20 ~ Feuer zu Asche

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"Madame!", sagte Erik während er ihr die Teekanne aus der Hand nahm. Marie starrte uns weiter an.

"Ich kann euch nicht helfen."

Ich schaute zu Fred.

"Maman, sie ist meine Schwester! Ich kann sie nicht heiraten! Das ist absurd und pervers!", rief er und sprang auf.
Sie erhob sich ebenfalls.
"Du musst Vater davon erzählen!"

"Wirklich? Weist du, was er dann tun wird? Weist du das?", schrie sie ihn an und ich zuckte zusammen wegen ihrer plötzlichen Wut. Es herrschte ein Moment der Stille.

"Du wusstest, dass er mich schlägt?", brüllte er dann zurück. Entsetzt sah ich ihn an.

Von seinem Vater? Warum war er dann genau so?

"Natürlich wusste ich das! Aber was hätte ich machen sollen?"

Fred schüttelte den Kopf und ließ sich kraftlos in das Sofa fallen.

"Er wird es wieder tun. Weist du, was diese Hochzeit bedeutet? Es ist nicht nur ein Zusammenschluss zweier Familien, es ist auch ein Zusammenschluss zweiter Unternehmen, die sich ebenbürtig sind. Es ist das Ereignis des Jahres seit Anette es gestern öffentlich gemacht hat."

"Sie hat was?", fragte ich bestürzt.
"Hier," meinte sie und hielt mir eine Zeitschrift hin. Meine Mutter war auf dem Titelblatt, strahlend, stolz. Sie wirkte sympathisch, nett, wie jemand mit dem man gerne einen Café trinken würde. 'Die Ära der Benetau' - das war der dramatische Titel.

Ich lachte verzweifelt auf und legte sie achtlos auf den kleinen Tisch.

Sie hatte die Presse eingeschaltet. Das wird ein böses Ende haben. Sobald diese im Spiel war, hatte eine Seite verloren.
Meine Vater hatte wieder einmal Recht behalten: sie wird uns durch den Dreck ziehen, bis nichts mehr von uns übrig bleibt.

"Ich kann nichts für euch tun," murmelte sie traurig und ging einfach. Fred sah benommen hinterher. Ich ebenfalls. Das war alles?

"Alles okay?", fragte Erik und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Fred schaute auf den Boden, sein Blick leer.
Dann schüttelte er seine Hand ab und trat wortlos auf die Terrasse.

Wir sahen ihm noch einen Weile hinterher.
Marie war vielleicht unsere letzte Chance aus dieser Hochzeit raus zukommen ohne, dass wir alles hinter uns lassen mussten, ohne, dass wir fliehen mussten.

Ich holte tief Luft und erhob mich dann ebenfalls. "Und jetzt?", fragte ich.
"Lass uns hoch gehen. Wir sollten uns ein wenig ausruhen. Die Bediensteten meinten, dass heute Abend wohl wirklich ein Empfang stattfindet. Es hat sich wohl auch schon rum gesprochen, dass Fred und du hier seid."

Ich schüttelte lustlos den Kopf und folgte ihm in sein Zimmer. So ein Empfang war wirklich das Letzte, worauf ich Lust hätte. Diese ganze Schauspielerei und das Schlimmste war die Panik, die sich in mir breit machte, dass ich schon fast Panik vor der Panik hatte.
"Ich bin bei dir", sagte er und legte einen Arm um mich.

*

Schmerzhaft verzog er das Gesicht. "Diese blöde Rippe!", stöhnte Erik auf als er sich ins Bett fallen lies.
"Du sollst auch nicht so schwer tragen!", meinte ich und nickte mit meinem Kopf zu den Koffern.

Ich zog mein Kleid aus, um mir bis zum Empfang etwas gemütlicheres anzuziehen. Wir hatten uns schon oft entblößt gesehen, aber Erik starrte mich an, mit einem Schmunzeln im Gesicht.

"Hm...ja," murmelte er. Ich sah ihn vorwurfsvoll an. "Was? Ich habe dich schon lange nicht mehr so gesehen," grinste er. Ich warf mein Kleid auf ihn und setzte mich auf das Bett.

"Wir hatten schon lange keine Zeit mehr für uns," stimmte ich zu.
Er richtete sich auf, dass er mir gegenüber saß. Dann löste er meinen Zopf und strich durch meine Haare.

"Du bist so wunderschön", murmelte er. Ich lächelte verlegen.
Er legte eine lose Strähne hinter mein Ohr und zog dann meinen Kopf zu sich. Ich versank in seinen Augen, in seiner Berührung. Er war so warm.

Seine Augen strahlten, über die wunde Narbe an seiner linken Augenbraue hinweg. Ich legte meine Hand vorsichtig auf seine perfekt geformte Wange. Unsere Gesichter näherten sich in Zeitlupe, als müssten wir jede Sekunde so lange ausnutzen wie es uns möglich war.
Als mir sein Duft in die Nase stieg, schloss ich die Augen und ließ mich von meiner Intuition leiten. Sie wusste den Weg zu seinen Lippen, auch wenn um uns herum nur Dunkelheit wäre.

Sie waren weich und wie ein nach Hause kommen. Ich kostete mehr von ihnen und mehr. Meine Hand schweifte durch sein Haar, so dunkel wie der Nachthimmel, diese beruhigende Stille.

Ich ließ mich in die Wolken aus Decken und Kissen fallen. Er beugte sich über mich, unsere Lippen sich immer noch ertastend.
Ich vergaß alles um mich herum. Es war nichts wichtiger als dieser Moment zwischen uns. Vielleicht war es egoistisch oder auch nicht, aber ich verschwand keinen Gedanken daran.

Alles, was ich wahrnahm war Erik. Ich liebte alles an ihm. Seine Haut umhüllt mit Wärme, sein Körper stark, aber zerbrechlich und doch Sicherheit.
Seine Berührungen lösten ein Feuer in mir aus, das ich nicht erklären konnte. Obwohl es hitzig brannte, was es wohlig warm, etwas was man nicht missen möchte.

Ich knöpfte sein Hemd auf, wobei die unteren Knöpfe dran glauben mussten.
Wenig später lagen wir da, nur wir selbst. Vergessen von der Welt, die Welt vergessend. Nur er und ich.

"Bist du dir sicher?", flüsterte er. Ich nickte. "Aber ich bringe Schade über dich," meinte er und sah mich ernst, in seinen Augen dieser unergründliche Schmerz darin, an. Ich lächelte.

"Du bist der Letzte der Schade über mich bringt. Du machst mich glücklich."

Nun lächelte auch er und küsste mich. Die Hitze um uns glühte, in mir.

In all den Jahren war es nie soweit gekommen und in diesem Moment hatte ich keine Erklärung dafür.
Ich wollte ihn spüren, ihn bei mir haben.

Wir liebten uns, erfüllt mit Glück in unserem Moment.

ERIK Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt