27 ~ Hähnchen und Froschschenkel

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"Da bist du ja endlich!", sagte meine Mutter und zog mich zu sich. "William, das ist Elise." Er lächelte mich freundlich an und gab mir ein Küsschen rechts und links auf die Wange.

"Natürlich erinnere ich mich, wie könnte ich so ein schönes Gesicht vergessen?", lächelte er und sein Geruch aus Tanne und Wind verblieb in meiner Nase. "Hallo", meinte ich und kam mir im selben Moment dämlich vor. "Schön dich zu sehen", ergänzte ich verlegen.

Er trug ein schlichtes Shirt, kurze Hosen und sein Kaffeebraunes Haar war Mittel lang und sah unglaublich weich aus.

"Dann lasst uns essen!", verkündete meine Mutter und lief voran in das Esszimmer.

"Der wäre doch von Anfang an eine bessere Wahl gewesen," flüsterte mir Fred grinsend ins Ohr als wir als letzte den Balkon verließen. Ich verdrehte gespielt die Augen. "Da hast du absolut Recht," grinste ich zurück. Wo war ich nur mit meinen Gedanken?

*

"Erzähl' William, wie war deine Reise?", fragte meine Mutter mit einem Engelnslächeln und schnitt ihre gegrillte Aubergine in Atome.
Ich fühlte meinen Bauch rumoren, aber mir war nicht schlecht. Es war ein seltsames Gefühl.

"Hast du so Hunger?", fragte Fred leise neben mir als William begann von seiner Reise zu erzählen.
Ich runzelte die Stirn. Das wird es wohl sein.
Ich hatte schlicht und einfach Hunger! Bei diesem Gedanken lachte ich auf, irgendwie glücklich Hunger zu verspüren, ein Gefühl, das ich schon lange vergessen hatte.

"Weist du schon wie es endet?", fragte William und erst als ich mir eine Scheibe Aubergine voller Euphorie in den Mund schob, merkte ich, dass er mich angesprochen hatte. Und ich hatte natürlich nicht zu gehört. Ich schüttelte den Kopf und kaute. Es schmeckte köstlich nach Kräutern, die ich nicht definieren konnte.

"Nein, sollte ich?", fragte ich noch mit halb vollem Mund. William grinste und Fred gluckste neben mir.
"Elise! Man spricht nicht mit vollem Mund!", ermahnte mich meine Mutter streng.

"Das ist halb so schlimm, Madame, ich habe ja auch zu einem ungünstigen Moment gefragt," meinte William. "Nun ja, jedenfalls habe ich dann ein Taxi genommen und habe gedacht, ich wäre schon viel spät bis ich festgestellt habe, dass ich einen Tag zu früh am Flughafen gewesen war!"

Ich lachte laut auf und verschluckte mich fast an einer gegrillten Zucchini. "Ich habe mich schon gewundert, warum du heute schon da bist!", rutschte es mir heraus. Fred ließ sein Messer in die Tomatensauce fallen und William stieg in mein Lachen mit ein.

"Elise! Bitte, zügle deine Zunge! Das ist William Elen!", zischte meine Mutter erzürnt.
"Ach, lass sie doch Anette," schmunzelte mein Vater.

"Ich bin auch nur ein Mensch, Madame," meinte William und nahm einen großzügigen Schluck Wein. "Ich merke schon, du bist außerordentlich erfreut mich zu sehen", sagte er dann mit einem verspielten Lächeln. Ich konnte nicht anders als zu Lachen und das Leuchten in seinen Augen zu erwidern.

*

"Nun denn, ich gehen schlafen, ich muss morgen früh raus," verabschiedete sich mein Vater und küsste mich auf mein Haar. "Gute Nacht, Papa."

"Ich werde auch gehen, meine Freunde haben heute eine Überraschung für mich vorbereitet," sagte Fred und erhob sich ebenfalls. Die Überraschung hieß Clemance und wartete bei sich auf ihn. Ich umarmte ihn und lächelte. "Viele Grüße an deine Freunde," meinte ich und setzte mich wieder.

Es herrschte Stille am Tisch.

"Elise, möchtest du mir den Garten zeigen? Deine Mutter hat vorhin schon sehr geschwärmt davon," sagte William.

"Was für eine wundervolle Idee, William!", rief meine Mutter erfreut und klatsche sich in die Hände.
Also gingen wir runter über die Terrasse in den Garten.

Die Sonne war schon fast am Horizont und nahm die Wärme des Tages mit sich. Eine Weile liefen wir still nebeneinander her. Die Stille war aber keineswegs unangenehm.

"So, du heiratest also Fred?", fragte er irgendwann. Er hatte seine Hände in die Hosentaschen gesteckt und sah mich an. Seine Augen war so satt grün und nahmen mich erneut in den Bann. Ich wollte das nicht, aber ich konnte es mir nicht erklären. Ich nickte. "Ihr scheint gar nicht so verliebt."

Ich sah ihn erschrocken an, ertappt, überrascht, beschämt. Er lachte. "Ist schon okay, ich weis, wie das hier läuft. Glaub mir, ich war so froh hierher zu kommen! Ich hätte beinah eine Amerikanerin heiraten müssen!"
"Was?"
"Es ist überall gleich," schnaubte er und bog links in den Rosengarten ab. Ich war irgendwie erleichtert, dass ich nicht die einzige war, so egoistisch wie es auch klang.

"Nein, er ist auch noch mein Halbbruder." Er blieb abrupt stehen und hob seine Augenbrauen.
"Ach du Scheiße!" Dann räusperte er sich. "Tut mir leid, ich meine, du verfluchter Pferdemist!"

Ich lachte lauthals los. "Du sagst es. Hat dich meine Mutter schon in ihren Plan eingeweiht?"
Wir liefen zum kleinen Brunnen in der Mitten des kleinen Gartens und setzten uns auf eine Bank.
William schüttelte seinen Kopf, seine Haare sich mit und eine Haarsträhne fiel nicht zurück. Er überlegte kurz.

"Ach so. Ich soll dich dann heiraten?" Ich hatte das unstillbare Bedürfnis diese lose Haarsträhne zu den anderen zu legen.
"Ja genau. Bereite dich schon mal drauf vor," meinte ich und schaute weg.

"Werde ich nicht gefragt?"
Ich lachte und schüttelte den Kopf. "Seit wann wird man gefragt, wenn es um die Zukunft geht?"
Die Rosen waren schon verblüht und das Wasser plätscherte leise vor sich hin.

"Das ist echt traurig. Wir sollten uns wehren," meinte er und lehnte sich zurück.
"Wenn das so einfach wäre," antwortete ich und tat es ihm gleich. Unsere Schultern berührten sich und seine Wärme tat gut in der fröstelnden Abendluft.
Wir lauschten dem Brunnen und den Grillen, die ein Fest zu feiern schienen.

"Esst ihr wirklich Froschschenkel und Schnecken?", fragte er in die Stille hinein und mir entwich erneut ein Lachen.
"Ja, schon ab und zu. Frosch schmeckt eigentlich Hähnchen und Schnecken wie Muscheln mit viel, viel Knoblauch."

Er sah mich mit einem angewiderten Blick an. "Echt?" Ich nickte grinsend.
"Ich hab auch gehört, dass Krokodil und Känguru nach Hähnchen schmeckt."

"Das habe ich noch nicht probiert. Was esst ihr denn? Elch?"
"Ja, das schmeckt wie-"
"-Hähnchen?"
"Nein, wie Reh. Esst ihr Reh?"
Ich nickte lachend.

Meine Güte, hatte ich heute von diesen Pillen genommen? Eigentlich nicht. War er einfach lustig?

"Wir sollten mal zusammen kochen," meinte er dann und lehnte sich etwas nach vorne, damit er mich anschauen konnte.
"Du kannst kochen? Ich weis nicht mal, wie man einen Herd einschaltet!"
"Ich zeige es dir," schmunzelte er, "das wir lustig." Und ich glaubte ihm.

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