Emily war froh, dass Maximilian am Steuer saß und fuhr, denn sie fühlte sich nach dem vergangenen Tag irgendwie .. müde; insbesondere auf seelisch-emotionaler Ebene. Wobei sie eigentlich schon seit einige Wochen in eben diesem Zustand war; was aber wohl nicht verwunderlich war. Schließlich hatte sie noch vor nicht all zu langer Zeit am Krankenbett ihrer toter Mutter gestanden und sich von ihr verabschiedet. Dann war ihre Beerdigung gewesen und jetzt musste ihr Haus ausgeräumt und dann verkauft werden.
Gut, Letzteres hätte man vielleicht man nicht so eilig erledigen müssen, dachte die 52-Jährige und starrte aus dem Beifahrerfenster, aber letztlich war es doch besser alles möglichst rasch zu bewältigen und dann mit einem Schlag damit abschließen zu können. Denn auch wenn sie ihre Mutter über alles liebte und auch zutiefst vermisste jetzt, wo Hildegard Brown nicht mehr war; das Leben ging letztlich doch weiter.
"Ich geh gleich ins Bett," sagte Emily, als sie schließlich zu Hause angekommen waren und die Schuhe ausgezogen hatten,"bin schlichtweg erschöpft vom Tag." "Verständlich," erwiderte ihr Ehegatte und küsste sie sanft. Sie erwiderte den Kuss und fragte:"Kommst du mit oder willst du noch ein wenig aufbleiben?" Hmmmm, kam es von Maximilian und er tat so als würde ihm schwer Fall hier eine Antwort zu finden. "Schwierige Entscheidung," erwiderte er und fügte diesen Worten nach einer weiteren Pause noch hinzu:"Ich denke ich werde noch auf bleiben." Seine Frau boxte ihn liebevoll gegen die Brust, erwiderte er aber sein Grinsen und küsste ihn noch mal. Dann ging sie über die Treppe nach oben ins Obergeschoss während Maximilian ins Arbeitszimmer ging.
Oben im Schlafzimmer angekommen zog Emily ihre Kleidung aus, legte sie ordentlich zusammengelegt auf einen Stuhl und zog einen Satinpyjama an. Dann kippte sie eines der beiden Fenster und zog die Vorhänge vor. Kurz darauf lag sie im Bett, doch obwohl sie eigentlich wirklich erschöpft und müde war von dem sehr emotionalen Tag heute, konnte sie trotzdem noch nicht einschlafen.
Sie lag einfach nur da, starrte im Halbdunklen an die Zimmerdecke und dachte wie schon so oft in den letzten Tagen an früher. Es fiel ihr ehrlich gesagt immer noch schwer, zu akzeptieren, dass der Tod ihrer Mutter unausweichlich gewesen war - schließlich gehörte der Tod ja auch irgendwie zum Leben dazu. Wäre sie an jenem Tag, an sie den Herzinfarkt hatte, nicht zufällig bei ihr vorbei gekommen, dann wäre Hildegard Brown schon da gestorben. Und nun? Nun, war sie doch gestorben, nur halt einige Tage später. Das empfand Emily noch immer irgendwie als ungerecht und war damit mehr oder weniger in Phase 4 - die Depression - der Trauer angekommen.
Das Zufallen der Haustür riss die 52-Jährige plötzlich aus ihren Gedanken, Avery war wohl endlich von der Arbeit heim gekommen. Emily drehte sich auf zur Seite um auf das Display ihres Radioweckers auf dem Nachttisch zu schauen ... 21.39. Seit dem ihre Tochter als examinierte Fachkraft in der Altenpflege arbeitete, kam sie sehr oft erst am späten Abend nach hause - eben immer wenn sie die lange Spätschicht machen musste. Schritte auf der Treppe, dann kurzes Stimmengewirr zwischen Vater und Tochter) und dann trat Maximilian ins Schlafzimmer.
"Schläfst du schon, Schatz?" fragte er, während er sich auszog und sich ein T-Shirt überstreifte, welches er beim Schlafen tut. "Nein, ich konnte noch nicht schlafen," erwiderte seine Frau, wartete bis er sich neben sie ins Bett gelegt hatte und kuschelte sich dann an ihn. "Mir geht noch so vieles durch den Kopf, wegen dem Haus und den ganzen Sachen dort und ... wegen meiner Mutter." Er küsste sie auf die Stirn und strich ihr anschließend beruhigend über die Schulter. "Ich weiß du hast sie sehr geliebt und tut es noch immer," sagte er leise und fuhr ihr sanft über das Haar, "aber deine Mutter hätte bestimmt nicht gewollt, dass du dich jetzt verrückt machst vor Trauer um sie." Emily lächelte, gab nun ihrem Mann einen Kuss und schloss dann die Augen; nur wenig später war sie dann eingeschlafen.
DU LIEST GERADE
Auf den Spuren meiner Mutter
Historical FictionHildegard Brown hat die Tyrannei des Nazi-Regimes sowie auch den zweiten Weltkrieg überlebt. Nun ist sie im Beisein ihrer 5 Kinder friedlich entschlafen. Bei der Auflösung des Haushaltes, um das Haus der verblichenen Mutter zu verkaufen, entdeckt ei...