Kapitel 6

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Endlich! Es klingelte. Ich sprang von meinem Stuhl in der Küche, wo ich gerade das Gemüse geschnippelt hatte. Der Stuhl kippte nach hinten um und landete mit einem lauten Knall auf dem gefliesten Küchenboden. Meine Mutter fing an zu kichern, während ich zur Tür sprintete. Ich bekam noch mit, wie meine Mutter sich die Hände an einem Geschirrtuch abwischte, mein Vater seine Zeitung auf die Seite lag und sich hinstellte und wie mein Bruder nochmal sich kritisch im Spiegel beäugte.
Ich riss die Tür auf und sah eine Maya mit einem breiten, aber sehr schönen Lächeln auf den Lippen. Man merkte, dass sie sehr aufgeregt war. Wie ein kleines Kind bevor es am Weihnachtsabend seine Geschenke bekommt. Ich musste bei diesem Anblick schmunzeln, wie sie mit diesem Lächeln, einer dunkelblauen Stofftasche in der einen und einer Weintasche in der anderen Hand. Sie sah einfach umwerfend aus in ihrem olivgrünem Kleid und der hellbraunen Lederjacke darauf. Schnell nahm ich ihr die Weintasche ab und gab ihr einen kurzen Kuss auf den Mund und zog sie mit meinem freien Arm in eine kurze Umarmung. „Ich bin so aufgeregt, Basti!", flüsterte sie in meine Schulter. Ich hielt sie ein bisschen auf Abstand und musterte sie. „Maya, du bist perfekt, hübsch, nett, höflich und klug. Meine Eltern werden dich lieben! Da bin ich mir sehr sicher! Komm!", meinte ich lächelnd und zog sie an der Hand hinter mir in das Wohnzimmer, wo meine Eltern Arm in Arm vor der Fensterfront standen und breit grinsten. Mein Bruder hockte auf der Armlehne unseres Sofas und glotzte Maya unglaublich an.
„Also, das ist Maya. Sie ist meine Freundin. Maya, das sind meine Eltern und mein kleiner Bruder, Tobi", sagte ich glücklich zu meiner Familie. Ich schaute erwartend in die Runde und sah einen leicht verärgerten Ausdruck meines Vaters. Ich war erst leicht verwirrt, aber meine Mutter riss mich aus meinen Gedanken. „Herzlich Willkommen bei uns, Maya! Ich bin Katharina, aber nenne mich bitte Kathi.", rief meine Mutter fast und zog Maya in eine innige Umarmung. Ich erkannte wie Maya sich immer mehr entspannte. Meine Mutter, die schon ganz rot vor Freude war, meinte: „Also, meine Liebe, ich habe schon so viel von dir gehört! Ach, ich bin so glücklich endlich eine Tochter zu haben!"
Maya freute sich sehr, wie man an ihrem Gesicht erkennen konnte. Meine Mutter ließ Maya los und trat zurück. Nun trat mein Vater vor und schüttelte Maya die Hand, während sein leicht verärgerter Blick einem kritisch beäugenden Blick wich. „Ich bin Johannes. Willkommen bei uns, Maya!", das letzte Wort spuckte er fast, weshalb ich mich fast für ihn schämte. Irgendwas hatte dieser Mann, dass niemand deuten konnte. Oder zumindest ich nicht. Mayas Blick war aber fast genauso kritisch. Sie behielt aber ihre Fassung und schüttelte meinem Vater freundlich die Hand und sagte: „ Ich bin Maya Ziegler! Ich freue mich sie kennenzulernen!"
Als nächstes wand sich Maya meinem Bruder zu und sagte: „ Hallo Tobi. Ich darf dich doch Tobi nennen, oder?" Sie lächelte süß nachdem mein Bruder genickt hatte.
„Macht es euch doch noch ein bisschen auf dem Sofa bequem. Ich hole gleich die Sektgläser, damit wir anstoßen können!", flötete meine Mutter und verschwand mit meinem Vater und Bruder in der Küche.

Ich nahm Maya an der Hand und zog sie auf das Sofa. Sie stellte ihre Tasche und ich den Wein neben das Sofa auf den Boden. Ich zog sie neben mich in meinen Arm und gab ihr einen Kuss auf das Haar. „Hat doch alles gut geklappt, oder?", meinte ich zu ihr. „Ja, alles perfekt gelaufen! Weißt du eigentlich wie glücklich ich bin und ich dich ganz doll lieb habe?", fragte sie in einem Kleinmädchen Tonfall. Immer wenn sie so redete, konnte ich ihr nicht widerstehen, so süß war sie. Ich zog sie seitlich auf meinen Schoss und legte einen Arm um ihre Schultern. Mit dem anderen nahm ich ihre Hand und verhakte meine Finger mit ihren. Mit dem Daumen streichelte ich ihr über die Hand.
„Ja, das weiß ich alles! Ich weiß aber auch, dass irgendwas mit dir und meinem Vater nicht stimmt! Was ist los?", wollte ich von ihr wissen während ihr Gesicht bei jedem Wort ein bisschen verärgerter wurde.
„Ach, nichts Wichtiges! Ich kenne ihn nur von meinem Vater. Mein Vater wollte mal mit deinem Geschäfte machen, aber deiner wollte sich nicht einigen. Deshalb war mein Vater oft sehr gestresst und hat alles versucht ihn zu überreden. Als alles nicht klappte, war mein Vater immer schlecht gelaunt, weil er sich einen neuen Anwalt suchen musste und dein Vater ja als bester Anwalt der Stadt galt, beziehungsweise immer noch geltet. Ich wusste aber nicht, dass dein Vater dieser Herr Kasta-Mayer. Ich dachte es wäre ein Onkel oder so von dir. Aber lass uns jetzt nicht über das reden.", beendete sie ihre Erklärung.
Ich war erleichtert, dass es wirklich nichts Schlimmes war. Jetzt wusste ich immerhin, dass einen Anwalt einmal für sein Geschäft gebraucht hatte. Egal...
Ich küsste Maya gerade innig auf den Mund, als ich wieder an Zoé dachte und verglich, wer besser küssen konnte, Maya oder Zoé? Stopp! Was mache ich hier? Schnell dachte ich an Maya, das schönste Mädchen, das gerade auf meinem Schoss sitzt und mich küsst. Ich küsste sie noch leidenschaftlicher, als meine Mutter mit einem Tablett mit vier Sektgläsern ins Wohnzimmer kam. Wir lösten uns voneinander und jeder nahm ein Glas. Tobi war in seinem Zimmer verschwunden, weil er anscheinend auf diese „Liebeskacke" keine Lust hatte. Wir stoßen auf Mayas und meine Liebe feierlich an und unterhielten uns gemütlich. Sogar mein Vater und Maya unterhielten sich freundlich. Plötzlich sagte Maya: „Oh! Das habe ich ja ganze vergessen!" Sie griff nach der dunkelblauen Stofftasche und holte ein Päckchen, das in rosa geblümtes Geschenkpapier eingepackt war heraus. „Ich habe für jeden ein Dankesgeschenk besorgt. Es ist nämlich sehr nett von ihnen mich hier zu empfangen und, dass ich mit ihnen essen darf." Sie lächelte in die Runde und gab meiner Mutter das Päckchen und sagte: „Das ist für dich, Kathi. Ich hoffe er gefällt dir!" Meine Mutter packte überrascht das Päckchen aus und nahm einen Schal in einem schönen hellblau mit einem orangen Muster heraus, das ich nicht erkennen konnte. Meine Mutter war sehr gerührt und nahm Maya in den Arm und murmelte eine Danke. Sie war mal wieder den Tränen nahe.
Jetzt nahm Maya die Weintasche und übergab sie meinem Vater. „Vielen Danke, das ich hier sein darf.", sagte sie, als ob es ein Friedenangebot war, das mein Vater durch das Entgegennehmen erwidern würde. Er nahm das Friedensangebot an und lächelte, was ein Danke bedeutete.
Jetzt nahm meine Freundin wieder die dunkelblaue Stofftasche und holte einen Schuhkarton heraus, der mit Klebestreifen zugeklebt war. „Das ist eigentlich für Tobi, aber der ist ja jetzt nicht da...", meinte Maya fragend. „Aber...aber...du hast ihm doch nicht Schuhe gekauft, oder?!", sagte meine Mutter erschrocken. „Nein, nein! Da sind nur ein paar Süßigkeiten drin verstaut.", erwiderte Maya. „Das ist aber nett von dir!", mischte sich mein Vater ein, „Stelle es einfach hier auf den Tisch, er kommt bestimmt nachher!" Maya gehorchte und stellte den Karton auf den Glastisch. Als letztes holte sie aus der Stofftasche ein Blatt Papier heraus, das mit einer Schnur zusammengebunden worden ist. Sie überreichte es mir und sagte schmunzelnd: „ Ich glaube du kennst es nur zu gut!" Ich machte die Schnur auf und rollte das Papier auf und schaute in das Gesicht einer Maya voller Liebe. Es war das Bild, das ich an dem Abend gemacht hatte, als ich ihr den Antrag gemacht hatte. Es hatte immer noch die gleiche Wirkung wie damals. Mir kamen Tränen in die Augen. Wie sehr konnte man einen Menschen lieben...? Maya nahm meine Hand und gab mir einen Kuss. Auch meine Eltern versuchten neugierig einen Blick auf das Blatt Papier zu erhaschen. Ich wischte mir schnell die Tränen aus den Augen, während mir Maya das Bild abnahm und es meiner Mutter reichte.
„Das hat ihr Sohn gezeichnet! Er ist sehr talentiert!", sagte Maya, während sie in die erstaunten Gesichter meiner Eltern schaute. Meine Eltern hatten noch nie ein Werk von mir gesehen. Bei meiner Mutter ward er Damm gebrochen. Sie weinte in Strömen. Meinem Vater stand der Mund weit offen, während er das Bild anglotzte und meiner Mutter einen Arm um die Schulter legte. Er blickte mich voller Stolz an und meinte: „Ich bin so Stolz auf dich!" Das hatte er noch nie in meinem Leben gesagt. Wieder wurde mir bewusst, dass Maya das Beste in meinem Leben war. Danke, ihr war mein Vater jetzt stolz auf mich. Meine Mutter kam auf mich zu und drückte mich eng an ihre Schulter. Auch ich weinte wieder. Schon wieder sah mich Maya weinen. Was sollte sie nun von mir denken? Ich schaute schüchtern mit einem Seitenblick und sah eine zufriedene Maya, die auch den Tränen nah war. Sie hatte gewusst, meine Eltern wussten nicht wie gerne ich malte und zeichnete und sie wusste auch, sie würden lieben was ich machte. Wie toll konnte ein Mensch sein? So voller guter Gedanken!
Ich ließ meine Mutter los und nahm Maya in den Arm. Ich flüsterte ihr ein liebevolles Danke zu und bekam einen Kuss auf die Wange.

Nachdem wir uns wieder alle abgeregt hatten, nahmen wir am Esstisch Platz und fingen an zu essen. Meine Mutter hatte sich wieder selbst übertroffen.
Wir unterhielten uns über meine sichere Zukunft als Künstler und auf welche Kunsthochschule ich wechseln sollte.
Ich erzählte meinen Eltern, dass Maya auch ein großes Talent für das Zeichnen und Malen hat, was meine Eltern nicht wirklich wunderte. Sie meinten, eine so hübsche, kluge, höfliche und vor allem perfekt zu mir passende junge Dame musste voller geheimer Talente stecken. Sie spekulierten auch über andere verborgene Talente von Maya, die sie selbst auch noch nicht kannte. Das alles wollten sie in den nächsten Ferien herausfinden.
Wir redeten auch über Urlaub und ob Maya und ich im Sommer ans Meer fahren wollen oder ob wir mit meinen Eltern und Tobi mit wollten.

Weit nach Mitternacht gingen Maya und ich in mein Zimmer. Diese Nacht schlief Maya bei mir. Während Maya sich im Badezimmer fertig machte suchte ich ihr ein T-Shirt von mir heraus, das sie als Nachthemd anziehen konnte. Sie kam in Unterwäsche aus dem Badezimmer und zog mein T-Shirt an, das ihr viel zu groß war. Aber auch in meinem T-Shirt sah sie wunderschön aus. Ich machte mich ebenfalls im Badezimmer fertig. Als ich wieder in mein Zimmer kam, hatte Maya sich schon in mein Bett gekuschelt.
Ich kuschelte mich, nur in Boxershorts, neben sie ins Bett und legte einen Arm um sie. Maya legte ihren Kopf auf meine Brust und sagte: „Danke Basti, für den schönen Abend heute!" „Ich sage Danke, Maya! Dafür, dass du so toll bist!", erwiderte ich und gab ihr einen Kuss, während ich ihren Bauch streichelte und sich ihre Hand auf meine legte und den Bewegungen folgte. „Ich liebe dich, Basti!", Flüsterte sie mir zu. „Ich dich noch viel mehr!", sagte ich und gab ihr einen Kuss auf den Mund. „Schlaf jetzt, kleine Maus! Gute Nacht!", sagte ich noch und bekam als Antwort noch einen Kuss. „Gute Nacht!", erwiderte sie schon sehr müde und schlief ein.
Wieder fragte ich mich, ob ich irgendwann mit ihr träumen dürfte...

Die Todesengel Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt