Kapitel 22

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Miguel stößt mir seinen Ellbogen in die Seite, ehe ich ausweichen davor kann, und ich keuchte kurz auf.
"Zu langsam.", ruft Joshua.
"Hab ich auch selbst gemerkt!", rufe ich zurück und werde nach vorne gestoßen.
Im letzten Augenblick schaffe ich noch, Gleichgewicht zu gewinnen, muss aber weitere paar Schritte laufen, um nicht doch noch auf die Fresse zu fallen.
"Lass dich nicht ablenken.", ruft der Junge wieder.
Boah, wie der stresst! Ich kann mich wegen seinen Rufen gar nicht konzentrieren.
"Miguel! Ernster kämpfen! Lilith muss die Gefahr spüren."
Ich schnelle herum und sehe Miguel hinter mich huschen.
"Tut mir leid.", höre ich seine Stimme.
Dann drückt er mir seinen Unterarm gegen den Hals und ich sehe seine Krallen auf meinen Bauch gerichtet. Scheiße.
"Gewonnen.", sagt er ruhig.
Der Vampir lässt mich los und ich falle schweratmend und erschöpft auf die Knie und dann ganz zu Boden.
"Meine... Fresse...", stöße ich zwischen zwei Atemzügen hervor.
"Ich habe dir gesagt, du sollst Miguel nicht unterschätzen.", meint Joshua und kommt auf uns zu.
"Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gedacht, du wirst mich umbringen.", wende ich mich an Miguel, wessen Krallen sich gerade zurückziehen.
"Wird nicht passierten.", versichert er mir.
Hoffe ich doch.
"Ich fange mit dem Zählen von vorne an.", unterbricht Joshua unsere Unterhaltung. "Punkt eins. Miguel, kämpfe bitte richtig. Punkt zwei. Lilith, du kämpfst wie ein Mensch."
"Ich kann aber nicht anders kämpfen.", entgegne ich.
"Um wie ein Vampir zu kämpfen, musst du wie ein Vampir denken."
Wow, interessante Denkweise..., ironisch gemeint.
"Ich kann aber nicht anders denken!"
"Doch. Lasst uns eine Pause machen und Theorie üben.", schlägt der Junge vor.
"Ja, lass.", stimme ich zu.
Joshua und Miguel nehmen neben mir auf dem kalten Boden Platz und ich setze mich mühselig auf.
"Was tust du, wenn jemand eine Waffe auf dich gerichtet hält? Eine Pistole, sagen wir mal.", interessiert sich der Vampirjunge.
"Ehh... Weglaufen? Die Waffe verschieben? Ihn selbst angreifen?", rate ich ohne lange nachzudenken.
"Ist es nicht einfacher, ihn zu hypnotisieren?"
"Na ja, je nachdem, wie weit er von mir steht."
"Menschenlogik.", wirft er ein.
Soll das eine Beleidigung sein?
"Dein Niveau ist so hoch wie meins. Deine Kräfte reichen also bis dahin, bis wohin du willst. Wenn du an dich und deine Fähigkeiten glaubst, wirst du deinen Bedroher immer erreichen.
Zweite Lektion, vertraue immer deinen Gefühlen. Du musst nachts um eine Ecke biegen. Doch als du sie erreichst, überwindet dich ein starkes schlechtes Gefühl. Gehst du weiter oder kehrst du um?"
"Ehm, eigentlich wäre ich weitergegangen, in der Dunkelheit hat man viele Ängste. Aber ich weiß jetzt seit einiger Zeit, dass meine Gefühle doch immer Recht haben. Also kehre ich um."
"Falsch. Sei nicht so naiv. Du bist ein Vampir, du kannst Gefühle und Gedanken anderer lesen. Bleibe stehen und vergewissere dich, ob du etwas Fremdes wahrnimmst. Vielleicht wirst du sogar die Kraft spüren, wenn es ein Vampir ist. Wenn das zutrifft, kehre um. Wenn du überhaupt nichts spürst, dann darfst du weitergehen. Obwohl du im ersten Fall denjenigen auch kontrollieren könntest, der um die Ecke auf dich wartet. Da besteht jedoch die Gefahr, dass er sich befreien und dich anfallen könnte.", belehrt mich Joshua, wobei er immer wieder kurz in seinen Gedanken versinkt.
Sind Situationen aus seiner Vergangenheit?
"Fiese Fragen."
"Nein.", schüttelt Miguel den Kopf. "Du musst wirklich aufhören, wie ein Mensch zu denken."
Ich bin aber ein Mensch! Okay, ja, zur Hälfte. Trotzdem! Ich kann meine Denkweise nicht verändern.
"Dritte Lektion. Beim Kämpfen kannst du wirklich immer herausfinden, was dein Gegner als nächstes unternimmt. Jede Bewegung und jeden Schlag kannst du vorhersagen."
Der Vampir springt geschmeidig auf und mit so einer Leichtigkeit auf, dass man meinen könnte, die Erdanziehungskraft mache ihm nichts aus.
"Und wie du das schaffst, musst du in der nächsten Aufgabe herausfinden.", lächelt er mich an.
Oh nee! Warum?! Und Mann, es ist immer noch komisch, solche Reden aus dem Mund eines Jungen zu hören.
Seufzend stehen Miguel und ich auf.
"Und ich muss das wohl vormachen.", stellt dieser fest.
"Richtig.", nickt Joshua.
Mein Beileid., schicke ich meine Gedanken an meinen Freund.
Er winkt nur ab.
"Also. Ihr kämpft. Aber, Miguel, diesmal langsame Angriffe, damit Lilith zumindest etwas mitkriegt.", redet der Junge weiter.
"Hey!", rege ich mich wegen der Neckerei auf.
"Er meint es nicht ernst.", lächelt Miguel.
Hoffe ich doch. Aber ja, ich weiß, dass er gern Späße über andere macht. Aber im Gegensatz zu Miguel hat er dabei nie Hintergedanken.
Der Junge nimmt wieder Abstand zu uns. Miguel und ich treten ebenfalls paar Schritte voneinander weg.
"Bereit?", fragt Miguel ernst.
Diese Aufgabe wird ihm offensichtlich kein Vergnügen bereiten.
"Sicher doch.", nicke ich jetzt schon konzentriert.

Zu Hause bei den Vampiren 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt