Kapitel 2

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Mitten in der Nacht schreckte ich plötzlich aus einem schrecklichen Traum hoch. Der Anfang des Traums war zu schön gewesen um es dabei zu belassen. Maya und ich lagen friedlich in einem großen Bett mit weißen Laken. Neben dem Bett war eine große Fensterfront mit ebenfalls weißen, bodenlangen Vorhängen. Wir beide saßen aufrecht im Bett und lasen Zeitung, als plötzlich die Tür ein Spalt aufgeschoben wurde und ein Paar kleine zerbrechliche, mit Babyspeck übersäten Füßchen ins Zimmer getappt kamen und sich auf uns schmiss.
„Mama! Papa!", rief das kleine süße Ding mit meinen blonden Locken und Mayas grünen Augen.
„Guten Morgen, süße Maus!", sagte Maya lächelnd und legte das Mädchen zu ihr unter die Decke, wo sie sich ganz eng in ihre Armkule kuschelte. Maya hatte in der Zeit die Zeitung weggelegt und beobachtete liebevoll unser gemeinsames Kind, das schon wieder eingeschlafen war.
Ich tat es ihr gleich und sagte: „Unsere kleine Pia ist wirklich ein kleiner Engel."
Aber Maya beachtete mich gar nicht. Sie hörte auf eine Melodie zu summen, wie sie es bis vor drei Sekunden noch tat. Sie schaute mich mit erschrockenem und angewidertem Blick an. „Hier! Nimm das Kind und verschwinde! Ich will so eine Brut nicht in meinem Haus haben! Das ist ja widerlich!" Sie schmiss das Kind aus dem Bett und dieses fiel mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden auf. Dort lieg es reglos liegen.
Ich konnte nichts sagen. So kannte ich Maya gar nicht und wie sie mich jetzt anschaute, sah sie kein Stückchen mehr aus, wie ich sie am Abend gemalt hatte. Mit einem verstörten Blick sprang sie aus dem Bett hob das Kind auf, spuckte es an und trug es zum Badezimmerfenster. Ich folgte ihr und sah wie sie s aus dem Fenster und somit drei Stockwerke tief fallen ließ. Ohne etwas zu tun oder sie davon abzuhalten beobachtete ich Maya und ihre Grausamkeit. Jetzt fing das ehemals schönste Mädchen auf Erden ganz hämisch zu lachen. Sie ist jetzt auch nicht mehr schön, sondern böse. Ihre Augen wurden von grünglitzernd zu schwarz wie die Nacht.
Ihr Haar, das einmal hellbraun war, wurde jetzt schwarz und viel länger. Aus ihrem rosa Spitzennachthemd wurde ein langes fransiges, schwarzes Kleid.
Sie drehte sich vom Fenster weg und schaute mir in die Augen und ein stechender Schmerz durchfuhr meinen kompletten Körper. Zusammengekrümmt lag ich nun auf dem Boden und der Schmerz wollte nicht nachlassen. Maya schaute mich immer noch mit einem durchdringenden Blick an.
Plötzlich ging der Boden auf oder besser gesagt er wurde zu etwas ähnlichem wie Treibsand. Langsam wurde ich immer mehr in den Boden gezogen und Maya schaute mit einem Anflug von Lächeln mir dabei zu.
Nur noch mein Kopf war zu sehen. Und als ich kurz vor dem Abtauchen war, sah ich wie aus Mayas bösem Blick ein ganz mitleidiger und erschrockener Blick wurde. Gedämpft hörte ich sie noch rufen: „Was hab ich nur getan?!" Dann war Stille.

Jetzt saß ich kerzengerade im Bett und lauschte in die Nacht. Maya hatte sich auf die Seite gedreht und schlief friedlich und nichtsahnend von meinem Traum. Ich stand langsam und leise auf und zog meine Schuhe an. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass ich noch genau dreieinhalb Stunden Schlaf bekommen könnte. Ich zog meine Jacke an und stieg leise aus dem Fenster. Als ich draußen stand, zog ich das Fenster so weit es ging, ohne meine Finger einzuquetschen zu und begann meinen Weg durch den Garten anzutreten.
Nachdem ich an allen Hindernissen vorbei war und wieder voller Rasen war, stand ich nun auf der Straße, auf der kein Auto fuhr. Die Straßenlaternen warfen ihre Lichtkegel auf den Gehweg und ließen alles dunkel, was nicht in diesem Lichtkegel war. Ein leichter Nebel hing in der Luft und die Bäume wiegten sich leis im Wind. Das war meine Lieblingszeit. Alles war neu. Alles bereitete sich auf den Tag und war nun fertig mit den Vorbereitungen. Aber man spürte auch noch den letzten tag in der Luft liegen.
Gemütlich und leichten Schrittes lief ich die Straßen entlang, bis ich in meiner eigenen Straße ankam. Jetzt musste ich aufpassen. Wenn mich hier einer sieht, würde es meine Mutter schon vor dem Frühstück wissen. Bei diesem Thema spreche ich aus Erfahrung. Alle Leute lieben meine Mutter und hassen meinen Vater und mich. Mein kleiner Bruder steht bei ihnen aber auf dem letzten Platz der Beliebtheitsskala. Mein Bruder, wie soll man es beschreiben, er ist ein bisschen schwierig. Er spielt andern gerne Streiche und regt damit täglich mindestens einen Nachbarn auf, weil entweder seine Katze an manchen Stellen Fell abrasiert bekommen hatte oder vielleicht auch, weil Schuhe von der Terrasse geklaut wurden. Alle dachten sofort es sei mein Bruder gewesen, was meistens auch der fall war. Baer wenn er es einmal nicht gewesen ist, dachten trotzdem alle er sei es gewesen. Und dann bekam er eine Strafe. Das war meistens Hausarrest. Und wie auch ich, hielt er sich nie an den Hausarrest. Ich glaube wir beide zusammen haben schon für unser ganzes Leben Hausarrest. Naja....
Und da mein Bruder so ungezogen war, dachten alle er habe das von meinem Vater geerbt und ich sei auch so. Er musste es von meinem Vater geerbt haben, da meine Mutter doch viel zu nett war. Unsere Nachbarn fanden, meine Mutter hätte eine bessere Familie verdient und wollten sie schon oft mit ihren Söhnen, Enkeln, Cousins usw. verkuppeln.

Jetzt stand ich hier, am Anfang der Mühlenstraße. Fünf Häuser vor mir lag mein Haus mit einem Zimmer im Erdgeschoss, in dem ein Fenster nur angelehnt war. Mein Zimmer. Ich huschte durch die Schatten der Gärten und durfte auf gar keinen Fall in den Schein der Straßenlaternen treten. Zuhause angekommen, ich leise über das quietschende Gartentor und ging durch den Innenhof zu meinem Zimmerfenster. Vor meinem Fenster standen viele Töpfe mit Blumen und Pflanzen, die ich davor gestellt hatte, damit man erstens nicht so sehr in mein Zimmer schauen konnte und zweitens, damit man nicht merkte , dass mein Fenster jede Nacht nur angelehnt war. Ich schob einen Topf zur Seite, drückte mein Fenster auf und schwang mich in mein Zimmer. Schnell zog ich mich um, schmiss meine Klamotten in die Ecke und legt mich ins Bett. Meine Hände verschränkte ich hinter dem Kopf und starrte an die Decke. Ich dachte über Maya und mich nach und darüber, dass sie uns bald allen von unserer Beziehung erzählen will. Dann kam mir der Traum wieder in den Sinn und musste über mich selbst schmunzeln, da mein Unterbewusstsein wirklich dachte, Maya sei böse. Dabei konnte sie keiner Fliege etwas zu Leide tun. Lächelnd und wissend, dass Maya mich für immer lieben wird und der liebste Mensch auf Erden war, schlief ich einen ausnahmsweise ruhigen und traumlosen Schlaf.

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