Kapitel 9

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Ich wurde netterweise frühzeitig entlassen und hocke jetzt in meinem Zimmer rum. Besser gesagt liege ich auf dem Bett. Das Thema mit meiner Mutter hatte ich so gut wie möglich vermieden. Warum hat sie mich und meinen Vater verlassen? Ich kann ihr das nicht verzeihen.
Reicht! Hör auf, über sie nachzudenken., befehle ich mir selbst.

Ich wache auf und steige sofort aus dem Bett. Heute ist eine wichtige Nacht. Beim Essen - ich wundere mich gar nicht mehr, dass jedes Mal, wenn ich aufwache, mein Essen schon auf dem Tisch steht - merke ich auf einmal, wie meine Hände zittern. Nervös? Warum das? Komisch, komisch... Als ich aus dem Zimmer trete, stoße ich beinah mit Miguel zusammen, der mich holen kommt. Er gibt mir einen Kuss und wir gehen den Flur entlang zur Wendeltreppe und dann zur Eingangstür, wo Joshua auf uns wartet.
"Ich habe alles geklärt. Christopher weiß, dass wir unterwegs sind, und mit Josephine treffen wir uns in einem ihrer Waldhäuser."
Waldhaus... Ich mag Wälder.

Den nächtlichen Wald konnte ich jedoch nicht genießen. Mit unglaublicher Geschwindigkeit sind wir nur etwa zehn Minuten gelaufen. Jetzt stehen wir vor einem kleinen Haus und warten, bis die Tür geöffnet wird. Die Tür geht nun auf und eine Frau steht dahinter. Ich schätze sie auf maximal 23 - was selbstverständlich nicht stimmt, da sie ein Vampir ist. Das ist Josephine. Ihre Haare sind halblang und kastanienfarbig. Außerdem trägt sie ein dunkelblaues bodenlanges Kleid. Die Anführerinnen stehen wohl auf lange Kleider. Die Vampirin lässt uns - wirklich - glücklich lächelnd rein.
"Joooshua, hallo! Lange nicht mehr gesehen! Schön euch kennenzulernen, Miguel und Lilith."
"Über ein hundert Jahre.", entgegnet Joshua lächelnd auf Josephines erste Behauptung.
So alt bin ich nicht mal., meint Miguel in Gedanken zu mir.
Das lässt mich schmunzeln.
"Wissen deine Begleiter von deinem Alter?", fragt die Vampirin Joshua besorgt.
"Inzwischen wissen das alle.", seufzt der Junge.
"Warum bist du noch immer kein Anführer? Das würde die jetzige Situation so erleichtern!"
Die Anführerin ist überhaupt nicht so ernst, wie ich zuerst angenommen hab. Und sie und Joshua sind... Freunde?
"Ich müsste kämpfen."
"Du hättest Alexandra leicht besiegt, du bist stärker als sie."
"Ich will nicht kämpfen. Warte, du hast mich abgelenkt. Du willst ehrlich keinen Krieg?"
Josephines Gesichtszüge werden sofort ernster.
"Ich will ihn nicht. Aber ich habe ihn euch erklärt."
"Warum?", melde ich mich endlich zu Wort.
Die Vampirin sieht mich lange an. Und ich spüre wieder DIESES Gefühl. Als ob meine Mutter irgendwo in der Nähe ist. Ehrlich gesagt hasse ich dieses Gefühl. Es macht mich nervös.
"Weil Alexandra uns nicht so leben lässt wie wir es wollen.", antwortet die Anführerin endlich.
Joshua blickt sie mit verengten Augen an, doch sie kriegt es nicht mit. Es gibt also noch einen Grund.
"Entschuldigt, aber warum sollte sie? Ihr tötet Menschen aus Spaß.", entgegnete ich.
"Erstens stimmt es überhaupt nicht. Zweitens, Alexandra muss uns so leben lassen, wie wir wollen, da wir ein anderer Clan sind. Aber du bist noch zu jung, die Situation ist viel schwieriger. Du hattest keinen Ritual, Lilith, stimmt?"
Ich schüttle den Kopf.
Lilith., ruft Joshua.
Ja?


Ich weiß nicht, ob ich es dir wirklich sagen soll, aber ich tu es. Josephine weiß mehr über dich, als sie es vorgibt.
Ich schaffe es, nicht auf Joshua zu blicken. Aha, und was jetzt?
Miguel tritt näher zu mir und nimmt meine Hand in die seine.
"Es ist meine Schuld, dass sie ein Vampir ist. Aber wir sind nicht hier, um über Lilith zu reden, oder?ö
"Na ja, ich weiß nicht. Ich jedenfalls schon.", erwidert Josephine.
Okay...? Was will sie von mir...?
"Josephine, bitte, erkläre uns, was es mit dem Krieg auf sich hat.", fleht Joshua.
Die Frau seufzt.
"Ich habe Alexandra den Krieg erklärt, weil sie mich und meinen Clan nicht in Ruhe lässt. Aber ich will den Krieg nicht. Angelika müsste euch meine Worte weitergegeben haben."
"Ja. Du willst deine Leute nicht verlieren.", entgegnet Miguel.
"Genau."
"Warum dann der Krieg?", rege ich mich auf.
Das komische Gefühl wird stärker und eine Woge Schwindel überflutet mich.
"Lilith? Alles in Ordnung?", fragt Joshua besorgt.
"Ja, ja...", beschwichtige ich.
Ein weiterer Grund? Welchen Grund hätte Josephine denn?
Meine Augen weiten sich und ich trete einen Schritt zurück.
"Ach du Scheiße...!", stoße ich hervor.
Meine Begleiter sehen mich fragend an. Die Anführerin anstarrend trete ich noch einen Schritt zurück, sie lächelt schwach.
"Nicht wahr..."
Ich drehe mich um und laufe aus dem Haus.

Zu Hause bei den Vampiren 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt