Kapitel 1

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Bevor dies geschah, war ich noch Zuhause, in der Mühlenstraße 9 in Pforzheim. Ich war ein normaler Schüler der 10.Klasse, der sehr gerne zeichnete und malte. Da ich nicht sehr gut in der Schule war und die Hausaufgaben vergaß oder hin und wieder zu spät oder gar nicht in die Schule kam, traf manchmal ein Brief von der Schule bei uns Zuhause ein:

An die Eltern des Schülers Bastian Kasta-Mayer.

Sehr geehrte Frau Kasta-Mayer,
sehr geehrter Herr Kasta-Mayer,
Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass sich Bastian nicht sehr häufig im Schulhaus befindet. Dazu gibt er meist die Hausaufgaben nicht rechtzeitig ab! Da dies schon zu oft geschehen ist, mussten wir Ihnen dies in Form eines Briefes mitteilen!
Zu unserer Freude und zu unserem Staunen ist Bastian aber immer im Kunstunterricht anwesend ,dies darf man nicht vergessen zu erwähnen!

Ich hoffe mit Ihrer Zusammenarbeit schaffen wir uns besser um Bastians Bildung zu kümmern!
Mit freundlichen Grüßen,
Schulleiter Johannes Wolf



Dann bekam ich meistens Hausarrest an den ich mich sowieso nie hielt, da ich im Erdgeschoss mein Zimmer habe und einfach aus dem Fenster steigen kann! Wenn meine Eltern dass wiederum erfahren gibt es noch länger Hausarrest und so geht das dann immer weiter! Ich kann also nicht verlieren!
Tja, ihr fragt euch jetzt was ich denn so Dringendes vorhabe, dass ich lebenslangen Hausarrest  auf mich nehme? Das sage ich euch! Ich gehe zu dem tollsten und hübschesten Mädchen der ganzen Welt. Maya Ziegler. Mit ihr gehe ich dann in den Wald und male oder gehe mit ihr einfach in unser Versteck und knutsche mit ihr rum!
Da ich nicht so beliebt bei den andern bin, sagen wir also ein Außenseiter, ist Maya mein ein und alles. Wenn ich sie manchmal heimlich abhole, gehe ich immer zu ihrem Zimmerfenster, welches sie immer ein bisschen offen lässt. Aber damit ich erst mal zu ihrem Zimmer komme muss ich erst an Zieglers „Wachhund" vorbei. Das ist aber kein Problem! Torsten ist ein Pudel und wird meistens von Jana, Mayas kleiner Schwester, verunstaltet. Der Arme tut mir sehr leid! Ich würde nicht gerne mit rosa Haarspangen und Lippenstift im Fell rum laufen müssen! Wenn ich dann also Torsten begrüßt habe und er mir sein Willkommensgeschenk gegeben hat, gehe ich voller Hundesabber im Gesicht durch das große Tor, da das der einzige Eingang des nicht kleinen Grundstück der Zieglers ist. Nachdem ich an der Hauswand eng vorbei gelaufen bin und somit den Garten durchquert habe, muss ich nur noch an den Rosen und dem Gemüsebeet vorbei. Das ist nun doch eine kleine Herausforderung für mich! Denn, wie soll ich es sagen, ich habe Angst vor Zieglers kleinem Löwen! Er schläft immer vor dem Gemüsebeet auf dem kleinen gepolsterten Stuhl, der ihn aussehen lässt wie ein König auf seinem Thron. Also, Löwe ist ein bisschen übertrieben! Es ist aber eine Raubkatze! Zwar eine kleine aber trotzdem! Simba, der Löwe, der eigentlich ein kleiner Kater ist, sieht aus wie ein Löwe und ist sozusagen der König der Katzen! Ein bisschen neidisch bin ich schon auf ihn! Er kann den ganzen Tag schlafen, alle Katzen der Umgebung lieben ihn und er wohnt mit Maya in einem Haus! So lässt sich das Leben genießen! Wenn Simba dann auf seinem Thron schläft, lege ich mich ganz flach auf den Boden und ziehe mich ganz leise voran, der kleine König soll ja nicht aufwachen, sonst merkt Maya noch, dass ich riesen Schiss vor Katzen habe und denkt ich bin ein Schisser. Das darf niemals passieren! Wenn ich nun endlich an dem Kater vorbei bin und die Hälfte des teuren Rasen von Zieglers an mir habe, bin ich endlich bei Mayas Zimmer angelangt. Ich klettere durchs Fenster und bin schon in dem großen Zimmer meiner Freundin!
Das Zimmer ist riesig und sehr geschmackvoll eingerichtet. Es ist sozusagen eine kleine Wohnung,  in der ein Bad, ein Fernseher und sogar eine kleine Küche Platz hat! Und das ist super! Denn wenn ich mal bei ihr bin(also die Hälfte meines Lebens) genieße ich den Luxus! Und nachts, haben wir genug Platz um uns auszutoben! Denkt jetzt nicht das Falsche! Mit austoben meine ich, wir hängen ein großes weißes Tuch auf und bespritzen es mit ganz viel bunter Wandfarbe. Auf diesem Tuch toben wir uns also mit Farbe aus!
Meistens wenn ich in ihrem Zimmer angekommen bin, hängt sie entweder das Tuch auf, liest oder duscht gerade. Sie duscht immer abends oder nachts, da sie tagsüber keine Zeit dafür hat. Den ganzen Tag lernt oder malt sie. Maya ist nämlich schon in der zwölften Klasse und lernt für ihr Abitur. Deswegen muss ich abends meist früher gehen als sonst, damit sie noch ein bisschen Schlaf bekommt.
Jetzt setze ich mich auf das große Sofa und warte bis sie mich bemerkt und das buch weglegt. Immer ist sie in ihr Buch so vertieft, dass sie mich meist erst nach ein paar Minuten bemerkt.
Wie sie jetzt am Fenster in ihrem Sessel sitzt und vom heutigen Vollmond angeleuchtet wird, sieht sie wunderschön aus. Ich beobachte sie und denke mir, was für ein Glück ich habe, mit einem so tollen Mädchen wie Maya zusammen sein zu können. Mir fällt aber auch ein, was für ein Pech ich habe, da ich tagsüber mich nicht mit ihr blicken lassen kann und somit nicht mit ihr angeben kann. Aber warum bin ich so undankbar? Ich sitze doch hier in ihrem Zimmer und muss sie nicht tagsüber in der Schule auf den Gängen beobachten und vor mich hin sabbern (was ich trotzdem tue). Wenn sie an ihrem Spint steht und gerade niemand sie oder mich beachtet, was bei mir sehr oft der Fall ist, aber bei Maya nur selten vorkommt, gehe ich zu ihr und gebe ihr einen kurzen, aber liebevollen Kuss. Dann gehe ich schnell weiter, damit man denkt, ich sei mit ihr zusammengestoßen.
Genau in dem Moment, als ich an unsere gemeinsamen Spint-Erlebnisse dachte, blickte sie mir direkt in die Augen und stand plötzlich direkt vor mir. Ihre braunen Haare kitzelten mich im Gesicht und ihre eisblauen Augen lächelten mir warm zu. Sie beugte sich zu mir herunter und küsste mich. So wie immer wenn Maya mich küsst, vergaß ich auch jetzt wieder jegliches Gefühl von Zeit. Ich weiß nur noch, dass ich sie zu mir herunter zog und wir jetzt auf dem Sofa liegen.
„Ich habe dich so sehr den ganzen Tag vermisst!", sagte ich, atmete den gewohnten Maya-Duft ein und gab ihr ein Kuss auf das Ohr.
Mayas Kopf lag an meiner Schulter und sie lag mit dem Rücken so auf meinem Bauch, dass ich sie von hinten mit beiden Armen umschlingen konnte.
„Ich dich auch! Aber wollen wir anfangen? Ich brauche noch ein paar Stunden Schlaf, bevor ich in die Schule muss."
„Ich auch. Aber wollen wir heute nicht lieber zeichnen? Ich bräuchte mal wieder ein neues Bild von dir in meinem Matheheft.", sagte ich und kitzelte sie an der Seite.
„Von mir aus. Ich hohle die Kohlestifte!" ,erwiderte sie und stand auf.
Ich stand auch auf und folgte ihr zu zwei Staffeleien, die sie immer in einer Ecke der Küche deponiert hatte. Ich trug die Staffeleien ins Wohnzimmer oder ihr Zimmer(wie man es gerne nennen möchte) und Maya kam mit einer kleinen Holzschachtel aus der Küche und stellte sie auf den kleinen Tisch, den ich eben zwischen die zwei Staffeleien, die sich gegenüber standen, gestellt hatte. Ich setzte mich auf einen kleinen Hocker vor meine Staffelei, auf der jetzt ein großes Blatt weißes Papier lag. Maya war in der Zeit wieder in der Küche verschwunden.
Kurze Zeit später kam sie mit einem Tablett, auf dem eine Kanne, zwei Tassen mit zwei Löffeln und eine Zuckerschale stand. So gut wie ich Maya kannte, wusste ich, dass sie uns beiden Kamillentee mit Zitronenblättern gemacht hatte. Das war nämlich der Duft, nach dem sie so sehr roch. Und ich liebte diesen Duft seit ich ihn das erste Mal roch und liebe ihn jetzt immer noch.
Sie stellt das Tablett neben die Holzschachtel, in der mehrere schwarze Holzkohlestifte lagen, und goss in beide Tassen Tee ein. Danach ließ sie in die eine Tasse drei Würfel Zucker, das war ihre Tasse und in die andere nur ein Würfelzucker plumpsen, diese Tasse war für mich.
Für Maya konnte es nie süß genug sein und machte in alles mindestens drei Würfel Zucker dazu. Vielleicht war sie deswegen so verdammt süß?
Sie lächelt mich an und gibt mir so zu verstehen, dass sie so weit ist und wir anfangen können. Sie setzt sich vor die andere Staffelei und nippt an ihrer Tasse Tee.
Ich nahm mir ein Kohlestift und fing an Mayas Umrisse zu zeichnen. Sie hatte auch die Tasse weggestellt und fing an mich zu malen. Ein kleines Fältchen zeigte sich auf ihrer kleinen, süßen Stirn die von ihren hellbraunen Haaren teilweise bedeckt war. Ich wusste, dass sie jetzt hoch konzentriert war und nichts und niemand sie in ihrer Welt erreichen konnte. Nicht mal ich, der Maya besser kannte als mich selbst.
Da ich nichts anderes machen konnte und ich wirklich ein neues Bild von ihr in meinem Matheheft gebrauchen könnte, damit ich es den Unterricht lang anstarren könnte, ging ich zu zeichnen an. Mein letztes Bild von ihr hatte Herr Roosmann einkassiert. Normalerweise interessierte mich nicht, da ich tausende Bilder von Maya zuhause und die einzig wahre Maya in meiner Nähe hatte. Aber bei diesem Bild ärgerte mich das schon sehr. Es war nämlich ein sehr schönes Bild von ihr gewesen, obwohl eigentlich alle Bilder von ihr schön sein müssen, egal wie dumm sich der Künstler anstellt. Doch bei diesem hatte ich sehr auf die Farbauswahl geachtet und hatte genau ihre Augenfarbe getroffen. Sie hatte es sogar mit ihrem Duft verseht (ich weiß nicht wie sie den Duft ihres Lieblingstees auf das Bild bekommen hat). Aber nun lag das Bild wahrscheinlich bei meinem Mathelehrer in der Schreibtischschublade und gammelt vor sich hin. Jetzt konnte ich mir nicht mehr vorstellen, dass Maya da vorne an der Tafel steht und mir Mathe beibrachte, wie sie es vor zwei Jahren tat und ich mich sofort in sie verliebte.
Nur noch ein paar Schattierungen und fertig ist das Bild.
Jetzt erst merkte ich, dass Maya schon fertig war und mich beobachtete. Wie gerne wüsste ich jetzt, ob sie mich auch so interessant fand, wenn ich mich unbeobachtet fühlte.
Ein liebevolles Lächeln breitete sich auf Mayas Gesicht aus und ließ ihre Augen strahlen. In ihren Augen las ich nur ein einziges Gefühl: wahre Liebe.
Ich lächelte sie zurück und legte alle meine Gefühle in diesen Blick und hoffte sie sah mich, wie ich sie sah: vollgepumpt mit Liebe bis zum geht nicht mehr.
„Fertig?", fragte Maya mich.
„Einen Moment noch! Nicht bewegen!", kommandierte ich sie mit einer gespielt strengen Miene.
Ich wollte unbedingt diesen Blick, der so voller Liebe war, festhalten. Ich blätterte das Blatt um, an dem ich gerade gearbeitet hatte und fing eine neue Zeichnung an, damit ich mich für immer an diesen Blick erinnern konnte, was ich auch so tun würde. Dieses Bild würde nie jemand außer mir und Maya sehen oder wenn doch, würde niemand das Gleiche darin sehen wie wir. Ein paar Striche und fertig war das wirklich schönste Bild, das ich je gesehen hatte. Das Motiv war perfekt. Die Schattierungen an den richtigen Stellen und nicht zu stark. Die einzelnen Striche hatten alle ihren Platz und keiner war zu viel oder zu wenig.
Ich starrte da Bild an und merkte nicht, wie Maya aufgestanden war und sich das Bild ansah. Sie war genauso überrumpelt wie ich. Diese ganzen Gefühle, die sich in ihrem echten und in ihrem gemalten Gesicht spiegelten waren so eindeutig: sie liebte mich!
Es war nicht nur eine kleine Schwärmerei für sie, sondern sie glaubt es sei die wahre Liebe. Für mich war das von Anfang an klar. Aber man weiß ja nie ob der Andere das Gleiche empfindet oder ob es für ihn nur ein Spiel ist. Jetzt weiß ich, dass sie das Gleiche fühlt.
Ich schaute sie an und bemerkte, dass ihr kleine Tränen über die Wangen liefen. Sie lächelte so liebevoll, dass ich sie einfach in die Arme nehmen musste. Nach einer Weile lösten wir uns ganz langsam von einander. Wir hielten uns immer noch umschlungen, sahen uns aber jetzt in die Augen und waren uns nur noch Zentimeter von einander entfernt. Langsam kamen sich unsere Gesichter immer näher und als unsere Lippen sich fanden, fühlte es sich an, als wäre es der erste richtige Kusse meines Lebens gewesen und die Küsse davor nur kleine Umarmungen. Maya machte mir gerade das größte Geschenk, das sie mir machen konnte.
Seit ich einen kleines Kind war, wünschte ich mir einen Kuss von einem Mädchen, das mich wirklich liebte.
Jetzt bekam ich das Geschenk einfach so. Es war zu perfekt. Ich konnte vor Glück und Liebe platzen, als Maya sagte: „Ich möchte es allen sagen! Das mit uns, meine ich. Jetzt ist die Zeit perfekt! Und ich werde es meinen Eltern sagen! Und werde ihnen sagen, dass ich niemals jemand anderen lieben werde, als dich und sie mich nicht mehr von dir trennen können!"
Ich glaubte das nicht, sie würde sich gegen ihre Eltern stellen und jeglichen Luxus nur für mich verlieren.
Ich sagte nichts. Ich küsste sie nur und diesmal ein bisschen besitzergreifender. Ich würde sie für immer lieben.
„Maya Ziegler, du bist das tollste und schönste Mädchen, das es jemals geben kann. Danke, dass du mir das Schönste der Welt gibst. Liebe. Maya, ich liebe dich." Ich flüsterte die Worte in ihr Ohr und hörte wie sie in mein Ohr flüsterte: „Ich liebe dich."
Und dann weinten wir. Jeder für sich und trotzdem zusammen. Seit Jahren weinte ich nicht mehr, aber jetzt konnte ich es nicht mehr zurückhalten. Ich war so glücklich und voller Liebe, das ich etwas, wahrscheinlich für Außenstehende ziemlich dumm wirkte, tat. Ich kniete mich hin und nahm Mayas Hand.
„Maya Ziegler, ich liebe dich und werde dich für immer und noch länger lieben. Ich möchte mein restliches Leben mit dir verbringen. Maya", ich machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: „Maya, möchtest du mich heiraten?"
Völlig überrascht, voller Tränen und mit einem breiten Lächeln auf Denis Lippen nickte sie ganz sachte. Dann wurde das Nicken immer deutlicher, bis sie es sagte: „Ja ich will dich heiraten, Bastian!" Ich sprang auf und umarmte sie. Wieder weinten wir und konnten gar nicht aufhören. Erschöpft, glücklich und voller Liebe sanken wir schließlich auf Mayas Bett und schliefen eng umschlungen nebeneinander ein. Ob ich jemals mit ihr träumen und mit ihr in ihre Welt eintauchen dürfte? Ob sie mir Zutritt gewähren würde?
Das waren meine letzte Gedanken, bevor ich in Mayas gleichmäßigen Atem einstimmte und in einen wunderbaren Traum fiel.

Die Todesengel Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt