Zu Hause bei den Vampiren 2

Kapitel 18

"Streng dich an, so kannst du nicht gewinnen!", feuert mich Miguel herzlich an.
In dem Moment, wo er das ruft, verliere ich die Aufmerksamkeit an der richtigen Sache, Joshua läuft um mich herum, gibt mir einen Tritt in den Hintern und ich fall hin.
"Danke, Miguel...", sehe ich meinen Freund böse an und stehe wieder auf. "Hör auf, mich abzulenken! Dank dir verliere ich schon zum fünften Mal!"
"Das ist auch der Sinn der Übung.", entgegnet er schulterzuckend.
Ich klopfe mich vom Schmutz ab und drehe mich zu Joshua.
"Entschuldigung.", meint er, ich nicke und er erklärt: "Miguel lenkt dich mit Absicht ab. Du musst lernen, alles Störende auszublenden."
"Etwas, was ich nur in hundert Jahren schaffe...", seufze ich resigniert.
Joshua lächelt, doch es vergeht schnell. Er schaut zum Himmel und dann wieder zu mir.
"Die Sonne geht gleich auf. Ich schlage vor, wir gehen in den schalldichten Raum."
"Wollt ihr nicht ausschlafen?", frage ich die beiden.
"Das ist jetzt wichtiger.", schüttelt Miguel den Kopf.
Also ich würde gern ausschlafen. Aber die Vampire haben mal wieder Recht. Das geht mir wirklich auf die Nerven...
"Okay, dann lasst uns nach unten gehen.", stimme ich widerwillen nickend zu.
Schweigend gehen wir zurück zum Haus, steigen die Treppe runter und Joshua führt uns zum richtigen Raum. Ich zögere, als der Junge die Tür öffnet. Ehrlich gesagt will ich da nicht reingehen, ich hatte schon zweimal schlechte Erfahrungen in diesem Zimmer gemacht. Aber ich muss da jetzt durch, anders geht's nicht.
Somit betrete ich den Raum und die Vampire schließen sich mir an. In der nächsten Sekunde brennt ein Feuerzeug in Joshuas Hand. Von irgendwo taucht der Kerzenständer in seiner zweiten Hand auf und er lässt die sechs Kerzen brennen.
"Meiner Meinung nach brauchen wir Licht.", erklärt der Junge sein Vorgehen.
"Halte ich auch für richtig.", pflichtet ihm Miguel bei.
Alter Kerzenständer und Feuerzeug. Ich weiß nicht, warum, aber ich finde es komisch. Zwei Sachen aus ganz unterschiedlichen Zeiten, die sich in Händen eines uralten Vampirs, der wie ein Junge aussieht, befinden. Warum finde ich das wohl komisch?
"Lilith.", werde ich aus meinen Gedanken gerissen.
Ich schaue schnell auf, in Joshuas Gesicht.
"Ja?"
"Sei vorbereitet. Wir trainieren morgen durch. Während sich die anderen auf den Krieg zwischen den Gemeinschaften einstellen, lehren wir dich hier für deinen eigenen Kampf. Es erfordert viel Kraft und wir haben nur noch drei Nächte."
"Ich bin schon seit paar Tagen darauf vorbereitet."
"Gut. Wir werden ab jetzt hier auf dich warten und dich nicht abholen. Und das Letzte. In diesen drei Nächten wirst du viel Blut trinken müssen, da es dir Kraft verleiht."
"Aber ich kann auch ohne.", erwidere ich.
"Nein, kannst du nicht.", widerspricht Joshua.
"Weißt du, Lilith.", meint Miguel. "Während du ein Glas Blut in drei Nächten trinkst, trinkt jeder von uns eine ganze Flasche jede Nacht."
Ich stocke.
"Eine ganze Flasche Blut... Aber das ist doch... eine ganze Flasche Blut!"
Ja, sinnloser Satz, aber mein Staunen lässt mich nicht richtig denken.
"Ja, das ist eine ganze Flasche Blut.", beteuert er.
"Immer eure schlimmen Tatsachen! Lasst das! Ich will's nicht hören.", schüttle ich heftig den Kopf. "Und kommt, Schluss mit dem Quatschen. Ich muss noch eine Menge lernen.", wechsle ich prompt das Thema und gehe in die Mitte des Raumes.
"Sieh einer an, was aus einem kleinen Mädchen geworden ist.", lächelt Joshua.
"Höre ich aus dem Mund eines kleinen Jungen...", entgegne ich.
"Hey, hört ihr mal damit auf.", regt sich Miguel auf und geht auf mich zu. "Lilith, 50 Runden in diesem Raum mit mir um die Wette."
"Das schaffst du nicht mal selbst.", erwidere ich misstrauisch und schnaube.
Im Ernst, 50 Runden! Da wird doch einem ganz schwindlig!
"Mal sehen...", grinst er.
"Ich mache auch mit.", schließt sich Joshua uns lächelnd an.
Sie wollen das echt machen?! Okay...
Wir gehen zur Tür und nehmen die Start-Stellung ein. Oh Mann, worauf gehe ich ein...?
"Vergesst nicht, mitzuzählen.", zwinkert Miguel. "Auf drei."
Zusammen rufen wir: "Eins... Zwei... Drei!"