23 ~ Das Papier der Macht

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Ich lud das Gepäck ein, öffnete Elise die Türe und setzte mich schließlich auf den Fahrersitz.
Fred hat uns sein Auto, eines seiner Autos geliehen. Eigentlich war ich nicht der Typ, der sich um teuere und schnelle Autos scherte. Aber als ich mich setzte überkam mich ein Gefühl wie Weihnachten.

Es war eben auch nicht irgendein Auto. Auf der Rückbank des schwarzen Aston Martin DB9 Carbon Edition, wie mir Fred stolz mitteilte, hatte es mich nicht sonderlich interessiert. Aber von hier vorne... Das lederne Lenkgrad war weich und glatt und das Design unübertrefflich. Ich startete den Motor. Ja, ich konnte das Gefühl nachvollziehen, dass viele ein Fabel für Autos hatten.

Neben mir hörte ich Gekicher. Elise grinste mich breit an und lachte auf einmal los.
"Was ist?", fragte ich, etwas beschämt, dass ich dem Auto so viel Aufmerksamkeit gewidmet hatte.
Sie hielt sich den Bauch vor lachen und ich verstand sie nicht ganz recht. Also fuhr ich los.

"Du bist so süß", sagte sie als sie sich beruhigt hatte. "Wie du geschaut hast!" Dann lachte sie wieder. Ich grinste mit. Dann fuhren wir einen Weile und hörten Musik.

"Wir könnten wegfahren," sagte sie plötzlich. Ich schaltete das Radio aus.
"Wie meinst du das?"
"Wir könnten einfach wegfahren, egal wohin."
Ich sah sie an. Sie trug einen Nachtblauen Rock, eine weiße Bluse mit Blumen darauf und ihre Haare wellten sich über ihre Schultern.

"Du meinst, wir sollten jetzt abhauen?" Ich verlangsamte mein Tempo und wechselte die Spur, um auf den angezeigten Parkplatz zufahren.

Dann nahm sie ihren Blick von der leeren glühenden Straße.
Es war eine verlassene Parkbucht, hoch auf dem Berg auf der Küstenstraße. Sie sah mich an, ein Lächeln umspielte ihre Lippen.

"Warum nicht?", fragte sie und drehte sich zu mir, dass sie ihren Kopf nicht verdrehen musste.

Ich tat es ihr gleich.
Warum nicht? Die Idee wirbelte in meinem Kopf.

"Ich habe es satt," sagte sie und nahm meine Hand. "Ich will mit dir sein, nur mit dir!"
Ich lehnte mich zu ihr herüber und küsste sie. Ihre Lippen schmiegten sich an meine und hinterließen ein Kribbeln auf meiner Haut. Sie vergrub ihre Hand in meinem Haar und zog mich an sich. Der Kuss wurde leidenschaftlicher.

In dem kleinen Auto staute sich die Luft. Es war warm. Sie schnallte ihren Gurt ab und rutsche auf meinen Schoß, ohne ihre Lippen von meinen zu nehmen.

Jetzt war es definitiv heiß. Ich fuhr meine Hände über ihren Rücken, durch ihr Haar. Ich küsste ihren Hals, hielt sie fest bei mir.

Auf einmal klopfte es gegen die Scheibe. Erschrocken sah ich auf und drückte ihren Kopf auf die rechte Seite meines Nackens, geschützt vor Blicken.

Ein Blitz blendete mich.

"Ist das Madmoiselle Benetau?", fragte der Reporter. Er war ganz aufgeregt, seine Kamera bereit. Von der anderen Straßenseite sah ich noch weitere Reporter kommen, die bereits das Auto fotografierten.

"Bleib so, ich fahre jetzt los", flüsterte ich. Sie nickte. Ich startete das Auto und fuhr langsam los. Die Reporter stellten sich vor das Auto, stellten Fragen und fotografierten. "Schau nicht auf."
Ich hupte und fuhr weiter bis ich endlich auf der Straße war und beschleunigte das Tempo.

Ich schaltete kurz auf Autopilot und half ihr sich auf ihren Platz zu setzten.
"Es tut mir leid", sagte ich und starrte auf die Straße. Ich wusste, dass sie weinte, dass sie Panik hatte. Ich konnte es nicht. Warum brachte ich so viel Leid über sie?

Ich nahm ihre Hand und drückte sie. "Sie haben eben das Auto erkannt. Es war leichtsinnig von mir," räumte ich ein.

"Ich hoffe nur, sie haben kein Foto," meinte sie und wischte sich die Tränen weg. Auf einmal richtete sie sich auf. "Nein, hoffentlich haben sie ein Foto!"

"Wie meinst du das?", fragte ich und schaute kurz zu ihr herüber.
"Naja, vielleicht ist das ein Gegenschlag." Ich begann zu nicken.

Dann fuhren wir in Stille.
Sie dachte nach. Ich dachte nach.

Ich war wütend auf mich. Warum konnte ich mich nicht beherrschen? Ich war süchtig nach ihr, ja, aber so leichtsinnig wie das letzte Mal wollte, sollte ich nicht sein.

Was, wenn etwas passiert war? Sie hatte noch nichts erwähnt, aber ich wusste, dass sie auch daran gedachte hatte, als sie die Pille gegen ihre Panik schluckte.
Ich würde mir nichts lieber wünschen als mit ihr eine Familie zu gründen. Aber jetzt? Ich war mittellos, hilflos, machtlos.

Ich bog ab in Richtung Grasse.
"Aber das ist die falsche Richtung", bemerkte Elise.
"Ich weis", sagte ich. "Bis Fred zurück ist, wird keiner wissen, wo wir sind.
"Fliehen wir?"
"Das finden wir heraus."

*

Wir verbrachten den Tag in einem kleinen Hotel.
Könnten wir es riskieren jetzt zu fliehen?
Könnten wir fliehen, ohne erwischt zu werden?
Wo sollten wir hin?

"Lass uns darüber jetzt nicht nachdenken," sagte sie, "wir haben kein Geld mit." Sie warf ihre Tasche wieder auf das Bett und ihren Geldbeutel daneben. Ich setzte mich und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.

Ich hatte kein Geld, um für uns zu sorgen. Ich hatte nichts.

"Elise."
Sie setzte sich und legte einen Arm um mich.
"Ich...ich kann dir das nicht antun. Ich kann für dich nicht sorgen! Was kann ich dir bieten? Ich habe kein Geld und wenn wir gehen, habe ich keine Arbeit. Ich habe gespart, aber das wird niemals reichen. Ich kann dir dein Zuhause nicht wegnehmen, um dir dann nichts bieten zu können."

Ich drückte meine Hände ich meine Augen und spürte, wie ihre Hand langsam meinen Rücken verließ.

"Elise," ich schaute zu ihr auf, ihr Gesicht wie ein Gedicht. "Ich bin nicht gut genug für dich."
Sie wollte protestieren, aber ich schüttelte den Kopf. "Vielleicht solltest du-"
"Erik! Rede nicht weiter, bitte. Es ist nichts wahr von dem was du sagst!" Sie nahm mein Gesicht in ihre zierlichen Hände.

"Du bist gut genug für mich! Das hast du selbst gesagt! Wir müssen auch nicht heute fliehen. Ich kann Geld auftreiben und vielleicht schafft es Fred seinen Vater zu überzeugen! Aber rede bitte nicht so einen Schwachsinn!"

"Vielleicht solltest du dir trotzdem einen anderen suchen. Ich bin es doch gar nicht wert."

Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, sah mich dann aber wortlos an.

Dann stand sie auf, ging aus dem Zimmer und schloss die Tür.

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