Fakt neunzehn: Auf einer Insel gestrandet zu sein, erschwert eine ausgewogene Ernährung.
Ich wachte mit einem knurrenden Magen und in Jared's Arm auf. Vorsichtig richtete ich mich auf und versuchte dabei, ihn nicht aufzuwecken.
Die Sonne war selbst am frühen Morgen so stark, dass sie mich jetzt schon zum Schwitzen brachte. Ich kratzte mir die Arme, die vom Sand juckten, zuckte dann aber zusammen. Auf meiner nackten Haut hatten sich mittlerweile Sonnenbrände gebildet, die knallrot waren und brannten. Ich hätte in meinem Rucksack Sonnenmilch dabeihaben sollen...Dicht am Wasser stand Ira und ich bemerkte, dass er mich beobachtete. Mich und Jared. Als er meinen Blick sah, drehte er sich ertappt wieder um. Wie lange hatte er uns schon angesehen?
Hungrig ging ich auf den kleinen Haufen Bananen zu, der sich bei uns angesammelt hatte. Viel war es nicht. Schon seit ein paar Tagen merkte ich immer mehr, dass ich abnahm. Meine Hose rutschte und mein Bauch wurde immer flacher, so wie ich ihn eigentlich immer haben wollte. Nur waren das hier völlig falsche Umstände.
Als ich in die Banane biss, verzog ich angewidert das Gesicht. Ich konnte diesen Geschmack langsam nicht mehr ertragen und außerdem waren diese Früchte gerade kaum gereift. Konnte man sich nur von Bananen und Kokosnüssen ernähren?Schlecht gelaunt stampfte ich auf Ira zu.
„Wir fangen Fische", sagte ich, ohne stehenzubleiben und sah ihn dabei bestimmend an.
„Was läuft da zwischen dir und meinem Onkel?", fragte er, anstatt mir eine Antwort zu geben. Sein rechtes Augenlid zuckte. Jetzt hielt ich doch an und drehte mich schnell zu Jared um, um zu überprüfen, ob er noch schlief. Dann beugte ich mich zu Ira rüber.
„Heute Nacht ...", flüsterte ich, obwohl er uns ohnehin nicht hätte hören können. „Wollte er abhauen."
„Was?", rief Ira. So schnell ich konnte, presste ich einen Finger auf seine Lippen, doch er stieß ihn unvorsichtig weg. „Wo wollte er hin?"
„Woher soll ich das wissen?", fragte ich empört und drehte mich abermals um.
Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Wenn das nochmal vorkommt, dann weck mich." Ich nickte. „Und was läuft da jetzt zwischen euch?", fragte er wieder und plötzlich überkam mich das Gefühl, dass er eifersüchtig war.
„Gar nichts", murmelte ich und starrte aufs Meer hinaus. „Fischen", sagte ich dann und packte Ira's Arm. „Los komm, wir versuchen's mal. Schließlich können wir nicht ewig von Bananen leben." Ich watete mit Ira ins Kniehohe Wasser und suchte das Meer nach Fischen ab. Glücklicherweise war es hier so sauber und klar, dass man den Grund problemlos erkennen konnte.
„In Ordnung. Dann fischen wir. Mit bloßen Händen ...", sagte Ira und wenn mich nicht alles täuschte, klang er missmutig.
Heftig nickte ich. „Ja!"
Ira starrte mich an, als wäre ich geisteskrank. „Mit bloßen Händen ...", wiederholte er und riss leicht die Augen auf. Gleichgültig zuckte ich mit den Schultern. Gut, vielleicht hatte ich auch einfach zu viel Sonne abbekommen. Aber wen juckt's? Zeit war das Einzige, was wir wirklich hatten.Es dauerte gar nicht lange, bis uns ein einzelner Fisch über den Weg schwamm. Er sah hübsch aus. Hell. Und mit gelben Streifen. Vorsichtig tauchte ich meine Hände in das kühlende Wasser und konzentrierte mich, doch sobald ich mich bewegte, suchte der Fisch schnell das Weite.
„Verdammt!", rief ich aus und klatschte mit der flachen Hand ins Wasser.
Ira stöhnte auf. „Also wenn du so an die Sache herangehst, kommt kein Fisch auf zehn Kilometer Entfernung an uns heran", sagte er und zog eine Augenbraue hoch. Mir fiel auf, dass seine Bräune leicht zugenommen hatte. Seltsamerweise hatte er kaum Sonnenbrand.
„Gut", meinte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann zeig mir doch, wie es richtig geht, Mr. Oberschlau."
Ira grinste und beugte sich leicht nach vorne. Dann wartete er ab.
„Lass uns weiter reingehen", sagte er nach einer Weile. Doch auch im tieferen Wasser mussten wir uns gedulden. Die heißen Sonnenstrahlen erhitzten uns, als würden sie uns braten wollen. Lediglich der Ozean konnte uns ein wenig Erholung im kühlen Nass bieten.Erst als ich die Hoffnung schon beinahe aufgegeben hatte, kam ein kleiner Fischschwarm. Fast gleichzeitig stürzten wir uns auf sie und ich schaffte es tatsächlich, einen zu packen, doch sein Körper war so glatt und feucht, dass er mir gleich wieder davonkam.
„Was tut ihr Vollidioten da?", hörte ich eine Stimme hinter mir rufen. Jared.
„Essen besorgen", rief ich genervt über meine Schulter hinweg. Von meinen Worten angestachelt, verfiel er in schallendes Gelächter, sodass es selbst in der Entfernung ohrenbetäubend war.
„Ihr wollt Fische mit den Händen fangen?" Er schnappte hörbar nach Luft. „Wie wollt ihr das anstellen? Überredet ihr sie stillzuhalten?"
„Sei doch einfach mal ruhig." Wie dieser Mann mich immer wieder in so kurzer Zeit wütend machen konnte ... Gab es dafür irgendwo einen Preis?„Ich sag's echt nur ungern, aber Jared hat recht", sagte Ira, so leise, dass Jared es definitiv nicht hören konnte. Na bravo!
„Jetzt hältst du zu ihm oder was?", raunte ich. Meine Worte klangen boshafter, als beabsichtigt.
„Nein." Unschuldig zuckte er mit den Schultern. „Ich halte zu niemanden. Nur zu mir."
Ich belächelte seine Aussage. Niedlich war es ja schon.
„Wie sollten wir sonst Fische fangen?", fragte ich und sah traurig zu meinen Füßen, die ich im nassen Sand vergrub.
„Wir haben leider kein Messer, sonst hätten wir etwas schnitzen und es damit versuchen können", antwortete er, was meine Laune nicht gerade hob. „So hätten wir sie ... aufgespießt."
„Lass uns raus hier. Meine Haut schrumpelt schon."
Ich sah auf meine Hände hinab, dessen Haut ebenfalls nicht mehr glatt war. Dieses Gefühl an meinen Fingern konnte ich nicht leiden, dennoch bat ich ihn, es nur noch ein bisschen zu versuchen. Wenn wir wenigstens einen Fisch fangen könnten ...
„Okay", sagte ich. „Du stellst dich mit etwas Abstand von mir weg und wenn einer von uns den Fisch durch glibschen lässt, dann hat der Andere vielleicht die Möglichkeit, ihn zu bekommen." Noch eine ganze Weile verbrachten wir im Wasser, wechselten die Positionen und ließen unzählige Fische entgleiten, als ob wir bloß mit ihnen spielen wollten.
„Sag mal", meinte Ira irgendwann und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Fast sein ganzes Shirt war durchtränkt, sodass ich nicht mehr ausmachen konnte, was Meerwasser oder Schweiß war.
„Wie willst du den Fisch überhaupt ausnehmen, wenn du einen fängst?"
Verdammt! Verdammt! Verdammt! Daran hatte ich natürlich nicht gedacht. Ich beschloss zu improvisieren.
„Jared fällt schon was ein. Wir fangen, er bereitet zu." Daraufhin lachte Ira.
„Das meinst du nicht ernst." Doch. Wieso auch nicht?
„Du hast da was", murmelte er, wie aus heiterem Himmel und seine Hand war auf dem Weg zu meinem Gesicht. Reflexartig griff ich schnell an meine Wange und hatte eine Sekunde später irgendein Algenzeug an meinen Fingern kleben.
„Danke", murmelte ich verlegen. Hätte ich anders reagieren sollen?
„Kommt da jetzt raus!", schrie plötzlich Jared wieder. War er eben erst zurückgekommen? Ich gab es nicht gerne zu, doch jetzt war mir seine Anwesenheit gerade recht.
Missmutig setzte ich mich in Bewegung und fragte mich, wie lange wir im Wasser gewesen waren. Na ja, wir hatten ohnehin nichts besseres zutun.
Als wir nah genug an Jared dran waren, sodass ich seine Konturen trotz der heißen, unnachgiebigen Sonne erkennen konnte, hob er etwas hoch.
„Hiermit sollte es besser gehen", sagte er. Mein Herz machte einen Satz.
„Woher hast du das?"
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Forgotten Island
AdventureFakt eins: Schon seit ich ein kleines Mädchen war, träumte ich davon, in einem Paradies zu leben. Fakt zwei: Nichts wünschte ich mir sehnlicher, als geliebt zu werden. Fakt drei: Nie hätte ich gedacht, dass mir etwas Schlimmes zustoßen könnte. ...