Das zweite Tagebuch - Teil 2

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Mit einem Seufzen ließ sich Emily schließlich auf die Couch im Wohnzimmer nieder, schloss für einige Minuten die Augen und atmete ein paar tief ein und aus. Eigentlich gehört sie zu jenen Menschen, die sich ungeachtet ihres Alters nie als alt bezeichnen und damit auch nie zum alten Eisen zählen würden; aber jetzt gerade, nachdem sie stundenlang und quasi ohne Pause geschuftet hatte, spürte sie doch deutlich, dass sie nicht mehr die Jüngste war.

Denn als die 52-Jährige auf der Suche nach irgendwelchen Tätigkeiten in Haus und Garten war, aber leider erst nichts dergleichen finden konnte, hat sie angefangen zu putzen. Und das Ergebnis konnte sich ganz gewiss sehen lassen, denn überall im Haus glänzten die Räume und Möbel vor Sauberkeit; sogar die Fenster hatte Emily geputzt und darüber hinaus auch noch den Parkettboden in der Küche gebohnert. Doch leider hatte all das Putzen nicht so wirklich die erhoffte Wirkung.

Zwar hatte sie sich durch die ganze Arbeit im Haus ablenken können und das emotionale Gleichgewicht wieder erlangt; aber jetzt wo sie einfach so auf der Couch saß und ihren Körper eine Pause gönnte, hatte sie dennoch das Gefühl, dass sie noch immer nicht  mit dem Lesen des zweiten Tagebuches fortfahren konnte - zumindest nicht mehr was den Rest des heutigen Tages anging. Doch das bedeutete auch wiederum, dass sich Emily nun eine neue Beschäftigung suchen musste.

Eine ganze Weile zappte sie durch das TV, jedoch ohne überhaupt wirklich hin zu sehen. Kurze Zeit überlegte sie sich etwas zu essen zu bestellen - auch wenn sie nicht besonderes hungrig war; aber nachdem sie die Speisekarte von diversen Lieferservices in der Nähe einige Mal angeschaut hatte und sich dennoch nicht entscheiden konnte was sie nehmen sollte, verwarf sie diesen Plan wieder. 

Stattdessen holte sie sich eine Flasche Rotwein aus dem Keller und trank diese nach und nach vollständig leer während sie lustvoll weiter durch das TV zappte und immer mal die aktuelle Sendung auf einem Sender sah bevor sie zum nächsten wechselte. Einige Zeit später hatte sie jedoch keinen Bock mehr, schaltete das TV-Gerät aus und ging dann noch oben.

Beim Aufstehen von der Couch schwankte sie für einige Augenblick, bis sie ihr Gleichgewicht wiederfand. Doch ein bisschen zuviel Wein, dachte sie und ging langsam in Richtung Tür, welche sie in die Diele brachte. Wahrscheinlich hatte der Alkohol eine so starke Wirkung, da sie schon eine ganze Weile (wie lange genau konnte sie schon gar nicht mehr sagen) keinen Tropfen davon mehr zu sich genommen hatte und daher es in größeren Menge nicht mehr gewohnt war.

Auf dem Weg die Treppe hoch hielt sich die 52-Jährige mit einer Hand am Geländer fest, da sie befürchtete, ansonsten zu stolpern. Nachdem sie die Treppe gut und sicher überwunden hatte, schleppte sie sich noch ins Schlafzimmer und setzte sich dort zunächst aufs Bett. Doch als dann erneut ein alkoholbedingter Schub bekam, der Emily den Eindruck vermittelte, dass der Raum schwankte, legte sie sich ganz hin und schloss die Augen.

Gott sei Dank war dieser Schub nach wenigen Minuten schon wieder vorüber, doch dafür setzte wieder das Gefühl der leichten Vernebelung des Kopfes wieder ein. So wie ich mich fühle, könnte man denken ich hätte mich voll laufen lassen, dachte Emily, während sie immer wieder für einige Sekunden eindöste. Wahrscheinlich wäre sie sogar richtig eingeschlafen, hätte sie plötzlich den Drang verspürt, sich auf der Toilette zu erleichtern. 

Etwas unbeholfen stieg die 52-Jährige aus dem Bett und ging ins Bad, um ihr Geschäft zu erledigen. Sowohl auf dem Hinweg und die Zeit, die sie auf der Toilette saß, als auch auf dem Rückweg ins Schlafzimmer hatte Emily wieder für einige Augenblick das Gefühl, alles um sie herum würde schwanken. 

Zurück im Schlafzimmer tauschte sie ihre Kleidung gegen den Pyjama; doch als sie die Kleidung wie sonst auch ordentlich zusammen legen wollte, überkam Emily ein neuer schwindelartiger Schub und daher ließ sie davon ab und legte sich einfach ins Bett. Aufgrund des Alkohols merkte sie nicht wie sie nur wenig später einschlief; und ihr Schlaf war so fest, dass sie es auch nicht mitbekam, wie ihr Ehegatte irgendwann in der Nacht heim kam, sich umzog und neben ihr einschlief.

Auf den Spuren meiner MutterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt