Genüsslich atme ich tief die frische, kühle, nächtliche Luft ein. Es müsste schon Oktober sein, aber mir ist in meinem T-Shirt nicht kalt. Vorteile des Vampirseins. Der silberne Mond leuchtet hell am Himmel und lässt seinen Schein auf den farbigen Blättern der Sträucher nieder. Miguel kommt lächelnd auf mich zu und reicht mir eine Rose.
"Hier, das ist die Letzte."
Wir setzen uns auf eine Bank und betrachten schweigend die Umgebung, weil ich um Stille gebeten hab. Joshua tritt aus dem Haus und ist in der nächsten Sekunde bei uns. Er hält mir ein Glas mit Blut entgegen. Ich kann seinen süßen Duft riechen und muss mich echt zusammenreißen, um gelassen zu bleiben und es nicht gleich auszutrinken. Ich glaube, wenn ich wirklich nur ein Mensch wäre, würde ich den Geruch anders wahrnehmen und schmecken würde mir das Blut bestimmt auch nicht.
Joshua grinst, weshalb ihn Miguel fragend ansieht.
"Es ist verlockend, habe ich nicht Recht?", spricht der Junge mich an.
"Das ist eine Droge.", erwidere ich etwas finster.
"In mancher Hinsicht schon.", nickt er lächelnd.
"Und der gegenüberstehende Clan will dem Drang nach Blut nicht widerstehen.", fügt Miguel hinzu.
Ich muss es. Ich will nicht zu den anderen gehören. Deswegen starre ich in das Glas in meiner Hand und trinke das Blut nicht. Ich hab immer noch Kopfschmerzen.
"Wann werden eigentlich meine Kopfschmerzen vergehen?"
"Wird einige Tage dauern, das ist wegen mir, tut mir leid.", antwortet Joshua. "Wenn du aber kein Blut trinkst, wird es eine Woche dauern."
Ich blicke wieder in das Glas mit Blut. Ohne lange nachzudenken, setzte ich es an die Lippen und trinke. Sofort lassen meine Schmerzen bis zu einem gewissen Grad nach. Ja, so ist es schon viel besser. Soo, zurück zu den Vampiren.
"Haben die zwei Vampirgemeinden Namen? Ihr sagt die ganze Zeit nur 'unser Gegenteil'."
"Erstens sind es drei Gemeinden.", entgegnet Miguel und Joshuas Augen schnellen zu ihm.
Das durfte er wohl nicht sagen. Tja, zu spät.
"Drei? Wer ist die Dritte? Ich meine, welche Interessen haben sie?"
"Du wirst keine Antwort erhalten.", sagt Joshua prompt.
Ich schnaube gestresst und stehe entschlossen auf. Wie oft hatte man hier doch so zu mir gesprochen.
"Wisst ihr was? Ich bleibe bei euch, hier, in dieser Gemeinde. Ich will zu euch gehören. Und jetzt sagt mir die verdammte Wahrheit, ich hab genug von ständigen Geheimnissen."
Auf Miguels Gesicht zeichnet sich ein "böses" Lächeln, Joshua lächelt zufrieden.
"So ist es doch schon viel besser.", meint Miguel mit vielversprechendem Ton.
"Die dritte Gemeinde ist der Rat. Er steht neutral gegenüber beiden anderen... Clans.", erklärt Joshua.
Ja! Endlich eine klare Antwort.
"Wieso durfte ich es nicht erfahren?"
"Nur wenige Vampire wissen von dem Rat. Christopher hatte es als nötig gehalten, dass die Villabewohner davon erfahren. Alexandra hatte ihn deswegen fast umgebracht. Verstehst du, wie geheim der Rat bleiben will?", erzählt Joshua ernst.
Schlimm..."So ist das.", antwortet Joshua wieder auf meine Gedanken. "Zu deiner Frage. Wir haben uns der "Moonclan" genannt. Unser Gegenteil ist der "Darkclan". Du willst wirklich bei uns bleiben? Was ist mit deinem Vater? Mit den ganzen Versuchen, wegzulaufen?"
"Ich hab das schon längst aufgegeben, es ist sinnlos. Warum auch immer ich hier bin, ich kann hier nicht weg. Also kann ich mich genauso gut euch anschließen."
Miguel fasst mich am Oberarm an. Er tauscht kurz die Blicke mit Joshua aus, welcher zustimmend nickt.
"Du bist hier, weil du ein Halbblut bist. Weil du als Halbblut überlebt hast. Und weil du stärker als manche von uns bist, obwohl du ein Halbblut bist.", sagt mein Freund.
Ohh. So viele Wahrheiten auf einmal! Ist es überhaupt legal?
"Du hast meinen Angriff überlebt. Und dir ist nichts geschehen. Du bist sogar noch stärker geworden. Du bist etwas Besonderes. Allein weil du ein Halbblut bist.", fügt der Junge hinzu.
"Dürft ihr mir das überhaupt erzählen?"
"Selbstverständlich nicht.", lächelt Joshua.
"Warum tut ihr das dann? Werdet ihr nicht bestraft? Nicht an den Rat verraten?", entgegne ich besorgt.
"Wir sind doch eine Gemeinde. Du musst es also wissen. Und wir können diese Entscheidung selbst treffen. Oder willst du im Unwissen bleiben?", meint der Junge lächelnd.
"Nein, nein. Danke euch."

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Zu Hause bei den Vampiren 2
VampirosDie Geschichte von der Halbvampirin Lilith geht weiter. Neue Wahrheiten kommen heraus und neue Schwierigkeien erwarten sie.