12 ~ Flucht

332 24 6
                                    


Das Haus war dunkel als ich die Treppen zur Küche herunter lief. Mein Vater war mit meiner Mutter nach Cannes gefahren, um Frei zu machen.

Nachdem sie von Fred's Versuch gehört hatte, waren sich meine Eltern einig gewesen ihn erstmal wieder zu seinen Eltern zu schicken.
Die Verlobung wurde nicht gelöst, es würde sich sicher eine Lösung finden, hatte meine Mutter gemeint.
Aber das war mir egal.

Ich öffnete die Küchentüre und sah Erik und Rosella am Tisch sitzen.
"Liebes!", hauchte sie und nahm mich in den Arm. "Ihr schafft das! Da bin ich mir sicher!" Ich lächelte.
"Ich werde dich so vermissen, Rosi!" Ich umarmte sie. Sie streichelte beruhigend meinen Rücken.
"Meldet euch, wenn Ihr da seid oder wenn irgendetwas passiert, habt ihr gehört?" Ihre Stimme wurde von einem Schluchzten erdrückt.

"Das werden wir Maman," meinte Erik und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
"Und sieh zu, dass sie was isst, ja? Du weist ja, wie man Suppe kocht."
"Ja, Maman, mach dir keine Sorgen, ich werde für sie sorgen."
Es erwärmte mein Herz.

Ich wusste, dass wir irgendwann zurück kommen würden, um Rosella zu holen. "Hier ein bisschen Proviant," murmelte sie als sie sich die Tränen wegwischte und uns einen kleinen Beutel gab, "und gebt Acht auf die Flut!"

"Danke, Rosi, das werden wir." Erik kam zu mir herüber und küsste mich. Dann nahm er meine Hand.

"Bist du bereit?"
"Mit dir immer."

Und so begaben wir uns im Schutze der Dunkelheit auf den Weg in die Freiheit.

*

Das Wasser war wegen der Ebbe zurück gegangen, sodass wir die Abkürzung durch die Bucht hinter unserem Garten nehmen konnten. Die Bucht war nur eine Stunde begehbar, danach blieb der Weg versteckt und unsere Spuren verschwunden.

Wir liefen den Strand entlang.
Ich konnte das Boot schon sehen. Der Sand knirschte unter unseren Füßen und mein Herz schlug bis zum Hals.
"Wir sind gleich da", meine Erik und drückte meine Hand.

Es war dunkel, der Mond hinter dicken Wolken versteckt.

Wir erreichten den Steg. Ich lächelte, gleich waren wir auf dem Boot.
"Eduardo," sagte Erik und ein Mann begann die Leinen los zumachen. Erik warf unser Gepäck in das kleine Fischerboot.

Gerade als ich meinen Fuß an Bord setzten wollte, hörte ich Schritte auf dem Steg.

"Wohin so spät, Babe?" Es lief mir eiskalt den Rücken herunter als ich seine Stimmt hörte.
Das durfte nicht wahr sein. Warum war er nicht bei seinen Eltern?

Wir wollten gerade noch ins Boot steigen, wurden aber von Fred's Freunden gepackt und vom Boot weggezogen. Kyle ließ mich los und schubste mich zu Fred. Paul hatte Erik's Arme nach hinten gedreht.
"Lass ihn sofort los," fauchte ich.

"Du betrügst mich mit einem Hausjungen?" Er schnalzte mit der Zunge.
"Lass ihn los!" Ich wollte Eduardo um Hilfe bitten, dann sah ich, dass André ihn mit einem Messer bedrohte.
"Du brauchst gar nicht erst deinen Mund aufmachen, Schätzchen, der wird das Boot nicht verlassen. Ganz im Gegenteil," er wandte sich zu Eduardo,"Na los, mach nen Abflug!" Verängstig startete Eduardo den Motor und warf mir einen entschuldigenden Blick zu. Ich nickte ihm zu.

"Du bist ein widerliches Arschloch!", schrie ich Fred an.

Der Faden war gerissen. Meine Geduld am Ende.

Paul schleifte Erik an den Strand. Die anderen folgten.
"Elise, dein Mundwerk gefällt mir nicht."

Paul stieß Erik auf den Boden. Sofort stand er auf und wollte zu mir, doch Fred schnitt ihm den Weg ab.

"Du bist mir noch was schuldig." Sie kesselten ihn ein.

Nein. Nein. Nicht jetzt. Panik überkam mich. Kyle lachte fies und ging langsam auf Erik zu. Das war nicht fair.

"Hört auf!", schrie ich und zog Fred an seinem Arm. "Ich bleibe auch bei dir, aber lass ihn!"
Er sah mich mit einem verachtetem Blick an.

"Du opferst dich für ihn? Einen Niemand? Ach Babe...", säuselte er und ergriff mein Handgelenkt. Er griff immer fester zu bis ich vor Schmerz aufschrie und in die Knie ging.
"Sie oder du," brummte Fred und richtete seinen Blick auf Erik.

Bevor Erik antworten konnte, traf ihn Kyle's Faust auf die zugenähte Platzwunde am Kopf. Ich schrie auf, mein Herz zerriss.
Ich wollte zu ihm zu laufen, aber Fred zog mich zurück.

"Jeder bekommt seine Strafe, Elise, auch du. Sieh hin!", schrie Fred in einem widerlichen Ton. Paul schubste Erik, dass er ins Wanken kam, fiel aber nicht.

"Lass ihn Fred, bitte, lass mich die Strafe verbüßen! Lass ihn in Ruhe!", bettelte ich, Tränen traten in meine Augen.
"Elise, nein," warf Erik ein bevor ihn erneut Kyle's Faust ins Gesicht traf. Und noch einmal. Ich schrie jedes Mal auf und dann fiel er zu Boden.

Wie konnte man so grausam sein?

Er war noch von der Prügelei mit Fred geschwächt und dieser Feigling konnte nicht einmal selbst seinen Mann stehen.
Ich schlug um mich, versuchte mich zu befreien, aber Fred's Griff verstärkte sich nur.
"Halt still!", schrie er mich an.
"Nein!", brüllte ich zurück. Die Wellen krachten neben uns ein.

Die Flut.

"Erik!", schrie ich. Er versuchte sich aufzurichten, aber was hatte er für einen Chance? Drei gegen einen.

Er stützte sich auf seinem Arm auf, schaute zu mir und Paul's Fuß traf ihn in den Bauch. Vor Schmerzen schrie er auf und Paul trat noch einmal zu.
Ich schrie, sie sollten aufhören, aber es interessierte keinen.

Ich brach mit jedem Schrei, den Erik von sich ließ. Sie mussten aufhören. Er war jetzt schon mehr tot als lebendig.

"Halt endlich deinen Mund!," brüllte Fred mir ins Ohr, dass ich zusammen zuckte. Dann traf mich seine Hand auf meiner Wange, dass mein Kopf zur Seite schwenkte und ein Pfeifen in meinen Ohr hinterließ. Schockiert erstarrte ich.

Dann hörte ich Erik wimmern und dreht mich zu ihm. Überall war Blut. Sein Blut.

Ich wusste nicht mehr weiter. Was konnte ich noch unternehmen? Wo waren die Bodyguards?

"Lass ihn bitte," flehte ich in die Nacht. "Bitte, ich tue alles was du willst! Alles!"

Fred hob seine Hand. Sofort stoppten sie und traten zur Seite.
Erik lag einfach nur da.
"Erik?" Ich traute mich fast nicht seinen Namen auszusprechen.

Nichts.

"Erik?", wiederholte ich und er drehte leicht seinen Kopf. Er lebt.

Sein Gesicht war Blutverschmiert, seine Augen kaum offen. Er atmete unregelmäßig.

"Alles? Dann werden wir jetzt endlich unseren Spaß haben," lachte Fred und fasste mir in den Ausschnitt.

Aber ich sah nur Erik.

"Wir gehen," kündigte Fred an.
Ich riss die Augen auf.
"Aber die Flut kommt," schrie ich ihn an.

Er zuckte mit den Schultern. "Ich hoffe, dein Laufbursche kann schwimmen."
Dann drehte er sich um und zog mich mit sich.

ERIK Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt