2 ~ Abendblut

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Die Tür quietschte.

Eine Hand ergriff Erik's Schulter und zog ihn zur Seite.
"Na, sowas", murmelte Fred mit einem irren Grinsen im Gesicht. Ich starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. Warum war ich nur ao egoitisch? Ich hätte Erik zurück an den Strand schicken sollen.

Fred trat ein und allein seine Anwesenheit war eine Bedrohung.
Sein weißes Hemd war oben aufgeknöpft und seine hellbraunen Haare mit einem Bürstenstrich und Gel nach hinten gekämmt. Er war groß und muskulös und er machte mir Angst. Fred war schön, aber leider hatte sein Charakter davon nichts abbekommen.

"Komm mit", befahl er und ergriff gefühllos mein Handgelenk.
Ich zog meinen Arm zurück, worauf sein Griff noch stärker wurde und ich vor Schmerz zischte.

"Lass sie los", fauchte Erik bestimmt. Entsetzen machte sich in mir breit. Nicht, weil Erik sich körperlich nicht gegen Fred wehren konnte, aber weil Fred Fred war und Erik das Leben zur Hölle machen würde.

"Ist schon gut", murmelte ich und versuchte mein schmerzverzerrtes Gesicht zu neutralisieren. Darin war ich mittlerweile richtig gut geworden.

"Elise, jetzt stelle dich nicht so an! Wie siehst du überhaupt aus?", fauchte Fred und stieß die Tür des Toilettenhäuschens mit einem kräftigen Tritt auf.
Erik stand angewurzelt da und ich wusste, wie viel Kraft es ihn kostete, nichts zu unternehmen. Dafür, dass er mich einfach nur anstarrte und mich nicht versuchte zu verteidigen, war ich ihm mehr als dankbar.

"Los jetzt", bestimmte Fred und schubste mich vor sich. Ich öffnete die Tür, die durch den Stoß wieder zugefallen war.

Unbarmherzig traf mich seine Hand auf meinem Hintern. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen, um die Demütigung ertragen zu können.

"Wir beide werden jetzt ein bisschen Spaß haben", meinte er und grinste mich arrogant an.
Ein Stich durchfuhr meinem Brustkorb, mein Körper spannte sich an. Es tat weh, körperlich und seelisch, doch ich wusste, dass Schlimmeres folgen wird, wenn meinen Mund nicht hielt.

"Jetzt reicht's", sagte Erik, dessen eisige Augen funkelten und traf Fred mit seiner Faust ins Gesicht.
Meine Hände schnellten vor meinen Mund, um nicht vor Schreck aufzuschreien. Schockiert schaute ich Erik an. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Allen voran, wie ich dieses Geschehen wieder ungeschehen macn kann. Nichts. Nichts konnte ich tun. Ich schluckte diese Erkenntnis schwer herunter.

Fred taumelte und sein Blick glich einem Feuer am Nachthimmel. Mir lief es kalt den Rücken herunter. Wir müssen gehen, dachte ich nur und meinte damit Erik und mich.

"Das wirst du bereuen." Fred's Stimme bebte als er sich mit seinem Unterarm das Blut unte seiner Nase wegwischte.
Ich stieß gegen die Tür, um Fred auf mich zu lenken. Tatsächlich drehte er sich um, ergriff meinen Oberarm und drängte mich nach draußen in die glühende Sonne.

*

Ich saß auf der Terrasse meiner Eltern und beobachtete, wie die Sonne im Meer versank.
Der salzige Meereswind wehte angenehm über mein Gesicht und kühlte meine verschwitze Haut.
Der Himmel war feurig rot, als ob das Herz der Sonne blutete.
Ich seufzte.
Nein, es war mein Herz das blutete, weil es für den Falschen schlug.

Der weiche Stoff von Erik's Shirt schmeichelte meiner Haut.
Meine Eltern hatten mich seltsam angesehen als mich Fred nach Hause gebracht hatte. Kaffee wäre über mein Kleid gelaufen und er habe mir bei einem "Touri"-Shop ein Shirt gekauft. Wie aufmerksam meine Eltern das doch fanden. Bei dem Gedanken daran verdrehte ich die Augen.

Als sich der Himmel wieder blau färbte, saß ich immer noch auf der Terrasse.
Es bemerkte niemand.
Es interessierte niemanden.

Mein Bodyguard hatte sich um Mitternacht zurück gezogen. Meine Eltern waren der Meinung, dass dieser selbst in meinem eigenen Zimmer nötig war.
Weil ich ja so wichtig war.
Weil meine Eltern reich waren.

Ich stand auf und machte mich auf den Weg in die Küche. Das Abendessen mit Fred und meiner Familie konnte ich gestern glücklicherweise umgehen, nachdem nur über der Toilette gehangen habe.

Drei Stockwerke tiefer öffnete ich die schwere Holztüre. Eine angenehme Wärme strahlte mir entgegen und der köstliche Duft von Suppe lag in der Luft.

"Ich habe mich schon gefragt, wann du endlich kommst, Liebes", meinte Rosella und stellte mir einen Teller Suppe auf den kleinen Holztisch.

"Danke", murmelte ich und begann zu essen.
"Kind, du musst mehr essen! Du bist nur noch Haut und Knochen!"

Sie sah mich entsetzt und fürsorglich vom Platz gegenüber an. Rosella war mein Kindermädchen und seit ich alt genug war, ist sie in die Küche gewechselt. Für mich ist sie die Mutter, die ich nicht hatte. Nicht wirklich.

"Ach Rosi, ich esse genug!"
Sie hob skeptisch ihre Augenbrauen und ergriff meine lose Hand, die auf dem Tisch lag.

"Ich kenne dich, Elise. Außerdem hat mir Erik das gestern am Strand erzählt."
Beim Laut von seinem Namen sah ich auf.
"Er hatte gestern Abend Küchendienst und als ob Fred es gewusst hätte, hat er den reinsten Saustall auf seinem Teller hinterlassen", erzählte sie verärgert.

Ich atmete schwer aus und konnte nur den Kopf schütteln. Ich hasste Fred. Das Schlimmste war, dass ich nicht einmal wusste, warum er so grausam und abgrundtief böse war. Ich habe ihm nie etwas getan und dass er von Natur aus einfach böse war, glaubte ich nicht. Niemand verhält ohne Grund so daneben wie er es tat
Vielleicht war es das viele Geld, dass ihm seine Empathie stahl oder die strengen Regeln der Privatschule, die wir besucht haben. Ich wusste es nicht.
Das Einzige, was ich ganz sicher wusste, war, das es aufhören musste. Doch wie?

Selten habe ich mich so schwach und hilflos gefühlt. Erik konnte mich nicht beschützen und Rosella schon gar nicht. Auf meine Mutter erst recht nicht zählen und  ich? Ich hatte einfach keine Kraft. Wie sollte ich mich denn wehren?

"Elise?" Rosella sah mich besorgt an und legte eine Hand auf meine.
"Mache dir darüber keine Gedanken. Erik steckt das gut weg." Etwas wie Wut flammte in mir auf.
"Ich will aber nicht, dass er es wegsteckt. Er hat schon genug durch gemacht."
Wegen mir, fügte ich noch in Gedanken zu. Erik leidete so viel - nur wegen mir. Nur weil er mich liebt.

Erik war Bediensteter meiner Eltern, ein Bursche für alles.

So niedrig stand er.

Aber er war schon immer da, weil seine Mutter mein Kindermädchen war. Meine Eltern empfanden es als gütig von ihnen, Erik, nach seinem Schulabschluss, auch in ihrem Haushalt anzustellen, dass er bei seiner Mutter bleiben konnte. Für die Universität hatten er und Rosella sowieos kein Geld.

Ich seufzte.
Rosella stand auf und setzte sich neben mich. Sie schloss mich in die Arme.
"Wenn du fertig gegessen hast, kannst du in unseren Trakt. Er wartet auf dich", flüsterte sie und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht.
"Aber erst, wenn der Teller leer ist. Du fällst mir noch vom Fleisch!"
Damit stand sie auf und begann das Obst für das Frühstück vorzubereiten.

Ich wusste, dass sie das nur gut meinte und ich hatte auch wirklich Hunger. Da ich es kaum erwarten komnte Erik zu endlich wieder zu sehen, nahm ich noch ein paar große Löffel und eilte in sen Bediensteten Trakt.

2016 -edited 2017- re edited 2020-
Kxx
{A/N: Elise leidet nicht an einer Essstörung. Das ständige Übergeben ist eine Auswirkung des Stresses.}

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