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SIXTEEN

Diesmal öffnete nicht ein kleiner Mann mit etwas mehr Bauchumfang die große Tür, die beim Aufmachen ein nicht sonderlich freundliches Geräusch von sich gab.

Nein, es war nicht Bang SiHyuk, wie vor 15 Minuten.

Stattdessen ragte mir ein intensives Rot entgegen und ich blinzelte zweimal bis ich realisierte, dass es Taehyung war, der seine Haare wieder einmal gefärbt hatte.

Er schaute mich dabei nicht mal an. Seine Augen lagen die ganze Zeit auf dem Türhenkel, den er noch immer mit seiner linken Hand umschloss, obwohl die Tür schon längst aufgestoßen wurde.

„Du sollst rein kommen", brummte er durch zusammengebissene Zähne und ich hörte sofort einen Klang in seiner Stimme, der mir Gänsehaut über die Arme liefen ließ.

Meine Beine zitterten wie verrückt, als ich von dem Stuhl auf dem ich die letze Viertelstunde gesessen habe aufstand und ich fuhr mir mit meinen Händen über meine Bluse, damit sie nicht mehr so verschwitzt waren.

Es brachte jedoch nicht besonders viel, denn ich konnte die Nässe sofort wieder zwischen meinen Fingern spüren, als ich schließlich in dem Büro stand und genau ein Augenpaar auf mich gerichtet war.

Dieses Augenpaar war jedoch nicht das was mich so nervös machte.

Es waren die anderen Sieben, die mir keine Aufmerksamkeit schenkten; die sich alle von mir abgewendet hatten und stattdessen die graue Wand anstarrten.

Ich konnte nicht ausmachen, was sie dachten; was in ihnen vor sich ging.

Während sie alle in einer Reihe neben dem Tisch - an dem Sihyuk-nim saß – standen, konnte ich in kein einziges Gesicht blicken, da sie vermieden mich anzugucken.

Ich bekam nur am Rande mit, wie ich angesprochen wurde; meine ganze Aufmerksamkeit war auf die Körperhaltung der Jungs gerichtet und ich blendete alles komplett aus.

Erst als mein Name zum Dritten Mal ertönte drehte ich meinen Kopf wieder nach vorne und sah, wie Sihyuk-nims Hände ineinander verschränkt auf der Tischplatte lagen und wie seine Augenbrauen zusammengezogen waren.

Das Lächeln, das man eigentlich immer sonst auf seinem Gesicht entdecken konnte war verschwunden und stattdessen zog sich ein nicht amüsierender Ausdruck über seine Wangen.

„Ich könnte drumherum reden", setzte er an; seine Stimme eine Oktave tiefer als sonst, „doch ich komme sofort zum Punkt! Es bringt nämlich nichts die Sache schönzureden."

Ich hatte gewusst, dass er so etwas Ähnliches sagen würde. Seit dem ich die Maustaste gedrückt hatte, habe ich mir nämlich vorgestellt, wie dieses Gespräch ablaufen würde.

Jedoch hätte ich nicht erwartet, dass es mir so zusetzten würde.

„Du hast gestern Abend Bangtans neues Album auf unsere Website gestellt", verkündete er das offensichtliche.

Es ging kein überraschendes Raunen oder Murmeln durch den Raum, weswegen ich annahm, dass er es den Jungs erzählt hatte, als sie vor mir in seinem Büro gewesen sind.

Deswegen hat Taehyung wohl auch so abweisend auf mich reagiert.

Das Einzige, das im Raum passierte war, dass ich zusammenzuckte; nicht vorbereitet auf das Zischen von meinem Vorgesetzten.

„Willst du dich dazu äußern?", fragte er, nachdem Stille herrschte.

Ich überlegte, was ich sagen sollte.

Darauf war ich nicht vorbereitet. Zwar wusste ich, dass er schon immer sehr fair und verständnisvoll gewesen war, doch ich hätte damit gerechnet, dass er mich auf der Stelle feuern würde.

Deswegen wählte ich meine Worte achtsam und weise.

„Es war von Anfang an nicht richtig gewesen, sie so zu bestrafen. Ihnen das zu verbieten, was sie vollkommen glücklich macht, war falsch gewesen."

Mein Kopf schellte in schnellen Bewegungen von links nach rechts, doch ich bemerkte nicht mal, wie ich ihn hektisch schüttelte.

„Ich konnte nicht mit ansehen, wie sie darunter litten, da es auch mich traurig machte. Es fügte nicht nur ihnen, sondern auch mir Schmerz zu."

Mittlerweile schauten mich sehr wohl die anderen an, ich konnte eindeutig ihre Blicke auf mir spüren, doch ich ließ mich nicht stoppen.

„Niemand wusste genau, wie es weitergehen sollte; ob es überhaupt ein ‚weiter' gibt und diese Unsicherheit hat nicht nur mich oder Bangtan getroffen, nein, sondern auch jeden anderen Mitarbeiter hier. Jeder hatte Angst gefeuert zu werden, da ohne BTS Bighit nicht mehr existieren würde"

Meine Augen fixierten einen Punkt auf meinen Schuhen und ich bemerkte erst dadurch, wie mein Blick nicht von Bang Sihyuk, sondern von Yoongi gerissen wurde.

„Ich musste es tun, es gab keine andere Wahl. Ich musste den Fans die neuen Lieder zeigen, damit ich sie wieder glücklich sehen konnte; damit ich wieder glücklich war."

Ein Schniefen folgte daraufhin, doch es war nicht, weil ich weinte. Es war die ganze Frust, die ich nicht mehr in mir behalten wollte.

„Ich bin mir bewusst, dass ich es diesmal bin, die bestraft wird und ich werde die Strafe ohne zu protestieren hinnehmen."

Ich wusste, dass es nicht besonders starke Argumente waren. Schließlich wäre jedem das ganze Zeug, das ich gesagt habe eingefallen, doch ich konnte schlechthin alle Gefühle, mit denen ich die letzten Monate konfrontiert wurde in einem Satz zusammenfassen.

Wissen sie, Bangtan ist wie zu meiner Familie geworden, da ich niemand anderen mehr habe, weswegen ich es als Pflicht ansah sie und ihre Fans glücklich zu machen. Und apropos, da wir ja schon sowieso dabei sind habe ich Yoongi geküsst und weiß nicht genau was das zu bedeuten hat, aber hey, wir haben noch genug Zeit das herauszufinden.

Ja, das hätte ich wirklich nicht bringen können.

Stattdessen wartete ich einfach ab.

Ein langes Seufzen kam von meinem Boss und ich wusste nicht genau, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war.

Als er jedoch diesmal meinen Namen aussprach hörte ich den bösen Unterton in seiner Stimme nicht.

„MiRae, MiRae, MiRae...was mache ich nur mit dir", flüsterte er leise.

Seine Finger trommelten sachte auf der Tischplatte und ich wagte einen Blick nach links, um zu sehen, wie auch die Augen von den anderen auf seine Finger fokussiert waren.

„Du bist die Beste, die wir auf deinem Gebiet haben", meinte er schließlich, „Niemand kann so wie du Beats mixen und Texte schreiben. Ich meine das Album ist nicht mal 24 Stunden draußen und es gibt schon einen Haufen positiver Reaktionen."

Ich fühlte, wie mein ganzer Körper sich auf einmal entspannte. Zwar konnte ich nicht genau sagen, ob es wegen dem positiven Feedback oder der Tatsache, dass ich wahrscheinlich doch nicht gefeuert werde war, doch meine Beine hörten wie von selber auf zu zittern und ich konnte zum ersten Mal seitdem ich hier hineingetreten war tief ausatmen.

Ich wurde noch glücklicher, als ich seine nächsten Worte hörte; meine Frust wie vergessen.

„Weswegen ich es dir nicht verbieten werde hier weiter zu arbeiten. Dein Talent ist viel zu kostbar, um es zu verschwenden. Jedoch wirst du ab heute nicht mehr für Bangtan, sondern eine Rookie Gruppe zuständig sein und ihnen helfen ihren Musikstil zu finden."

Er hielt kurz inne und drehte sich nach links. „Und ihr fangt morgen Früh an eure Choreographieren durchzugehen, damit ihr ab nächster Woche anfangen könnt zu promoten!"

Als ich diesmal die sieben Mitglieder ansah fühlte ich keine Anspannung oder Angst.

Es war pure Freude, die sich einen Weg durch ihre Körper bahnte.

Und als meine Augen Yoongis fanden und er das herzerwärmendeste Lachen, das ich jemals gehört habe ausstieß, konnte auch ich diese Freude spüren.

rainy days | m.ygWo Geschichten leben. Entdecke jetzt