauen wir uns die Regeln genauer an."Robin spielte natürlich mit Iggy. Da es nicht für jeden ein komplettes Netz gab, nahmen sie sich eine Hälfte. Neben ihnen spielte der muskulöse Joris gegen einen anderen Schüler mit dem Element der Erde. Robin fiel auf, dass das Kraftpaket einen recht harten Aufschlag hatte und sein Gegenüber ziemliche Probleme damit hatte, die Bälle anzunehmen. Immer wieder schaute er sich das Spiel ihrer Feldnachbarn an und konzentrierte sich nicht auf die Aufschläge seines Mitbewohners.Joris bemerkte dies und schlug nun ein paar Bälle auf Robins Seite.„Was geht denn hier ab?", wunderte sich Iggy. „Spielen wir jetzt zu viert?"„Können wir gerne machen", entgegnete der Muskelprotz.„Abgemacht", stieg Robin darauf ein.Joris schlug einen Ball nach dem anderen und wie Blitze stürmten sie auf Robins Seite. Meist schaffte er es nicht, sich den Federball zu schnappen.„Super", feuerte Iggy seinen Spielpartner an, ohne zu bemerken, dass er eigentlich ausgegrenzt wurde und nur Joris alleine gegen die anderen beiden spielte.Wenn ich nur die Bälle annehmen könnte, dachte sich der Sechzehnjährige, dann würde er es sicherlich schwer haben, sie erneut zurückzuschlagen. Er ist zwar kräftig, aber nicht flink genug.Robin verlor langsam die Motivation und die Geduld. Er rackerte sich ab und rannte hin und her, aber meist verfehlte er die blitzschnellen Schläge seines Gegenübers.„Mist!", ärgerte er sich.„Bloß nicht aufgeben", verspottete das Muskelpaket seinen Gegner. „Vielleicht triffst du ja mal einen in den nächsten zehn Jahren."Bei diesem Satz ärgerte sich Robin so stark, dass er den Schläger mit aller Kraft ausholte. Zwar war der Federball so weit entfernt, dass er ihn mit dem Schläger nicht treffen konnte, aber es entstand ein so starker Luftzug, dass der Ball trotzdem zurück geweht wurde und über das Netz auf die Seite des muskulösen Mitschülers flog, wo er zwischen Joris und Iggy auf dem Boden landete.Alle vier Schüler auf dem Platz blieben wie erstarrt stehen und schauten erschrocken auf den Federball, der auf dem Boden lag. Plötzlich pfiff der Lehrer mit seiner Trillerpfeife und kam auf die vier zugerannt.„Was soll das?", meckerte er los. „Hier auf dem Sportfeld sollt ihr eure Fähigkeiten nicht einsetzen. Ihr sollt fair und sportlich gegeneinander spielen. Wer war das?"Joris, Iggy und der andere Junge zeigten alle gleichzeitig auf Robin, der noch immer wie erstarrt und mit rotem Kopf dastand.Skeptisch blickte der junge Lehrer seinen Schüler an.„Du?", fragte er nach. „Aber dich habe ich doch gar nicht in meiner Luft-Gruppe."Schweigend starrte Robin seinen Lehrer an. Er war völlig perplex und irritiert. Mittlerweile schauten ihn alle Schüler in der Sporthalle erwartungsvoll an.„Wo warst du denn am Montag, als wir den Praxisschwerpunkt hatten?", hakte Hawkins nun weiter nach.Als Robin noch immer nicht antwortete, ergriff Iggy das Wort:„Skye, Robin ist dem Element Feuer zugeordnet."„Wie bitte?", erkundigte sich der Lehrer. „Warum das denn? Er hat hier gerade das Element Luft eingesetzt, um den Ball über das Netz zu bekommen."„Das haben wir auch mitbekommen, Skye", stimmte ihm Iggy zu.„Warum ist er dann in der Feuer-Gruppe?", wollte er nun energischer wissen. „Nun sag doch was, Robin!"Der Sechzehnjährige schluckte, sammelte sich und antwortete schließlich:„Ich bin ein Feuer-Elementarist. Ich weiß auch nicht, wie ich das bewerkstelligt habe."„Vielleicht war es nur Zufall", mischte sich nun Joris ein. „Vielleicht hat er einfach zu stark mit dem Schläger gewedelt."„Das kann doch nicht möglich sein", entgegnete Skye. „Wir machen einen Versuch. Ich schlage dir den Federball zu und du versuchst ihn mit deinen Händen umzulenken, ohne dass du ihn berührst."Robin nickte, obwohl er sehr skeptisch war.Das kann doch nicht möglich sein.Der Lehrer stellte sich dem blonden Jungen gegenüber und schlug den Ball in seine Richtung. Robin versuchte, sich auf den Ball zu konzentrieren. Doch als er so auf ihn zukam, passierte nichts und er fing den Federball einfach mit der Hand auf.„Also ist es doch ein Irrtum", sprach Iggy dazwischen.„Wir versuchen es noch einmal", erklärte der junge Lehrer.Der zweite Versuch verlief wie der erste. Nichts Auffälliges war zu vernehmen. Robin glaubte nun auch selbst nicht mehr, dass er die Luft kontrolliert hatte.„Ein letztes Mal", setzte Skye an. Er schlug den Ball wieder ganz leicht auf, sodass er auf Robin zuflog. Diesmal konzentrierte sich Robin nicht auf den Ball, sondern stellte sich vor, wie ihn ein Windstoß von der Seite aus der Bahn warf. Und als er das so dachte, passierte dies auch. Der Federball machte einen Bogen zur Seite und flog wieder zurück. Er landete im Netz und fiel zu Boden. Wieder war es still in der Halle und alle starrten irritiert auf den Ball, der am Boden lag.„Das ist unglaublich", sprach der Lehrer schließlich. „Einfach unglaublich."„Was hat das zu bedeuten?", wollte Robin nun wissen.„Wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, Robin", antwortete Skye, „dann kannst du alle vier Elemente beherrschen."Eine entsetztes Raunen ging durch die ganze Halle.„Geht das denn?", hakte der Sechzehnjährige nach.„Das ist selten, kommt aber vor", entgegnete Skye. „Wir sollten gleich zusammen zu Rektor Quinn gehen und ihm davon berichten. Er wird mit dir ein paar Tests durchführen und dann wissen wir Näheres darüber."Robin haute diese Sache völlig aus den Socken. Nun sollte er nicht nur ein Feuer-Elementarist sein, sondern auch die anderen drei Elemente beherrschen können. Er war mit dieser Situation völlig überfordert und bat seinen Lehrer darum, den Rektor erst später aufsuchen zu dürfen. Er würde zunächst gerne auf sein Zimmer gehen.Als er dann alleine in seinem Zimmer war, duschte er sich und betrachtete sich im Spiegel. Er fühlte sich wieder so wie damals, als er ahnte, dass er anders war als die anderen. Als er vor ein paar Wochen bemerkte, dass ihm Feuer nichts ausmachte, vermutete er zunächst, dass etwas nicht mit ihm stimmte. Nun war er an einer besonderen Schule, wo er Gleichgesinnte fand, die so waren wie er. Aber nach drei Tagen stellte sich bereits heraus, dass er sogar anders war als seine besonderen Mitschüler. Jetzt dachte er erneut daran, dass etwas eventuell nicht mit ihm stimmte. Und das bereitete ihm Kopfzerbrechen.Es klopfte an der Zimmertür und Robin erwartete Iggy. Doch er war nicht allein. Er brachte Joris ins Zimmer.„Mensch, Kumpel", setzte der Muskelprotz an, „das ist ja ein starkes Stück."„Und du hattest das noch nie erahnt?", wollte Iggy von seinem Mitbewohner wissen.Robin seufzte:„Ich wusste bis vor ein paar Wochen noch nicht mal, dass ich überhaupt ein Elementarist bin, geschweige denn, dass es so etwas überhaupt gibt."„Und heute kommt heraus, dass du vielleicht alle vier Elemente beherrschen kannst", fuhr der breite Kerl fort. „Irgendwie habe ich aber das Gefühl, dass du nicht so erfreut darüber bist."„Erfreut?", hakte der Sechzehnjährige nach.„Also wenn ich du wäre, würde ich jetzt vor Freude schreien", ergriff Iggy das Wort.„Ich auch", stimmte Joris ihm zu. „Aber du scheinst traurig darüber zu sein."„Ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll."„Es tut mir leid", entschuldigte sich das Muskelpaket. „Irgendwie fühle ich mich schuldig. Ohne mich wärst du nur ein Feuer-Elementarist geblieben."„Du bist doch nicht daran Schuld, Joris", entgegnete ihm der Sechzehnjährige. „Wahrscheinlich wäre es sowieso irgendwann herausgekommen."„Das ist wohl wahr", stimmte ihm Iggy zu.„Da bin ich aber beruhigt", sprach der muskulöse Junge erleichtert. „Aber tut mir bitte einen Gefallen und nennt mich nicht mehr Joris. Meine Freunde nennen mich einfach nur Jojo."„Okay", grinste Iggy. Robin nickte lediglich gedankenverloren. Er wusste, dass nun ein Gespräch mit Rektor Quinn auf ihn wartete.Als er auf dem Weg zum Verwaltungstrakt war, wohin ihn Iggy und Jojo begleiteten, kamen ihnen bereits Skye und Serafina Funke entgegen. Die Tutorin lächelte ihren Schützling freundlich an.„Robin", sprach sie, „ich habe gehört, was im Sportunterricht passiert ist."Der blonde Junge nickte.„Machen Sie sich keine Sorgen. Wir werden das genau untersuchen. Leider ist Rektor Quinn heute Nachmittag außer Haus. Wir haben ihn gerade telefonisch informiert und er meinte, dass wir das morgen früh klären. Sie werden morgen um neun Uhr bei ihm erwartet und sind daher vom Unterricht befreit."Robins Herz fing zu pochen an. Er war aufgeregt, aber nicht im positiven Sinne. Seine Tutorin spürte wohl seinen Unmut.„Kopf hoch, Robin. Alles ist in Ordnung. Ihnen wird nichts passieren. Wenn Sie tatsächlich alle Elemente beherrschen können, ist es etwas Großartiges und nichts, worüber man sich Sorgen machen muss."Auch wenn diese Worte den Sechzehnjährigen aufmuntern sollten, bewirkten sie eher das Gegenteil bei ihm. Er hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch. Er musste sich erst einmal an den Gedanken gewöhnen. Aber dafür hatte er ja noch den ganzen Abend und die ganze Nacht Zeit.Die Schüler verabschiedeten sich von ihren Lehrern und gingen zurück auf ihre Zimmer. Dort angekommen, steckte Robin sich seine Kopfhörer in die Ohren und hörte seine Lieblingsmusik in voller Lautstärke. Er wollte gerade nur noch abschalten. Dass er die erste Stunde seiner Gitarren AG verpassen würde, war ihm in diesem Moment völlig egal. Er wollte nur die Welt um sich herum vergessen und in seine eigene Welt abtauchen. Er beschloss, erst am nächsten Tag wieder darüber nachzudenken.

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