Fakt einundvierzig

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Fakt einundvierzig: Es gibt immer einen Plan B. Manchmal.

„Und wie holst du uns hier raus?", fragte Jared zögernd.
Plötzlich erklang hinter mir eine andere Stimme. „Gar nicht", sagte der Professor und beugte sich über die Grube. „Es tut mir ehrlich leid, Jungs, aber ihr müsst leider hierbleiben. Wenn wir euch da rausholen ... wissen sie von uns und das wäre zugegeben wirklich schlecht. Sie würden hinter uns her sein. Unser Besuch ist ein Abschied. Beeilt euch." Der Professor wirkte wirklich, als würde er es bedauern. Seine Augenbrauen zogen sich mitleidig zusammen und er schluckte schwer. Vorsichtshalber sah ich zu den Frauen hinüber, doch ich glaubte nicht, dass sie uns in dieser Position erkennen konnten.
„Nein!", sagte ich bestimmend und fühlte mich plötzlich so, als hätte ich gerade einen Befehl gegeben. „Wir werden sie nicht hierlassen."
„Ich wusste es", zischte Amelie. „Wie willst du das anstellen?" Sie war nicht begeistert, das merkte ich. Ich glaubte, es lag weniger an Boshaftigkeit als an der Angst, was die Eingeborenen mit uns anstellen könnten.

„Ihr könnt uns nicht einfach hierlassen", mischte Ira sich ein. Flehend sah er zu mir herauf, was mir fast die Tränen in die Augen trieb. Vorsichtig streckte ich meine Hand nach unten und er reckte mir seine entgegen. Doch die Grube war so tief, dass wir uns nicht berührten.
„Das werden wir auch nicht tun", flüsterte ich und warf dem Professor einen Seitenblick zu.
„Wenn wir das tun, können wir uns gleich zu deinen Freunden gesellen", mischte er sich ein.
„Ich habe ein Angebot zu machen", entgegnete Ira, was von Jared mit einem wütenden Blick quittiert wurde. Entgeistert sah Jared mir entgegen, als wäre ich es, die etwas gesagt hätte.
„Wir wissen nicht, ob wir denen vertrauen können", zischte er zwischen zusammengepressten Zähnen.
„Ihnen?", fragte ich und deutete auf Amelie und den Professor. „Sie sind Freunde", fügte ich mit einem Lächeln zu Amelie hinzu.

„Die Zeit drängt", murmelte der Professor.
„Einen Grund mehr, uns hier zu helfen", antwortete Jared daraufhin. Er sah mir in die Augen, auf seinem Gesicht lag ein fragender Ausdruck und ich nickte.
Mach das Angebot, dachte ich.
„Ira und ich ...", begann er zögernd. „Wir haben eine Idee, wie wir von der Insel runterkommen können."
Was? Sprachlos sah ich die Beiden an und lächelte, ja, lachte sogar beinahe. Hatten wir tatsächlich noch eine Chance?
„Schwört ihr, dass ihr uns nicht hierlasst, wenn wir euch von der Idee erzählen?", fragte Ira. Missbilligend starrte Jared ihn an.
„Schonmal was von Lügen gehört, Trottel? Darauf können wir doch nicht vertrauen!" Erst wusste ich nicht, was es war, doch dann merkte ich, dass ich enttäuscht war. Trauten sie mir etwa nicht? Mir? Monate verbrachte ich mit ihnen auf dieser Insel, lernte sie kennen und lieben und sie glaubten allen ernstes, dass ich sie im Stich lassen würde?

„Es geht nicht um dich", sagte Ira rasch als er mein langes Gesicht sah.
„Schnell", hauchte der Professor. „Schnell, schnell."
„Wir wissen, wo es ein Boot gibt. Auf dem Weg hierher habe ich es gesehen", sagte Ira und sah mich an. „Es gibt tatsächlich ein Boot. Zwar nicht sehr groß, aber es sollte genug Platz für ..." Er sah durch die Runde und ich merkte, wie er zögerte. „Es müsste reichen."
„Erzählt er Märchen?" Amelie's Stimme klang rau und doch bedrohlich. Ich wusste, sie schöpfte Hoffnung.
„Nein." Ohne darüber nachzudenken, schüttelte ich den Kopf. Sie würden nicht lügen. Sicher nicht.
Auch der Professor bekam einen leuchtenden Ausdruck in seinen Augen. Er wollte auch hier weg. Genauso wie wir.
„Aber wie sollen wir das anstellen?", fragte er und rieb sich über seinen Hut.

„Es dauert doch eine Weile, bis die Männer wieder hier sind", antwortete Jared. „Bis dahin könnten wir schon am Strand sein. Vorausgesetzt wir beeilen uns. Sobald wir auf dem Ozean sind, sind wir in Sicherheit. Dadurch haben wir eine wirkliche Chance."
Ich wusste, dass ich eine Begabung dafür hatte, dass mir in den ungünstigsten Momenten, Dinge einfielen, die ich als wichtig erachtete, sie es aber gar nicht waren. Dennoch musste ich es wissen.
„Warst du in der Nacht bei mir, Jared? Damals?"
„Nicht dein ernst, Kindchen", schimpfte der Professor und sah mich vorwurfsvoll an.
„Ja, das war ich", antwortete Jared und nickte. „Es war die Nacht bevor sie mich gefangen genommen haben." Doch ... warum war er überhaupt weg?
„Wieso bist du gegangen?", keuchte ich und fühlte mich plötzlich wie nach einem Marathonlauf.
„Können wir uns erst einmal darum kümmern, dass wir hier rauskommen, Liv?", sagte Ira ungeduldig. Hektisch sah er sich um, aber er konnte natürlich nichts weiter erkennen.

„Verdammt, Mädchen!", murmelte Jared und schlug mit der Faust gegen die feuchte Erde. „Ich habe die Fährte auf mich gelenkt, weil sie Wind von uns bekommen hatten. Jedenfalls von einer Person. Ich wusste es, seitdem wir uns im Dschungel getrennt haben, verstehst du? Ich wollte euch beschützen."
Vor Rührung kamen mir fast die Tränen. Er hatte all das nur getan, damit sie uns nicht fanden?
„So selbstlos hätte ich dich gar nicht eingeschätzt", wisperte ich und sah zum Professor rüber.
„Los, wir brauchen ein Seil!"
„Zufälligerweise habe ich gerade keines dabei", antwortete er und runzelte die Stirn.
Ich dachte nach. Doch unter Zeitdruck kamen mir die seltsamsten Ideen, die allesamt keinen Sinn ergaben. Bis ich meinen Blick durch das Unterholz gleiten ließ und einige Äste auf dem Boden sah.
„Ein dicker Ast", sagte ich aufgeregt. „Das könnte doch funktionieren!"
Amelie sah zu den Beiden nach unten und wog den Kopf hin und her. „Sieht eher schlecht aus, meinst du nicht?" Ich wusste, dass sie nur helfen würde, weil Ira wusste, wo es ein Boot gab. Sonst wäre sie vermutlich schon tief im Dschungel verschwunden.

„Wir versuchen es", bestimmte ich und lief geduckt zu einigen der Äste. Ich realisierte das Geräusch erst, als alle mich schockiert anstarrten.
Einer der Stöcker war unter meinem Gewicht gebrochen und entzweite sich mit einem knackenden Geräusch. In Windeseile lief ich in einen der Büsche und sah, wie der Professor und Amelie sich hinter einer der Hütten verkrochen. Vorsichtig spähte ich zwischen einigen Blättern hervor und stellte sicher, dass mich niemand gehört hatte.
Doch offenbar hatte ich Aufmerksamkeit erregt.

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