So schön es auch hier in der Bretagne war und so viel es auch noch hier zu sehen und entdecken und zu bestaunen und zu bewundern gab für Emily und ihren Ehegatten, irgendwann brachen die letzten Tagen ihres zwei-wöchigen Urlaubs an. Und wie so oft schien die Zeit jetzt ungewöhnlich schnell zu verfliegen, so schnell wie plötzlich die Stunde des großen Abschiedes kam.
Insbesondere die letzten Stunden vor ihrer Abreise waren ein wenig stressig, denn sie mussten ja das Gepäck wie auch alles andere, was sie hierher mit gebracht hatten, wieder zusammen suchen und nach und nach wieder im Kofferraum ihres Wagens verstauen. Dazu kamen noch all das, was die 53-Jährige in den letzten beiden Wochen noch als Souvenir bzw. Mitbringsel für Familie oder für Freunde und Bekannte eingekauft hatte. Es war wohl daher keineswegs übertrieben zu sagen, dass die beiden mit viel mehr Sachen heim fahren würden als sie vor zwei Wochen hierher mit gebracht hatten.
"Haben wir jetzt alles zusammen?" fragte Maximilian, als seine Ehegattin endlich den zweiten Koffer rausschleppte, in der ganze Rest ihrer Kleidung war, und ihn zu all dem anderen stellte, was jetzt in den Kofferraum musste. Diese Aufgabe zu bewältigen oblag seit jeher ganz allein ihrem Ehegatten - selbst als ihre Töchter noch klein gewesen waren und man regelmäßig einen Familienurlaub mit noch mehr Gepäck machen wollte, war das schon so. Und überall die Jahre hatte er auch ein gewisses meisterhaftes Geschick entwickelt, alles und jedes so im Kofferraum des Wagens zu verstauen und dennoch die Klappe richtig verschließen zu können.
Man sollte jedoch der Ehrlichkeit wegen noch erwähnen, dass sie im Vergleich zu früher (als sie noch mit ihren einst kleinen Töchtern in den Urlaub gefahren waren) jetzt einen ganz anderen Wagen hatten, dessen Kofferraum natürlich auch ganz andere Maße als dessen damaliger Vorgänger. Das wiederum bedeutete, dass Maximilian ganz andere Voraussetzungen gegeben wurden, das Gepäck und all die anderen Sachen jetzt richtig zu verstauen. Und während er jetzt mit der Bewältigung dieser Aufgabe begann, machte sich seine Ehegattin derweil an das Putzen des Ferienhäuschen.
Da sie aber hier nicht wie Daheim in Deutschland all die Utensilien und sonstigen Hilfsmitteln, mit denen sie üblicherweise zu Putzen pflegte, zur Verfügung hatte, konnte die 53-Jährige jetzt auch nicht im jenem von ihr gewohnten Maß für Sauberkeit sorgen. Trotzdem gab sie sich alle Mühe, jeden einzelnen Raum des Ferienhäuschen bestmöglichst in einem einwandfreien sauberen Zustand zu hinterlassen.
Nachdem Emily das Wohnzimmer mit der kleinen angrenzenden offen gelegenen Küche geputzt, dort gesaugt und anschließend den Boden gewischt hatte, ging sie noch einmal überall durch und schaute, ob jetzt auch wirklich alles sauber und ordentlich wirkte. Als sie schließlich nichts mehr beanstanden konnte, begab sie sich nach draußen. Dort brachte ihr Ehegatte gerade die letzten beiden Tüten mit Souvenirs in den ansonsten schon vollen Kofferraum und schloss dann die Klappe, wobei er genau beobachtete ob sich diese auch richtig runter drücken und schließen ließ oder ob doch irgendwas blockierte - dem war jedoch nicht so.
"Jetzt müssen wir nur noch auf den Vermieter warten, wegen der Schlüsselübergabe und so," meinte Emily und setzte sich auf die Terrasse, um ein letztes Mal diesen atemberaubenden Ausblick zu genießen. Maximilian setzte sich neben sie und legte den Arm um sie und beide sahen sie eine Weile gedankenverloren auf den Ozean hinaus. "Ach ich wünschte, dieser Moment würde nie zu Ende gehen und wir könnten bis zum Ende aller Tage diesen Ausblick genießen;" sagte die 52-Jährige irgendwann und lehnte den Kopf an die Schulter ihres Gatten. Gerade als sie so schön eng umschlungen da standen und beide diesen Augenblick genossen, erklang plötzlich das typische Geräusch eines herannahenden Autos.
Die beiden drehten sich um und sahen den BMW des Pariser Bankiers die kleine gewundene Straße entlang kommen und dann knirschend auf der gekiesten Auffahrt anhalten. "Und?" fragte er, kaum dass er aus seinen Wagen gestiegen war, "haben sie ihren Aufenhalt hier genießen können?" Obwohl Emily und Maximilian es bereits wussten, so waren sie dennoch auch jetzt noch beeindruckt, wie gut (und im Grunde auch akzentfrei) der Besitzer ihres Urlaubsdomizils die deutsche Sprache beherrschte. "Ja, es war sehr schön hier bei ihnen. Sie sind richtig zu beneiden um diesen tollen Ausbilck," schwärmte sie, "meine Empfehlung an ihre Gattin bezüglich der geschmackvollen Einrichtung ihres Ferienhauses." "Danke, das wird sie sehr freuen," erwiderte der Bankier mit einem Lächeln.
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Auf den Spuren meiner Mutter
Narrativa StoricaHildegard Brown hat die Tyrannei des Nazi-Regimes sowie auch den zweiten Weltkrieg überlebt. Nun ist sie im Beisein ihrer 5 Kinder friedlich entschlafen. Bei der Auflösung des Haushaltes, um das Haus der verblichenen Mutter zu verkaufen, entdeckt ei...