Der Wille des Himmels

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Stunden wurden zu Tagen und Tage zu Wochen. Stetig reisten wir durch die Wälder Malnors. So weit das Auge reichte standen Nadelbäume und Laubbäume dicht an dicht.
Kleine schmale Wege durchliefen das Dickicht und hätte es nicht ab und zu eine Lichtung gegeben, so hätten wir die Sonne wohl wochenlang nicht erblickt. Selbst tagsüber war es düster und kühl unter den Baumkronen.
Kaum ein Tier zeigte sich und auch der Gesang der Vögel, die in Alayron noch so fröhlich in den Bäumen gesessen hatten, war verstummt.
Die Welt um und herum war wild und rau und wurde kaum von einem Menschen durchquert, wenn es nicht Reisende wie wir waren.
Doch das Klima war angenehm und das Gebiet eben, weswegen wir recht schnell vorankamen. Erst nach ein paar Tagen wurde die Umgebung hügeliger. Rauschende Flüsse durchzogen die Landschaft, an deren Ufer Bären Fische jagten. Bergziegen standen an steilen Hängen und beobachteten uns mit wachsamen Augen. Ein Gefühl der Geborgenheit, welches mir nur meine ständig näher rückende Heimat vermittelt konnte, ließ meine Laune von Tag zu tag steigen. Egal, was auch noch geschehen mochte, alleine dass ich Hirsche, Rehe und so viele andere Waldbewohner sehen konnte, sagte mir, dass sich die lange Reise gelohnt hatte.

Wir sprachen generell wenig miteinander und wenn dann auch nur, um das weitere Vorgehen zu planen und anfallende Aufgaben zu verteilen. Wir alle waren einfach zu verschieden, als dass wir Themen fanden, die uns alle interessierten und für viel Gesprächsstoff sorgten.

Wir hatten eine feste Ordnung unter uns festgelegt, damit wir beim rasten nicht all zu viel Zeit mit jeglichen Aufgaben verschwendeten.
Pyero und Alaron sorgten abends für Feuerholz, Astryd jagte immer in ihrer Wolfsgestalt Hasen und Rehe und Lexaya und ich kümmerten uns um das restliche Essen, wie Beeren und Pilze.

Drei Wochen waren seit unserem Aufbruch vergangen und es hatte keine Komplikationen gegeben. Wir waren nur wenigen Menschen begegnet und die, die wir sahen, waren zu sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt, als dass sie sich für uns interessierten.

Ab und zu kamen wir auch an Dörfern vorbei. Sie lagen auf den wenigen Lichtungen, die es in diesem dichten Wald gab.
Die meisten von ihnen waren jedoch verlassen und die wenigen bewohnten, waren heruntergekommen und nur einzelne Menschen waren standhaft geblieben und trotzten der Witterung. Das alles hatten sie Nevary und seinen Schergen zu verdanken. Nach dem Untergang der Hauptstadt, hatte er seine Ritter in alle Dörfer ausgesandt, um mich zu finden. Genau wie in Valam waren sie brutal und rücksichtslos vorgegangen.

Mein Bruder war seltsam still geworden. Zu Beginn hatte er ab und zu noch einen frechen und unangebrachten Spruch von sich gegeben, doch mittlerweile saß er meistens ruhig an einen Baum gelehnt und wartete auf die Weiterreise.

Ich vermutete, dass es die Bilder der leidenden Menschen waren, die ihn veränderten. Ohne seine Drachenseele sah er nicht mehr so düster und blass aus und so war es wahrscheinlich auch mit seiner menschlichen Seele. Ich hoffte, dass die letzten Spuren der dunklen Kräfte eines Tages verschwunden sein würden und ich einen Teil meines Bruders, den ich früher gekannt hatte, wieder bekommen würde. Doch das waren alles nur Spekulationen. Vielleicht war er noch genauso widerwärtig wie früher und wollte seine Einsicht nur vortäuschen, damit wir unachtsam wurden und er fliehen konnte. Noch nie hatte es jemanden gegeben, der über Drachenkräfte verfügte und auch noch niemanden, der sie wieder verloren hatte. Was dies alles mit ihm und seiner Seele anstellte, war nicht zu erahnen.

Am 23. Tag unserer Reise kamen wir an die erste größere Lichtung seit langem.
Schon von weitem sahen wir die Sonne auf den Boden scheinen.
Es war zwar nicht mehr weit bis nach Simaris, aber wir beschlossen noch eine Nacht hier zu verbringen und erst Morgen früh das letzte Stück des Weges hinter uns zu bringen.

Ich ließ Shaytan angaloppieren. In wenigen Sekunden hatte ich die anderen überholt. Die Bäume flogen nur so an mir vorbei und schon hatte ich die letzten Bäume hinter mich gebracht. Vor uns lag im Licht der späten Nachmittagssonne ein großer klarer See. Das Wasser lag still und bewegungslos dar, die angrenzenden Bäume spiegelten sich und bildeten perfekte Abbilder.
Der Boden unter den Hufen des Hengstes wurde von brauner trockener Erde zu Kies und schon tauchte er ins Wasser ein.
Shaytan bremste und begann gierig zu trinken, während ich mich zu den anderen umblickte.
Wir alle hatten seit Ewigkeiten kein Wasser mehr gesehen.
Freudestrahlend kamen die anderen angeritten und stiegen ab.
Wir banden die Pferde an Bäume und beschlossen unser Lager hier aufzuschlagen.

Time to Reign 2 - Das vergessene LandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt