Kapitel 3

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Nun war es soweit. Der Termin war mitten in den Sommerferien. Noch drei Wochen hatte Robin Zeit, sich für eine Oberstufe zu entscheiden. Wenn das heutige Gespräch zu seiner Zufriedenheit verlief, würde er auf dieses seltsame Internat wechseln. Doch zunächst wollte er sich anhören, was der Rektor zu sagen hatte.Vom Frankfurter Hauptbahnhof fuhr er mit dem Taxi zur angegebenen Adresse. Für Robin war es der erste Besuch in der Bankenstadt und er nahm sich vor, sich die Stadt anzuschauen, bevor er wieder nach Hause fahren würde. Dafür hätte er sicherlich noch Zeit, denn er würde heute Nacht im Internat übernachten (außer ihm gefällt es dort ganz und gar nicht, dann würde er sich ein Hotelzimmer nehmen müssen).Als das Taxi vor dem Gebäude hielt, welches er schon auf dem Foto im Internet gesehen hatte, stand bereits eine Frau vor dem Tor, die auf Robin wartete. Als Robin ausstieg und sich seinen Rucksack aus dem Kofferraum holte, bezahlte die Frau den Taxifahrer. Dieser bedankte sich und fuhr davon. Erst dann begrüßte sie den Sechzehnjährigen. Sie streckte ihm die Hand entgegen und stellte sich vor:
„Guten Tag, Herr Held. Mein Name ist Serafina Funke. Ich werde Ihre Tutorin sein, falls Sie sich für unsere Schule entscheiden sollten."Robin schaute sich die sympathische Frau genau an. Sie war eine recht große, sehr schlanke Frau mit kleinen, feuerroten Locken, die ihr wild über die Schulter fielen. Er schätzte sie auf Ende dreißig, Anfang vierzig. Sie trug ein schwarzes Sakko über einem schwarzen Top und dazu eine feine schwarze Samthose. Um den Hals trug sie eine auffällige Kette aus großen braunen Perlen und schwarzen Steinen. Sie war mit enem auffälligen Fliederton um die Augen und einem zarten Rosaton auf den Lippen geschminkt. Ihr strahlend weißes Lächeln erschien ehrlich.„Bitte folgen Sie mir", forderte sie den Jungen auf.Sie öffnete das große Rundtor und bat Robin hindurch zu gehen. Auf der anderen Seite kamen sie auf einen großen Hof, der von allen vier Seiten von dem Gebäude umzäunt war. Jetzt wusste der Sechzehnjährige erst, wie dieses Internat aufgebaut war. Auf dem Hof war alles mit Stein bepflastert. In der Mitte befanden sich lediglich vier Ahornbäume, die in einem satten Grün erleuchteten.„Willkommen auf unserem Internat", begrüßte die Tutorin den Jungen. „Vor Ihnen sehen Sie das Schulgebäude, wo der Unterricht stattfindet. Dort ist aber auch die Mensa, in der gemeinsam gegessen wird. Dahinter befindet sich übrigens unsere Sporthalle und unser hauseigenes Schwimmbad. Rechts und links befinden sich jeweils die Schlafsäle, rechts die der Jungen und links die der Mädchen. Hinter uns ist das Verwaltungsgebäude, wo sich die Büroräume sowie Wohnräume der Lehrkräfte befinden. Hier drüben befindet sich gleich der Eingang, wenn Sie mir folgen würden."Robin trottete der Lehrerin hinterher und war schon ganz gespannt darauf, was er noch erfahren würde. Dass hier Jungen und Mädchen streng voneinander getrennt in zwei verschiedenen Gebäudekomplexen wohnen würden, fand er nicht so schön, aber damit könnte er leben.Im Innern des Verwaltungsgebäudes war der Junge sehr beeindruckt von dem marmornen Treppenhaus. Sie stiegen hinauf in den ersten Stock, wo sich das Büro des Rektors befinden würde. Schweigend folgte Robin seiner eventuell zukünftigen Tutorin. Als sie vor der Tür des Schulleiters angekommen waren, klopfte Serafina Funke an, um auf sich aufmerksam zu machen. Es ertönte Quinns Stimme, die Robin schon von dem Telefonat her kannte. Die Lehrerin öffnete die Tür und gemeinsam traten sie in das Büro.Robin war sehr beeindruckt, denn der Raum des Rektors war recht groß und eindrucksvoll eingerichtet. Auf dem Boden lag ein schwerer purpurner Teppich. Außen herum war das komplette Zimmer mit Regalen bestückt, die voller Bücher waren. Nur die beiden großzügigen Fenster sorgten für ausreichend Licht. In der Mitte stand ein wuchtiger schwarzer Schreibtisch, wohinter der Rektor auf einem schwarzen Drehstuhl saß und dabei seine Hände vor sich ineinander verschränkt abstützte.„Guten Tag, Herr Held!", hieß er den Sechzehnjährigen willkommen. „Setzen Sie sich doch bitte." Er zeigte auf einen der beiden Stühle vor sich. Robin trat näher heran, schüttelte die Hand des Rektors und setzte sich dahin, wo es ihm angewiesen wurde. Serafina Funke setzte sich neben ihn.„Es freut mich, dass Sie den Weg hierher gefunden haben", fuhr Quinn fort. Auch er hatte eine recht positive Ausstrahlung, wie Robin empfand. Er war zwar alt - wohl schon über 60 Jahre alt - und seine Augen wurden von tiefen Falten umrahmt, aber dennoch strahlte er etwas Freundliches aus. Sein volles Haar, der Vollbart und seine buschigen Augenbrauen waren schon mehr weiß als grau. Trotzdem hatte er eine aufrechte Körperhaltung. Wie sein früherer Rektor an seiner alten Schule trug Quinn einen grauen Anzug. Sein Sakko trug er über ein blaues Hemd, welches bis oben hin zugeknöpft war. Nur die obligatorische Krawatte fehlte.„Frau Funke haben Sie ja bereits kennen gelernt. Falls Sie sich dafür entscheiden würden, unser Internat zu besuchen, wäre sie Ihre Ansprechpartnerin in allen Belangen. Ich habe sie heute hierher gebeten, damit Sie sie schon einmal kennen lernen."„Vielen Dank", entgegnete er dem älteren Herrn.„Außerdem besitzt Frau Funke die gleichen Fähigkeiten wie Sie und daher dachte ich mir, dass Sie durch sie überzeugt werden."„Die gleichen Fähigkeiten wie ich?", hakte der Junge nach. „Was bedeutet das? Schon am Telefon haben Sie solche Andeutungen gemacht. Aber ich verstehe noch nicht ganz."„Ich beherrsche das Element Feuer", mischte sich nun die nette Tutorin ein. „Und das können Sie auch, Robin."Obwohl er dies schon ahnte, war er völlig überrascht von dieser Aussage. Es klang völlig absurd. Er fühlte sich, als ob er eine dieser Astrologie-Sendungen im Fernsehen schaute, in der irgendwelche Kartenlegerinnen irgendeinen esoterischen Quatsch erzählten.„Frau Funke hat recht. Aber vielleicht sollten wir bei Ihnen von vorne beginnen. Es scheint für Sie eine komplett neue Angelegenheit zu sein. Was ich Ihnen jetzt mitteile, wird Ihr komplettes Weltbild durcheinander bringen. Und das muss zunächst einmal verarbeitet werden. Fühlen Sie sich dazu trotzdem bereit?"Robin zögerte einen Moment, aber schließlich nickte er dem Rektor zu.„Nun gut", begann Quinn, „dann kläre ich Sie nun auf. Auf der Welt gibt es Menschen mit besonderen Begabungen. Sie können eines der vier Elemente beherrschen - Feuer, Wasser, Luft oder Erde. Solche Menschen nennt man Elementaristen. Und Sie sind einer davon."Der Junge hörte den Worten gespannt zu. Er wusste, dass der Mann die Wahrheit sprach, auch wenn es sich unglaublich anhörte.„Wir erfuhren von einem Bekannten aus dem Krankenhaus, indem Sie nach dem Vorfall in Ihrer alten Schule eingeliefert worden waren, von Ihrer Fähigkeit."„Wie bitte?", entfuhr es nun dem Sechzehnjährigen ungewollt.„Wir Elementaristen haben unsere Leute überall", scherzte die nette Lehrerin und zwinkerte dem Jungen schelmisch zu.„Was Frau Funke damit sagen möchte, ist, dass ein Elementarist als Arzt in diesem besagten Krankenhaus arbeitet und von Ihrem Erlebnis erfahren hat. Daher vermutete er, dass auch Sie ein Elementarist sind, womit er anscheinend nicht Unrecht hatte."Robin nickte. Nun verstand er, wie man von seiner Fähigkeit erfahren hatte. Der Rektor erklärte weiter:„Unser Internat bildet nun seit mehr als 50 Jahren junge Elementaristen aus, damit sie lernen mit ihrer Begabung umzugehen. Unsere Schule ist einzigartig in Deutschland. Aber im Ausland gibt es weitere solcher Schulen. Alle nennen sich Haus 4E - natürlich in der jeweiligen Sprache. Dabei steht 4E für die vier Elemente. Dank diesem Gebäude verknüpfen Außenstehende diesen Namen mit vier Ecken, weil es quadratisch angeordnet ist."„Und was bedeutet es nun, dass man ein Element beherrscht?", wollte Robin wissen. Serafina Funke antwortete ihm:„Es bedeutet, dass man die Energie und die Essenz des Elements nutzen kann. In Ihrem Falle bedeutet es, dass Ihnen Feuer nichts anhaben kann. Sie erleiden keine Verbrennungen. Aber wenn Sie weiter an ihrer Begabung arbeiten, können Sie noch viel mehr. So können Sie beispielsweise Feuer erscheinen lassen, wo gerade kein Feuer in Sicht ist."„Wie bitte?", stieß der Junge hervor.„Vielleicht sollten Sie ihm eine kleine Kostprobe vorführen, Frau Funke", schlug Quinn vor.Die Lehrerin erhob sich von ihrem Stuhl, streckte eine Hand von sich und ließ einen Feuerball in ihrer Handfläche erscheinen. Erschrocken schreckte Robin vom Stuhl auf und sprang zurück.„Sie brauchen sich nicht zu fürchten, Robin. Es wird Ihnen nichts passieren." Mit diesem Satz schloss sie ihre Hand wieder zu einer Faust und die Flamme verpuffte im Rauch.„Wow!", rief der Junge aus. „Das ist beeindruckend. Kann ich das wirklich auch?"„Noch nicht", entgegnete Serafina ihm. „Aber das können Sie hier bei uns lernen."Dies überzeugte den Sechzehnjährigen und er beschloss, dass er das Internat besuchen würde.„Doch eine Frage habe ich noch: Suchen Sie Ihre Schüler immer auf diese Weise oder woher wissen Sie von diesem Internat? Die Existenz ist ja ziemlich geheim. Nicht mal im Internet findet man irgendwelche Informationen."Der Rektor musste lächeln, bevor er auf diese Frage antwortete:„Normalerweise wissen die Elementaristen von ihren Fähigkeiten. Diese Begabung wird von den Eltern an die Kinder weitergegeben. Und daher melden die Eltern ihre Söhne und Töchter hier an. Die Betroffenen, wenn man sie so nennen darf, wissen, woher sie wichtige Informationen über unsere Gesellschaft der Elementaristen herbekommen."„Verstehe", entgegnete Robin. Nun wusste er auch, warum er nie etwas davon wusste. Er war nämlich adoptiert worden. Als Säugling wurde er vor die Tür seiner Eltern gesetzt, die ihn liebevoll aufnahmen und aufzogen. Von ihnen hatte er auch seinen Namen erhalten, welcher eine Zusammensetzung der Namen seiner Eltern war. Sein Vater hieß nämlich Robert und seine Mutter Ines. Und daraus ergab sich Robin.Seine biologischen Eltern mussten also ebenfalls solche Fähigkeiten besitzen wie er. Sie waren demnach Elementaristen. Und auch wenn er lange nicht mehr über seine biologischen Eltern nachdachte, die ihn damals ausgesetzt hatten, kam in ihm nun doch eine Neugierde auf. Jetzt würde er gerne mehr über sie wissen. Vielleicht konnten diese Rätsel während seines Aufenthaltes im Internat ebenso gelöst werden. Das wollte er in der Zukunft erfahren.

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