Fakt achtzehn: Nachts sollte man schlafen.
In dieser Nacht schlief ich nicht gut. Meine Träume wurden von furchteinflößenden Szenen gestört und immer, wenn meine Haut irgendwo kribbelte, bekam ich Panik, ob es wohl eine Spinne sein würde. Mal ehrlich, für Leute wie mich, war eine Insel nicht das Richtige. Angst vor Spinnen war nicht gerade förderlich.
Ich hätte anders werden sollen. Es wäre besser, unerschrocken zu sein, furchtlos. Vielleicht war es Ironie des Schicksals, dass ich hier war. Oder möglicherweise war das Universum wütend auf mich. Wäre das hier ein Film, würden sich alle kaputt lachen. Ein Mädchen, das Angst vor Spinnen und vor der Dunkelheit hatte, war auf einer Insel gestrandet. Und das ganz ohne Schokolade.Wenn man nachts nicht schlafen konnte, kam man auf solch komische Gedanken.
Die Wellen rauschten beruhigend und dennoch bekam ich eine Gänsehaut. Im Dunkeln konnte man das Meer kaum sehen. Das machte mir Angst. Aber die Geräusche des Ozeans würden wohl ab jetzt mein tägliches Schlaflied sein. Hoffentlich nicht für lange.
Es hatte jedoch auch etwas Gutes, dass ich wach war. Ich verpasste nichts. Wenige Minuten später hörte ich, wie jemand ein paar Meter neben mir aufstand und in den Dschungel ging. Anhand der Statur konnte ich sofort sagen, dass es nicht Ira war.
Unauffällig folgte ich Jared und spähte durch die dunklen Bäume hindurch, doch meine Augen wollten sich einfach nicht an die Dunkelheit gewöhnen. Ich erkannte kaum etwas.
Es hätte ja sein können, dass er nur pinkeln musste und dabei wollte ich ihm weiß Gott nicht zu sehen. Aber das war nicht der Grund. Er ging tiefer hinein.
„Jared?", rief ich. Meine Stimme klang ziemlich eigenartig und unnatürlich inmitten dieser nächtlichen Geräusche.
Er zuckte zusammen und drehte sich abrupt zu mir um. „Verdammt, Mädchen", schrie er wütend und kam mit großen Schritten auf mich zu. „Geh schlafen!" Jared zeigte mit ausgestrecktem Arm auf den Strand.
„Wohin willst du?", zischte ich und funkelte ihn wütend an, was er ja eigentlich gar nicht sehen konnte.
Für einen kurzen Moment schien er zu zögern, bevor er sprach. „Konnte nicht schlafen", antwortete er. Das war ja wohl die dämlichste Ausrede!
„Und dann gehst du spazieren? Im Dschungel?" Ich verschränkte die Arme vor die Brust. Wo zum Teufel wollte er hin?
„Was dagegen?"
„Allerdings", antwortete ich bissig. Im Nachhinein hätte ich ihn wohl einfach verfolgen sollen ...
„Fein. Es geht dich aber rein gar nichts an, Süße." Der wütende Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören.
„Ich finde schon." Schnell drehte ich mich zum Strand um, um zu sehen, ob Ira etwas mitbekommen hatte. Dem war nicht so. Es wäre besser gewesen, wäre er hier. Dann hätte er das mit seinem Onkel klären können. Ihn zu rufen erschien mir aber etwas albern.
Jared lachte. „Ich bin nicht deine Mami, der du hinterher laufen kannst", sagte er belustigt. „Geh wieder zurück und schlafe etwas. Ist besser für dich."
Ich verkniff mir einen Kommentar. „Nur wenn du mitkommst."
„Wie niedlich, kannst du nicht ohne mich schlafen?" Okay, er ging wirklich zu weit.
„Ich weiß jetzt sowieso, dass du weg willst, Jared. Heute Nacht kannst du das vergessen." Und jede Weitere auch ... Die Dunkelheit umhüllte uns und erschwerte mir die Sicht. Plötzlich fühlte ich mich selbst mit Jared unwohl und das beängstigte mich. Was verschwieg er Ira und mir?
Jared schnalzte mit der Zunge, dann atmete er hörbar ein. „Gut", antwortete er. „Ich komme mit."
Ich behielt ihn im Auge und legte mich direkt neben ihn. Würde ich meine Finger nur ein kleines bisschen ausstrecken, könnte ich seine Seite berühren. Mein Blick fixierte ihn und er starrte zurück.
„Komm her", sagte er und streckte seinen Arm aus. „Wenn du auf mir liegst, kann ich nicht weg. Dann brauchst du keine Angst mehr zu haben." Er lachte grollend und glaubte wohl nicht, dass ich sein Angebot annehmen würde. Doch ich legte mich in seinen Arm und bettete meinen Kopf auf seine Brust, während er mich umschloss und ein verwundertes Geräusch von sich gab. Gott sei Dank hatte er heute im Meer gebadet ...
Ich war mir nicht sicher, was ich hier von halten sollte. Aber er hatte recht, denn wenn er gehen würde, würde ich aufwachen.
Und sicher war sicher ...
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Forgotten Island
PertualanganFakt eins: Schon seit ich ein kleines Mädchen war, träumte ich davon, in einem Paradies zu leben. Fakt zwei: Nichts wünschte ich mir sehnlicher, als geliebt zu werden. Fakt drei: Nie hätte ich gedacht, dass mir etwas Schlimmes zustoßen könnte. ...