Nachdem sie ihre Fassung weitgehend wieder errungen hatte, verspürte Emily plötzlich das Hungergefühl, welches ihren Magen knurren ließ. Also stand sie auf und begab sich in die Küche, wo sie eine Schüssel mit dem Rest des Broccoli-Auflaufs auf der Anrichte vorfand. Die 52-Jährige tat sich mit einem großen Löffel eine Portion davon auf einen Teller und stellte diesen in die Mikrowelle über den Backofen.
Während das Gerät arbeitete und ihr Essen nach und nach erwärmte, blätterte die 52-Jährige derweil ein wenig in den diversen Werbeprospekten, welchen sie heute Morgen als Beilage einer kleinen Zeitung bekommen hatte. Die Zeitung selbst interessierte sie nie, auch wenn es dafür keinen besonderen Grund. Emily empfand diese Zeitung einfach als das was man allgemein als Revolverblatt oder auch Boulevardpresse bezeichnete; aber zum Glück war diese kostenlos und kam auch noch nur Mittwochs und Sonntags.
Einzig die Prospekte interessierten die 52-Jährige wie gesagt; inbesondere jene, der hiesigen Supermarktfilialen mit den Angeboten der kommenden Woche - welche immer in der heutigen Sonntags-Ausgabe enthalten waren. So konnte Emily dann immer schon mal die Einkäufe der kommenden Woche oberflächlich planen und das was sie und ihre Familie aktuell benötigten dort kaufen, wo es gerade als preisreduziertes Sonderangebot angepriesen wurde.
Die Mikrowelle gab plötzlich ein Piepen von sich und signalisierte so, dass sie ihre Arbeit so eben beendet hatte - auf dem Display erschienen die Worte "End" und "Hot" im immer gleich schnellen Wechsel. Emily öffnete das Gerät, nahm mit einem Topflappen die nun heiße Schüssel heraus und trug sie zum Esstisch. Gerade hatte sie sich ein Stück Kartoffel mit der Gabel auf piekst, kurz zum Abkühlen angepustet und dann in den Mund geschoben, als ihr Ehegatte die Küche betrat.
"Guten Appetit, Schatz," sagte er, betrat kurz die kleine Speisekammer und kehrte dann mit einer Flasche Limonade zurück. "Willst du auch was trinken,?" fragte er seine Ehegattin, worauf diese mit dem Kopf schüttelte - sprechen ging gerade nicht, da ihr Mund voll war. Nachdem sich Maximilian ein Glas voll eingegossen und in wenigen Zügen geleert hatte, schenkte er sich noch ein zweites Glas voll und setzte sich ihrer gegenüber.
Nachdem die 52-Jährige leer gekaut hatte, fragte sie ihren Ehegatten: "Hattet ihr Spaß gestern Abend?" "Ja war ganz lustig," erwiderte er und erzählte ihr dann kurz von dem Männerabend mit seinen Kumpels. "Und wie war dein Abend?" fragte er anschließend, obwohl er sich bereits denken konnte, was seine Ehegattin gestern Abend gemacht hatte. Seit Tagen, ach was seit Wochen und Monaten schon dachte sie nur noch an die Tagebücher ihrer Mutter und verbrachte auch immer wieder jede freie Minute mit dem Lesen derer. Emily aß zwei Mal von der Portion Broccoliauflauf und erzählte dann von dem was sie im zweiten Tagebuch ihrer Mutter gelesen hatte - dabei ließ sie kein Detail aus.
Maximilian hörte sich alles an, ohne eine Miene zu verziehen und schwiegt eine ganze Weile, nachdem sie aufgehört hatte, zu erzählen. Schließlich nahm er den letzten Schluck Limonade, nahm dann die Hände seiner Ehegattin und sah ihr in die Augen.
"Das was damals unter Adolf Hilter und seinen Schergen bzw. was im zweiten Weltkrieg passiert ist, ist absolut schrecklich gewesen," sagte er, "es war ne schwere Zeit für unsere Großeltern und auch für unsere Eltern... nicht nur diese schrecklichen Dinge mehr oder weniger selbst erleben zu müssen sondern damit weiter leben zu können - manche haben es wahrscheinlich nie wirklich verarbeiten können!" Er machte eine Pause, wobei er ihr sanft über die Handrücken strich und fuhr dann fort: "Wir - die nachfolgenden Generationen - wissen nur aus Erzählungen und Berichten was damals passiert ist und ich glaube, dass wir nicht mal alles über die schlimme Zeit wissen." Abermals eine Pause ... "Doch egal was deine Mutter damals in der Nazizeit bzw. im Krieg erlebt hat, sie war kein schlechter Mensch! Im Gegenteil, ich habe sie als eine liebevollen und großherzigen und herzensguten Menschen kennen gelernt ... ansonsten hätte sie sicher keine so tollen Kinder großgezogen von den das tollste Kind Gott sei Dank mich geheiratet hat."
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Auf den Spuren meiner Mutter
Historical FictionHildegard Brown hat die Tyrannei des Nazi-Regimes sowie auch den zweiten Weltkrieg überlebt. Nun ist sie im Beisein ihrer 5 Kinder friedlich entschlafen. Bei der Auflösung des Haushaltes, um das Haus der verblichenen Mutter zu verkaufen, entdeckt ei...