"Warrior"

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James weckte mich bereits vor den ersten Sonnenstrahlen. "Ich will noch nicht aufstehen", quengelte ich. Doch er ließ sich nicht aufhalten. Er zog mich aus dem Bett und schob mich Richtung Badezimmer. "Dusch dich und mach dich schön, du siehst aus wie eine Leiche und stinkst. Wir machen heute einen Ausflug." Danke auch. Ich hab seit Tagen nicht duschen dürfen und jetzt kommt er damit, dass ich stinke? Du Idiot hast es mir selbst untersagt! Egal. Einen Ausflug?! Ich durfte Raus? Ich meine wirklich Raus? An die Luft und die Sonne? Oh mein Gott... "Okay", antwortete ich schlicht und sprintete ins Badezimmer. Daraufhin duschte ich mich und wusch meine Haare. Wow. Ich würde unter Leute kommen. Andere Menschen sehen... Seit einiger Zeit hab ich nur James am Hals, aber das sollte sich heute ändern. Zu meinem Glück... Als ich meine Haare fertig geföhnt und zu einem Dutt hochgesteckt hatte, ging ich wieder in mein Zimmer und kramte das schönste Kleid aus meinen Schrank das ich hatte. Somit wurde es ein kurzes rosa Kleid mit Strasssteinen (siehe Bild). Ich war zufrieden mit meiner Wahl und zog dazu passende Ballerinas an. Der Tag konnte starten. Mein 13. Geburtstag konnte kommen. Ich war bereit.

Als ich James gegenüber trat, beäugte er mich von Kopf bis Fuß. Natürlich wurde es mir unangenehm und ich schritt von einen Fuß auf den anderen, bis er mich mahnend ansah und mir dann seinen Arm anbot. Ich hackte mich gegen meinen Willen bei ihm unter und wir schritten gemeinsam zur Haustür. Die letzten Schritte in diesem gottverdammten Haus. Niemals werde ich hier hin zurückkehren. Er öffnete die Tür und das helle Sonnenlicht brachte meine Augen zum tränen. Frischer Wind wehte mir ins Gesicht und ich atmete seit langem wieder tief ein. Ich hatte die Aussenwelt noch nie so vermisst. Wir stiegen in seinen BMW und fuhren aus dem Wald. Es schlängelte sich eine lange Straße durch den Wald und es dauerte eine Ewigkeit, bis ich die ersten Häuser meiner Heimatstadt erblicken konnte. 1/1/2 Jahre war ich nicht mehr hier. Aber wirklich viel hatte sich auch nicht geändert. Die Nachbarn waren die selben und die Häuser standen auch am selben Fleck. Irgendwie hatte ich mir meine Ankunft besser vorgestellt. Nicht so Trostlos... Aber was soll ich machen. Ich nehme das was da ist. James bog in eine mir allzu bekannte Straße ein. Ich sah das Haus meiner Kindheit nach so langer Zeit wieder. Es sah nur nicht so aus , wie ich es in Erinnerung hatte... Damals war es verwüstet und irgendwie erschien mir an dem Tag alles dunkel. Er hatte es wieder so wie vor seiner Zeit herrichten lassen. Alles was ich mit meiner Kindheit verband war wieder an seinem Platz. Ich ging in meinem Haus herum und fragte mich warum er ausgerechnet hier her fährt. Mein Herz zog mich zu unserer Küche. Ich öffnete die Tür und blickte in eine völlig penibel aufgeräumte Küche. Alles war blitz blank. Kein Staubkorn oder ähnliches war zu sehen. Dabei war meine Mutter ein Fan von Staub und Unordentlichkeit. Tja deswegen kam mir dieser Ort auch so fremd vor. Alles war so Ordentlich eingerichtet, dass man garnichtmehr wissen konnte was hier passiert war. Das Bild meiner toten Mutter hatte sich in meinen Kopf gebrannt. Ich stand genau an der Stelle, wo ich sie gefunden und sterben gesehen hab. Tränen rannten mir über die Wangen. Moment. Hatte ich mir nicht gesagt, dass ich für dieses Leben keine einzige mehr vergießen werde? Ich wischte sie mit meinem Handrücken fort und lief hoch in mein altes Zimmer. Alle Fotos und Erinnerungen standen an ihrem Platz. Furchtbar. Ich war nichtmehr das naive Mädchen von Nebenan. Ich musste mich weiter entwickeln um zu überleben. Voller Zorn riss ich alle Bilder von der Wand und schrieb mit einem Edding "Warrior" daran. Ja ich war ein Krieger. Ich kämpfte bereits mein ganzes Leben lang. Und heute würde es sich auch auszahlen. Ich lief zurück zu James und wir schauten uns Spiderman im Fernsehen an. Den ganzen Tag tat ich so, als wäre ich das glücklichste Wesen dieser Dimension. Alles gelogen. Ich wartete nur auf den richtigen Zeitpunkt. Und als die Uhr kurz nach 4 Uhr nachmittags anzeigte, entschuldigte ich mich kurz mit der Ausrede, ich würde mir ein Wasser holen. Meine Zeit lief und ich ging ruhig zur Küchentür. Mein Atem ging schnell und ich wurde nervös. Was wenn es nicht funktionierte und ich überlebte? Aber lange konnte ich mich nicht mit dieser Frage auseinander setzten, da ich das Gefühl hatte, dass James jeden Augenblick rein stürzen könnte und ich die Prügel meines Lebens erhalten würde... Ich hatte das Küchenmesser meiner verstorbenen Mutter in der Hand und stieß es ohne weiteres Zögern tief in mich hinein...

Lunatic AsylumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt