Kapitel 17

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Doch leider musste die Verabredung zunächst einmal verschoben werden, denn dem Elftklässler kam etwas dazwischen. Er wurde in das Büro des Rektors gerufen, wo ihm mitgeteilt wurde, dass er einen Lehrgang nach Berlin machen würde. „Herr Hawkins hat den Kontakt zu einem sehr angesehenen Luft-Elementaristen hergestellt", erklärte Quinn. „Er wird Ihnen sicherlich etwas beibringen können." Robin war sehr überrascht und misstrauisch zugleich. Zwar freute er sich die ganze Zeit darauf, endlich einen außerschulischen Ort aufzusuchen und von Meistern ihres Faches zu lernen, aber als er den Namen seines jungen Lehrers Skye hörte, schwang seine Euphorie schlagartig um. „Sie werden am Freitagabend einen Flug nach Berlin nehmen und dort dann gegen neun Uhr ankommen. Sie werden zunächst die Möglichkeit haben, dort zu übernachten. Der Lehrgang beginnt am Samstagvormittag. Am Sonntagmorgen werden Sie bereits den Flieger zurück nach Frankfurt nehmen." Neugierig hörte sich der Sechzehnjährige dies an. Er fand es schade, dass er wohl kaum die Zeit hatte, sich Berlin anzuschauen. Zwar war er mit seinen Eltern bereits einmal dort gewesen, aber da war er quasi noch ein Kind. Jetzt würden ihn ganz andere Orte in Berlin interessieren. Aber auf eine Sightseeingtour musste er zähneknirschend verzichten.
Nach dem Gespräch mit dem Schulleiter fragte er sich wieder, was Skye mit diesem Lehrgang bezwecken wollte. Ihm hätte sofort klar sein müssen, dass sein junger Lehrer als erster die Chance ergriff, um mit ihm einen alleinigen Ausflug zu unternehmen. Bei diesem Gedanken wünschte er sich sehr, zumindest einen seiner Freunde mitnehmen zu dürfen. Er wollte nicht mit dem Junglehrer allein sein. Auf der anderen Seite hatte er sich ja vorgenommen, positiv zu denken und nicht mehr so misstrauisch zu sein. Wenn Skyes Worte wahr waren und er tatsächlich nur hilfsbereit und nett sein wollte, musste er sich keine Sorgen machen. Zudem treffen wir dort auf einen angesehenen Elementaristen. Da wird mir doch sicher nichts passieren. An einem Freitagabend war es dann soweit. Er hatte sich eine Tasche gepackt und traf seinen Lehrer im Hof. Zusammen nahmen sie sich ein Taxi zum Flughafen. Dort mussten sie ein wenig warten, bis sie das Flugzeug besteigen konnten. Mit etwas Verspätung landeten sie am Berliner Flughafen Schönefeld. Von dort aus fuhren sie mit der Bahn weiter. Die Fahrt dauerte länger als erwartet, da sich der Elementarist im Stadtteil Friedrichshain befand. Dort stiegen sie an der S-Bahn-Station aus. Skye erklärte, dass sie nun ein Stückchen laufen mussten. Gerne hätte sich Robin eine weitere Taxifahrt gewünscht. Er war müde und die Bahnfahrt fand er auch nicht so schön. Aber er verkniff sich den Vorschlag, weil er nicht unverschämt klingen wollte. Wahrscheinlich hatte die Schule schon genug Geld für den Flug und die Unterkunft bezahlen müssen und da konnte man wenigstens an der Taxifahrt sparen. Mittlerweile war es schon dunkel, aber in Berlin war noch immer viel los - es war ja schließlich Freitagabend. Auf den Straßen herrschte reger Betrieb und die Bars und Restaurants hatten noch immer geöffnet. Während Skye mit seinem Smartphone in der Hand, auf dem die Navigationsapp eingeschaltet war, voran ging und dabei seinen Rollkoffer hinter sich herzog, trottete Robin mit seinem vollgepackten Rucksack langsam hinterher. Er schaute sich die Gegend ganz genau an und er meinte, einen großen Kontrast zu Frankfurt zu erkennen. Während Frankfurt eher eine schicke Bankenstadt war, war Friedrichshain eher heruntergekommen. Die Leute schienen ebenfalls nicht im Luxus zu baden. Andererseits gab es in Frankfurt ja ebensolche Gegenden. Schließlich erreichten die beiden eine große Häuserfront. Sie mussten über einen Parkplatz an diesen Häusern vorbei und landeten auf einem Hinterhof. Es war stockdüster und nur die Beleuchtung des Smartphones half ihnen, den Weg zu finden. „Sind wir hier richtig?", wollte sich der Sechzehnjährige bei seinem Lehrer versichern. „Ja", bestätigte Skye. „Jedenfalls sagt mir das mein Navi. Vor uns ist die Haustür. Lass uns mal schauen, ob wir seinen Namen auf der Klingel finden." Der Innenhof glich von der Größe her dem vom Internat, nur dass sich hier in der Mitte ein Brunnen mit einer großen steinernen Figur befand. Robin konnte leider nichts Genaueres in dieser Dunkelheit erkennen. Gerade als sie diesen Brunnen umrunden wollten, sprang eine finstere Gestalt blitzartig von der Brunnenfigur auf Skye zu und schlug ihn nieder. Erschrocken schrie Robin laut auf. Der junge Lehrer lag auf dem Boden und bewegte sich nicht mehr, während die düstere Gestalt, die komplett in schwarz gekleidet war und ebenfalls eine schwarze Kapuze über dem Kopf trug, vor ihm stand. „Was soll das?", fragte Robin mutig, auch wenn er innerlich eine Heidenangst verspürte. Die Gestalt antwortete nicht und stand stattdessen breitbeinig und mit von sich gestreckten Händen da, bereit anzugreifen, etwa fünf Meter vor dem Sechzehnjährigen. Tausend Gedanken kreisten im Kopf des Jungen. Er wusste nicht, was dies sollte und er hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Sollte er laut um Hilfe schreien? Oder schnell sein Handy zücken, um die Polizei zu rufen? Er war mit dieser Situation völlig überfordert. Schließlich wedelte die Gestalt im schwarzen Kostüm mit ihren Händen und aus dem Brunnen wurde das Wasser nach oben geworfen. „Aahhh", schrie Robin. Er realisierte erst jetzt, dass der Angreifer das Wasser kontrollieren konnte und demnach ebenfalls ein Elementarist war. Das Wasser brach mit einer gewaltigen Kraft auf ihn ein und riss ihn zu Boden. Er merkte, dass er keine Luft mehr bekam und panisch wurde. Will er mich ersaufen?, fragte er sich in Gedanken. Er versuchte mit aller Kraft aufzustehen, aber die Wassermassen waren zu stark. Nun konnte er nicht mal nach Hilfe rufen und sein Handy in der Hosentasche war sicher hinüber. Reiß dich zusammen, sagte er sich selbst. Mit letzter Kraft konzentrierte er sich auf das, was er von Marina gelernt hatte und schaffte es, das Wasser von sich zu lenken, sodass er wieder Luft bekam und aufstehen konnte. Er spuckte das geschluckte Wasser wieder aus und griff sich angestrengt an die Lunge. Doch sein Gegner ließ ihm keine Zeit für eine Verschnaufpause und lenkte bereits den nächsten Wasserschwall auf ihn. Robin nahm all seine Kraft zusammen und sprang zur Seite, sodass er sich knapp vor der Flut retten konnte. „Hey!", schrie er. „Was soll das?" Doch die dunkle Gestalt lachte nur mit einer gehässigen Stimme boshaft los. Dann lenkte er den Wasserstrahl so um, dass er drohte, Robin wieder unter sich zu vergraben. Schnell ging der Sechzehnjährige in Gedanken seine Möglichkeiten durch und entschied sich, nicht gegen die Wassermassen anzukämpfen. Stattdessen beschwor er einen Feuerball und schleuderte ihn gegen seinen Widersacher. Dieser wurde nun ebenfalls zu Boden geschleudert. Gleichzeitig platschte das gesamte Wasser zu Boden. Klitschnass und sauer konzentrierte sich Robin noch einmal darauf, das Feuer zu beschwören. Darin war er besser als in den anderen Elementen, da er darin ein größeres Training hatte. Er beschwor zwei weitere Feuerbälle und rannte mit ihnen auf seinen Gegner zu. Dieser bemerkte wohl, dass er nun der Unterlegene war, richtete sich schnell auf und rannte davon. Zunächst überlegte er, dem Angreifer zu folgen, erinnerte sich aber an Skye, der noch immer bewusstlos am Boden lag. Daher entschied er sich, lediglich die Feuerbälle nach dem Kerl zu werfen, der sich kurz, bevor sie ihn trafen, rettete, indem er einen Wasserstrahl beschwor, der das Feuer in Dampf auflöste. Trotzdem ergriff er weiterhin die Flucht und verschwand in der Nacht. Der blonde Schüler rannte schnell zu seinem Begleiter und beugte sich über ihn. „Skye", rief er, „kannst du mich hören?" Er schüttelte ihn ein wenig und da öffnete der Lehrer langsam seine Augen. „Was... was ist passiert?", fragte er erschöpft. „Wir wurden von einem Wasser-Elementaristen angegriffen." Plötzlich erklang eine kräftige Stimme hinter ihnen: „Was ist hier los?" Robin starrte in die Richtung, aus der Schritte einer herannahenden Person vernahm, die das Licht einer Taschenlampe auf sie richtete. Vom Schein geblendet nahm Robin seine Hand vor sein Gesicht. „Sind Sie es, Herr Hauch?", fragte Skye den Unbekannten. „Herr Hawkins?", entgegnete die Stimme. „Ja", bestätigte der Lehrer. „Wir wurden angegriffen." „Meine Güte", rief der Herr aus. „Lassen Sie mich Ihnen helfen." Nun konnte ihn Robin auch erkennen. Der Mann war ein großer, dicker Kerl im Alter von etwa fünfzig Jahren. Er hatte kastanienbraunes Haar und eine spitze Nase. Sein Gesichtsausdruck verriet Freundlichkeit, aber gleichzeitig Besorgnis. Zusammen hoben Robin und der Herr, den Skye Hauch nannte, den Lehrer hoch und halfen ihm ins Haus. Sie betraten eine große Wohnung, die stilvoll eingerichtet war. Doch Robin blieb keine Zeit, sich umzuschauen. Sie legten den jungen Lehrer auf die Couch und Hauch bereitete ihm einen nassen Waschlappen vor, den er ihm zum Kühlen gab. Währenddessen holte der Schüler die Taschen in die Wohnung. Herr Hauch zeigte ihm das Badezimmer, wo sich Robin trockene Klamotten anziehen konnte. Erst dann trafen sie im Wohnzimmer aufeinander, um miteinander zu sprechen. Der Sechzehnjährige erzählte den beiden Luft-Elementaristen den ganzen Vorfall. Sie waren beide schockiert darüber und waren aber ebenso froh, dass Robin den Angreifer in die Flucht schlagen konnte. „Was wollte er bloß", fragte der blonde Schüler die beiden Erwachsenen. Er hoffte darauf, von ihnen eine Erklärung zu erhalten. „Ich habe keine Ahnung", antwortete Hauch ohne zu zögern. „Allerdings gibt es Elementaristen, die es einem Elementum nicht gönnen, dass er alle vier Elemente beherrschen kann." Entsetzt schaute der Sechzehjährige den dicken freundlichen Herrn an. „Meinen Sie, er war nur hier, um mich anzugreifen?" „Das könnte gut möglich sein. Du trägst eine ungeheure Macht in dir, Junge. Und andere Elementaristen meinen, sie stehe dir nicht zu und daher müssen sie dir den Gar ausmachen." Robin war völlig darüber schockiert, was er da hörte. Er konnte nicht glauben, dass ihm jemand nach dem Leben trachten könnte. Davon hatte er bisher noch nichts gehört. „Aber woher wusste er, dass hier heute Abend ein Elementum sein wird?", mischte sich nun Skye ein. „Also Sie müssen mir glauben, dass ich es niemandem erzählt habe", reagierte Hauch sofort. „So meinte ich das auch nicht", entschuldigte sich der Lehrer schnell. „Aber irgendwoher musste dieser Kerl doch die Information haben." „Vielleicht wurde das Telefonat abgehört oder die Emails wurden gelesen", schlug der dickliche Herr vor. „Das klingt ja nach organisiertem Verbrechen", entgegnete Skye ungläubig. „Dann müsste sich ja bereits herumgesprochen haben, dass 4E ein Elementum beherbergt." „Bis zu Ihrem Anruf wusste ich allerdings nichts davon", warf Hauch ein. „Und ich bin eigentlich über solche Dinge sehr gut informiert." Die beiden diskutierten hin und her, während sich Robin das Ganze interessiert anhörte. Er war sich überhaupt nicht darüber bewusst, was seine Existenz ausrichten konnte. Bisher nahm er an, dass er höchstens sich selbst zur Gefahr werden konnte, wenn er seine Fähigkeiten nicht richtig kontrollierte. Doch nun waren auch noch andere hinter ihm her. Damit hätte er nie gerechnet und das warf ihn aus allen Wolken. Nach einiger Zeit stoppte der ältere Luft-Elementarist das Gespräch: „Nun sollten wir es dabei belassen und heute nicht mehr darüber nachdenken. Hier seid ihr beiden erst einmal in Sicherheit. Es ist schon spät. Ich sollte euch euer Zimmer für dieses Wochenende zeigen, denn morgen früh geht es bereits los. Und da solltest du fit sein, Junge." Skye und Robin stimmten dem dicken Mann zu und ließen sich in ein Gästezimmer führen. Zunächst war der Sechzehnjährige nicht darüber erfreut, als er das Doppelbett in dem Zimmer sah. Doch sein Lehrer erklärte ihm schnell, dass er das Bett für sich allein haben durfte und er stattdessen auf dem Boden schlafen würde. „Herr Hauch stellt mir eine Luftmatratze zur Verfügung." Der junge Schüler war erleichtert darüber, denn sonst wäre er wahrscheinlich erneut misstrauisch gegenüber seinem Lehrer geworden. In einem Bett wollte er ganz sicher nicht mit ihm schlafen. Als er schließlich im Bett lag, spürte er, wie ihn die Müdigkeit übermannte. Der Tag war lang gewesen und gerade die Ereignisse am Abend forderten ihren Tribut. Nun war er froh, sich ausruhen zu können und verschwendete keinen Gedanken mehr an den Angreifer. Dafür wäre am nächsten Tag noch genug Zeit. So machte er es sich gemütlich, schloss die Augen und schlief schnell ein.

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