14 ~ Jade

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Nervös ging ich neben der Bühne auf und ab. Ich hoffte, dass...
1. Der Boden sich öffnen würde um mich zu verschlingen oder

2. Tobias auf der Bühne nicht nur so tat als ob er Hannes umbringen wollte und er verletzt wäre, nur damit alle abgelenkt wären und der Rest der Probe nicht stattfinden würde, oder

3. eine gute Fee auftauchte und mir mein Text ganz einfach ins Hirn zaubern würde.

Ich kam nach gründlichem Abwiegen der Vor- und Nachteile zum Schluss, dass die dritte Variante wohl die beste wäre. Nur leider passierte gar nichts.

Welcher Idiot hatte auch die Idee gehabt, ich sollte Ophelia spielen?
Upps, vielleicht hatte ich das sogar selber vorgeschlagen...

Teresa schritt neben mir im Kreis und murmelte ihren Text vor sich hin. Mein Blick viel auf den Text in ihrer Hand.
Sollte ich...
Jetzt oder nie, sonst bist du endgültig geliefert!, sagte ich mir und griff nach Teresas Text.
«Hey!» Teresa schnappte empört nach Luft.
«Tut mir leid Tessi, aber ich brauche ihn eindeutig dringender als du. Ausser du möchtest dich gerne mit mir auf der Bühne blamieren, dann kannst du ihn wieder haben.»
Teresa schaute mich nur verwirrt an.

Keine fünf Minuten später rief Volker auch schon: «Die Königin und Ophelia bitte!»
Schnell warf ich einen letzten Blick auf meinen Text - Ihm zu Fuss ein Stein! O! -
und folgte dann Teresa auf die Bühne.

Sobald wir auf unserer Position standen begann Teresa ihren Text runterzurattern. Ich blickte zu Lion, der wie immer auf der Tribüne sass und zu sah. Er zeigte mir aufmunternd einen erhobenen Daumen.
Wenn das bloss gut ging....

Teresa sagte schliesslich mein Stichwort: «Wie geht's, Ophelia?»

Stille.
Ich räusperte mich... «Wie erkenn' ich dein....Tierlieb...»
Ich hörte ein unterdrücktes Kichern.
«Es heisst Treulieb, Jade», verbesserte Volker.
«Achja. Wie erkenn' ich dein Treulieb
Vor den andern nun?
An dem Muschelhut und Stab,
Und den... Strand... Sandschuhn.»

Teresa verdrehte die Augen. «Sandelschuhn!»
Dann fuhr sie weiter:«Ach, süßes Fräulein, wozu soll dies Lied?»

Ich fuhr fort: «Was belei... beliebt! Nein, dank... äääh bitte, hört.
Er ist lange tot und hin,
Tot und hin, Fräulein!
Ihm zu Häupten ein Rasen grün,
Ihm zu Fuß ein Bein. Sorry, Stein!»

Ich seufzte erleichtert. Ich hatte es geschafft. Mehr oder weniger gut sogar. Teresa fand das anscheinend nicht, denn sie sah mich weiterhin erwartungsvoll an. Volker ebenso. Hatte ich noch etwas vergessen?
Hilfesuchend sah ich zu Lion. Er kritzelte etwas auf seinen Block und hielt es in die Höhe: O! Ich begriff. «Oooooooh! Ich hatte wohl noch etwas vergessen, gnädiges Fräulein. Bitte verzeihen Sie mir meine Untat...» Damit machte ich einen tiefen Knicks und verliess die Bühne. Nicht ohne mir vorher noch theatralisch die Haare über die Schultern zu werfen.

Schaschlikspieße und ShakespeareWo Geschichten leben. Entdecke jetzt