Es war seltsam die Reise so fortzusetzen. Der Tumult der vergangene Tage war vorüber und mir blieb Zeit über die Geschehnisse nachzudenken.
Es schien mir auch, dass die anderen sich viele Gedanken machten, denn die Stimmung in der Gruppe hatte sich stark verändert. Ser Alaron, welcher nur widerwillig wieder auf sein Pferd gestiegen war und uns begleitete, sagte seit Stunden kein Wort mehr. Verbissen und mit zusammengezogenen Augenbrauen musterte er meinen Bruder unentwegt. Ich wusste, dass er es für einen großen Fehler hielt Nevary zu vertrauen. Abgesehen davon hatten sich die Machtverhältnisse zwischen den beiden geändert. Der Ritter getraute sich nicht mehr fiese und abfällige Sprüche gegenüber meinem Bruder zu äußern, denn niemand konnte garantieren, dass dieser jetzt nicht zurückstieß. Und wer von beiden nun die Oberhand hatte, wussten wir alle. Ich brannte darauf nun vielleicht endlich erfahren zu können, um was es in ihrem immer währenden Streit ging. Dass die Situation eines Tages noch eskalieren würde war vorherzusehen.
Aber neben Darmont war auch Nevary ungewohnt still. Ich hatte damit gerechnet, dass er vor Euphorie und neuer Kraft nur so Scherze machen würde, aber davon abgesehen, dass er dem Ritter ab und zu einen siegessicheren Blick zuwarf, betrachtete er nur die Umgebung.Da wir nur noch zwei Pferde zur Verfügung hatten, mussten wir jeweils zu zweit auf einem Tier sitzen. Während Astryd als Wolf mit uns schritt hielt, hatte ich hinter meinem Bruder Platz genommen.
Alaron und Pyero wollte ich das nicht zumuten. Ja Pyero, sobald ich an ihn dachte, wurde auch ich äußerst still. Jetzt da der Trubel vorbei war, wurde mir die Distanz zwischen uns wieder richtig bewusst. Etwas beschäftigte ihn noch immer, was sein sonst so sonniges Gemüt trübte. Ich vermisste seine Lockerheit und das Grinsen, welches sonst seinen Mund umspielt hatte. Auch in dunklen Zeiten in Lumres, hatte er es immer wieder geschafft mich aus derTiefe zu ziehen und zeigte mir, dass es doch noch Gründe gab niemals aufzugeben. Jetzt war es meine Aufgabe ihm zu helfen. Wenn ich doch nur wüsste, was ihn so beschäftigte... Doch er musterte meistens die Landschaft, hinter Alaron sitzend, und warf mir nur selten einen Blick zu. Ich musste die Initiative ergreifen und ihn fragen. Doch noch hatte es keinen Moment gegeben, in dem wir alleine waren.Es fühlte sich merkwürdig an ohne Lexaya. Wochenlang waren wir zu sechst gereist und durch ihre Abwesenheit fühlte es sich an, als würde auch ein Teil von mir fehlen.
Ich hoffte inständig, dasses ihr bald wieder gut ging und die Dormes' ihr Versprechen hielten und auf sie acht gaben. Doch ich war mir auch sicher, dass der Heiler, mit dem ich mich in der Nacht unterhalten hatte, sein Bestes geben würde. Er schien mir erfahren und gut ausgebildet.
Doch auch so wäre die Stimmung nicht mehr die selbe. Wir alle hatten uns verändert und konnten nicht mehr so wie am Anfang unsere Gefühle für uns behalten. Wenn man so lange miteinander reiste und unter Druck stand, waren Gefühlsausbrüche nicht die Seltenheit.Alaron war wütend, Pyero verunsichert, genauso wie Astryd, so schien es mir und ich wusste nicht so recht, was ich fühlen sollte. Meine Gedanken drehten sich ständig in Kreis.
Auch wenn es um sein Leben ging und er vielleicht keinen anderen Ausweg gesehen hatte, hatte Nevary mich dennoch stark verletzt. Mein Hals schmerzte noch immer, eine dicke rote Linie zog sich über meine Haut. Nachdem er sich beruhigt hatte, hatte ich gehofft, dass er realisieren würde, was er getan hatte. Doch nicht einmal dazu, dass er mich fast erstickt hätte, sagte er ein Wort.
Es fühlte sich befreiter an angeblich zu wissen, dass er nur das Richtige tun wollte und dennoch fühlte ich mich bedroht.
Auch wenn ich ihm äußerlich Vertrauen geschenkt hatte, wusste ich immer noch nicht woran ich bei ihm war. Wer garantierte mir, dass er mir den Osranum nicht auch so irgendwann gestohlen hätte? Wie lange hatte er schon gewusst, dass ich ihn bei mir trug? Es war für ihn eine perfekte Gelegenheit gewesen die Macht an sich zu reißen. Man könnte vermuten, dass er es nur fürs Überleben getan hatte.
Er war viel zu schlau und gerissen, als dass jemand ihn wirklich jemals richtig verstehen würde. Der einfache Gedanke von der Rettung derWelt und dass er das Richtige tun wollte, passte nicht wirklich zu ihm. Auch wenn er wieder der alte war, Selbstlosigkeit und mein Bruder, das waren zwei verschiedene Welten. Das hatte er in den letzten sieben Jahren bewiesen.
Doch ich hätte ihn auch nicht gehen lassen können. Und versuchen ihn mit Gewalt zurück zu halten, wäre auch nicht die beste Lösung gewesen. Mir blieb nichts anderes übrig als an seine ehrvollen Absichten zu glauben. Und dabei war ich wirklich froh, dass Pyero und Astryd mich dabei unterstützt hatten. Auch wenn der Prinz niemals von sich aus meinen Bruder am Gehen hindern würde, wusste er doch, dass es in dem Moment keine andere Lösung gegeben hatte. Wir alle spielten ein Spiel. Drehten unsere Handlungen und Gespräche so, dass wir eine Gruppe blieben. Wir durften den niederen Streitereien und Machtkämpfen nicht nachgeben, mussten unsere Gefühle beiseite schieben, auch wenn wir noch so verunsichert waren und zutiefst verletzt. Ich versuchte dies zumindest, aber ob die anderen ihre Gefühle weiter zurück halten konnten, bezweifelte ich. Noch konnte man nur an ihren Gesichtern die Gedanken ablesen. Aber nur die kleinste Kleinigkeit könnte sie zum Explodieren bringen. Dabei war unsere Aufgabe doch so wichtig: es galt das Reich zu retten.
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Time to Reign 2 - Das vergessene Land
FantasyDies ist Band zwei meiner Time to Reign Reihe. Salira hat ihren Bruder besiegt und der Welt den Frieden gebracht. Während Nevary sein restliches Leben in den Kerkern von Lumres verbringen wird, steht die Hochzeit von Salira und Pyero kurz bevor. Do...