Das bin Ich

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Es dauerte nicht lange und ich hatte den machthungrigen und geldgierigen Gesetzlosen auf meiner Seite.
Auch wenn ich den Mann nach einer Stunde immer noch nicht ansatzweise leiden konnte, so wusste ich doch, dass er genug Ehre besaß, um zu seinem Wort zu stehen.
Er versprach mir, zusammen mit seinen dreißig Männern, zurück zum Schloss zu reiten und es bei Nacht zu erobern. Allerdings wollte er einen Beweis, dass ich wirklich der war, für den ich mich ausgab. Er wollte wissen, dass ich tatsächlich die Drachenseele besaß und damit auch genug Macht hatte einen König zu stürzen.
Auch wenn es heikel war, ihm dies schon jetzt zuzusichern, wo ich doch noch immer meine Kräfte nicht erweckt hatte und auch nicht kontrollieren konnte, so tat ich es und hatte den ersten Schritt erledigt.

Während sich die Männer im kopflosen Reiter weiterhin besoffen, bis sie mit Sicherheit genauso gedankenlos waren, wie der geköpfte Mann, der draußen als Schild im leichten Nachtwind hin und her baumelte, machte ich einen kleinen Spaziergang.

Ich genoss die nächtliche Stille und reine Luft außerhalb des Dorfes, die ich sonst gewohnt war, hier aber als seltenes Gut anzutreffen war.
Für mich wäre ein Leben an solch einem Ort wirklich nichts. Der Lärm und Gestank, der mit dem einfachen Menschen kam, war auf Dauer unerträglich. Die unbefestigten Wege, die sich nach jedem Regen in Schlamm verwandelten und die Tiere, die so nah bei ihren Besitzern lebten, Krankheiten und Kot verteilten.
Angewidert betrachtete ich das Dorf von einem kleinen Hügel aus, das niemals zu schlafen schien und fühlte mich zum ersten Mal mehr wert als die Menschen dort unten. Was hatten sie schon für einen Sinn, welche Lebensaufgabe? Sie waren nicht mehr, als Bauern, die sich darum kümmerten, dass ihre Herren genug zu Essen bekamen.
Umso tiefer ich mich in meine eigenen widerwärtigen Gedanken über die Menschheit verstrickte, desto mehr wurde mir bewusst, dass es nicht allein meine Gedanken waren.
Meine Mutter hatte mich all das anders gelehrt. Natürlich standen wir über den Menschen, aber besser waren wir nicht! Mit dem Rang folgte auch Verantwortung.

Wochenlang hatte ich mich gefragt wohin die Stimme des Drachen verschwunden war. Nun wusste ich es. Sie war die ganze Zeit über in meinen Kopf gewesen und hatte mein Denken und Handeln unbewusst beeinflusst. Die arrogante Art gegenüber der Wirtin, das selbstsichere Auftreten, als ich mit Asruhl gesprochen hatte. Das war alles nicht ich gewesen.
Ich wusste nicht, ob ich Angst bekommen sollte, dass der Drache bereits begann mich zu verändern oder ob ich es als Geschenk sehen sollte. Ich war alleine hier und musste alles ohne Hilfe schaffen. Da kam mir doch die Sicherheit der Drachenseele gelegen.
Doch wo würde die Grenze sein? Ich wollte nicht zulassen, dass sie mich ganz übernahm. Mich zu einem anderen Menschen machte, der ich gar nicht sein wollte.
Ich würde auf mich aufpassen müssen. Mich selbst analysieren, um das Monster in mir nicht an die Macht zu lassen. Denn es schien ohne gewissen und Reue zu handeln.
Ich ließ mich an einem Baumstamm nieder und beobachtete meinen Atem, der in kleinen weißen Wölkchen hinauf zu den Sternen stieg. Es war kalt geworden in den letzten Tagen. Ohne den schützenden dichten Wald hier am Rand des Tales, gab es nichts was den Wind hätte aufhalten können. Auch wenn er durch meine Kleidung wehte und mich frösteln ließ, so weigerte ich mich zurück ins Dorf zu gehen.
Hier war die Luft klar, genauso wie meine Gedanken. Ich hatte Angst, dass der Drache zurück kehren würde, wenn ich gegenüber Asruhl wieder meine harte Seite zeigen musste.
Ich schloss die Augen und genoss die Stille, bis es nach einiger Zeit hinter mir im Geäst zu knacken begann.
Erschrocken sprang ich auf die Beine und umfasste automatisch das Schwert mit meiner rechten Hand. Langsam ging ich einen Schritt zurück. Weg von dem Baum und dem Wald dahinter.
Ein Reiter näherte sich langsam. Zielstrebig kam er auf mich zu.
Während ich nur die Silhouette erkennen konnte, so war ich im Licht eines fast vollen Mondes gut auszumachen.

Doch als der Reiter näher kam, so erkannte ich einen grinsenden Dako. Er hielt sein Pferd direkt neben mir und sprang ab.
"Habe ich Euch etwa erschreckt?", fragte er leicht amüsiert.
Eilig ließ ich meine Waffe los und nahm eine lockerere und aufrechte Haltung ein. Ich wollte nicht, dass er glaubte ein Reiter bei Nacht könnte mich schon ängstigen.
"Du bist früh zurück. Hast du eine Hexe gefunden?!", antwortete ich mit einer Gegenfrage.

Time to Reign 2 - Das vergessene LandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt