Das Raunen von Stimmen drang durch den Vorhang hinter die Bühne. Ich versuchte, meinen Kopf neben Teresas durch die kleine Lücke zu drängen, um einen Blick aufs Publikum zu erhaschen. Es waren nur noch wenige Minuten bis die Vorführung begann und die Aula fast vollständig besetzt. Mein Puls beschleunigte sich noch einmal, als ich Mama entdeckte, falls das überhaupt noch möglich war. Ich hatte sowieso das Gefühl, mein Herz sei mir schon aus der Brust gesprungen. Jetzt bloss ruhig bleiben, sonst würde noch etwas passieren, dass ich nicht wollte.
"Lass mal sehen!" Debbie drängte sich neben mir zum Vorhang durch. Sie hatte ihre Arbeit für heute schon erledigt, alle waren fertig geschminkt und angezogen. Irgendwo beneidete ich sie darum.
"Sag mal, was ist denn mit deiner Wange passiert?", fragte Teresa plötzlich. Debbie stutzte kurz, als ob sie sich nicht erinnern könnte, irgendetwas angestellt zu haben, doch dann kicherte sie. "Irgendjemand musste als Rouge-Tester herhalten. Tja, dass war dann ich. Also seid mir dankbar, dass ihr jetzt nicht wie ein Feuermelder rumlaufen müsst." Stimmt. Da bestand durchaus eine gewisse Ähnlichkeit.
"Alles auf die Plätze! Wir beginnen gleich", unterbrach Volker das Geplänkel und verscheuchte uns vom Vorhang. Ich zog mich in eine Ecke der Bühne zurück, wo ich auf meinen Auftritt warten musste. Die Gespräche im Saal verstummten und es ertönte Applaus. Jetzt gab es kein zurück mehr, für keinen von uns. Und trotzdem waren da immer noch die leisen Zweifel, ob ich das wirklich konnte.
Ich sass im Dunkeln und wartete, als mich plötzlich jemand auf die Schulter tippte. Erschrocken fuhr ich herum und erkannte Lion. "Was machst du hier?", zischte ich. "Die Vorstellung hat längst begonnen." Ich hörte ihn leise lachen, konnte sein Gesicht aber nicht erkennen.
"Ich wollte dir etwas sagen, dass dir bestimmt gefällt. Aber nur, wenn du mir versprichst, nicht laut aufzuschreien vor Freude." Ich war verwirrt. Warum kam er gerade jetzt mit sowas? Allerdings... vielleicht war Ablenkung nicht das Dümmste im Moment.
"Okay. Ich verspreche es. Jetzt rück schon raus damit." Ein Lichtschein flammte auf und ich erkannte, dass er mir sein Handy entgegen hielt. "Deine Schwester ist im Finale des Wettkampfs. Steht hier im Live-Ticker."
Ich konnte mein erfreutes Quieken gerade noch im Ärmel meines Kleides ersticken. Ich merkte, wie unglaublich stolz ich auf Jo war. Sie hatte mal wieder allen bewiesen, was sie konnte. "Danke Lion", flüsterte ich und sah, dass er lächelte. "Wusste ich's doch, dass du nicht anders kannst, als dich zu freuen. Und jetzt geh da raus und mache deine Schwester genauso stolz wie sie dich macht. Du kannst das!" Er gab mir einen leichten Schubs in Richtung Bühne und keinen Moment später gab mir Volker das Zeichen für meinen Auftritt.
Die Atmosphäre auf der Bühne war unglaublich. Ich vergass für einen Moment, dass wir uns hier in einer gammeligen Schulaula befanden und nicht am Broadway. Und plötzlich wusste ich wieder, weshalb es genau da war, was ich machen möchte. Also holte ich einen tiefen Atemzug und begab mich ganz in Ophelias Welt, fühlte wie sie und dachte wie sie.Liess mich von ihr leiten.
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Schaschlikspieße und Shakespeare
Teen Fiction«Jade?» «Hm?» «Wenn du wählen könntest, ob Jo deine Schwester oder dein Zwilling ist, was würdest du nehmen?» «Wenn ich sehe, was für einen Keil 29 Minuten schon zwischen uns gebracht hat, würde ich mit Jahren nicht klarkommen.» Jade und Joana sind...