Kapitel 19

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Der Rest des Schultages verlief ganz normal. Niemand sprach mich mehr wegen meiner zwei Wochen Abwesenheit an, aber ich hörte das Gemurmel der Leute.

Ich ignorierte es gekonnt. Am Ende des Schultages fragte ich im Sekretariat nach, wann Samuel wieder kommen würde. Mir wurde gesagt, dass er sich für eine Woche krank gemeldet hat. War er wirklich krank oder ging er mir nur aus dem Weg und war schon längst abgehauen?

Ich wollte zu ihm gehen, aber ich wusste, dass ich ihn nicht bedrängen durfte. Also ließ ich es bleiben und fuhr nach Hause.

Zuhause schaute ich mir die Wunde an. Es hatte sich eine Schorfkruste gebildet, die ich vorsichtig mit einem nassen Lappen abtupfte, darauf bedacht, dass es nicht wieder anfing zu bluten. Ich verband die Wunde wieder. Ich spürte den Schmerz kaum noch. Nur noch bei ruckartigen Bewegungen.

Ich wollte ein wenig trainieren, damit ich nicht aus der Übung käme, also ging ich den Fitnessraum und probierte einge Schläge am Boxsack aus, wobei ich nur meinen rechten, unverletzten Arm nutzte.

Nach einigen Stunden ging ich schlafen, da ich noch nicht zu hundert Prozent fit war.

So verliefen auch die restlichen Tage. Aufstehen, Schule, Training, Schlafen.

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Der Freitag war mein Lieblingstag in der Schule, da ich dort zwei Stunden Sport hatte. So auch diesen Freitag. Aber leider erst in den letzten beiden Stunden. Also musste ich mir erst noch den Unterricht vorher antun.

Als es dann endlich zum Sport klingelte, ging ich motiviert in die Umkleide, während alle anderen Mädchen sich eher lustlos umzogen.

In der Turnhalle waren mehrere Hindernisse aufgebaut. In meinem Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. Als alle Mädchen und Jungen aus den Umkleiden sich in der Halle versammelt hatten, sprach unser Sportlehrer: „Da ihr jetzt auch alle da seid, können wir anfangen. Wie ihr hier seht, habe ich ein Parkour aufgebaut. Aber bevor ihr damit anfangt, lauft ihr alle einmal um das Gebäude, zum Aufwärmen. Danach sammelt ihr euch wieder hier und ich erkläre Näheres."

Alle liefen los. Anfangs war ich im Mittelfeld, aber dann rannte ich los. Meine Füße schienen kaum den Boden zu berühren und ich zog mit spielender Leichtigkeit an allen vorbei. Ich spürte die Blicke der Mitschüler auf mir, doch es war mir egal. Ich fühlte mich frei. Dieses Gefühl, wie der Wind durch meine Haare glitt und meinen Körper abkühlte, war unbeschreiblich gut.

Ich kam als Erste an und wartete ungefähr eine Minute, bis die nächsten ankamen. Während alle schnaufend zum Stehen kamen, stand ich gemütlich ohne außer Atem zu sein mitten in der Halle.

Als dann nach fünf Minuten auch die Letzten endlich da waren sagte unser Lehrer: „Gut. Ihr seht hier die Hindernisse. Ich teile euch in zwei Gruppen auf. Es wird wie ein Staffellauf sein." Er zeigte uns die Hürden. Wir sollten erst mit Anlauf über einen Bock springen, dann kam eine Matte, auf der man drüberlaufen sollte. Die Schwierigkeit lag darin, dass man in der Matte einsank. Dann sollte man mithilfe eines Seiles von einem Kasten zum nächsten schwingen. Als nächstes sollte man unter einer Bank durchkrabbeln, was nicht so schwer werden dürfte, da die Bank höher gelegt wurde. Mit genügend Geschwindigkeit, könnte ich unter der Bank her rutschen. Danach sollten wir beim Nächsten abklatschen, was möglich war, da es im Kreis aufgebaut war.

Die Jungs schienen begeistert, während die Mädchen besorgt auf ihre manikürten Nägel schauten. Das würde ein Leichtes sein. Lediglich das Schwingen von Kasten zu Kasten könnte schwer werden, wegen meiner Schulter.

Wir wurden in zwei Mannschaften eingeteilt. Leider in Mädchen und Jungen. Auf drei liefen die ersten Beiden los. Ich war eine der Letzten, sodass ich mir gemütlich alles anschauen konnte. Wie erwartet waren wir Mädchen deutlich schlechter. Da würde selbst ich kaum eine Möglichleit haben, das Ruder rumzureißen.

Endlich klatschte man bei mir ab und ich sprintete los. Ich sprang über den Bock und überquerte die Matte mit wenigen, großen Schritten. Dann sprang ich auf den ersten Kasten. Ich schlang das Seil um meinen gesunden Arm und stieß mich ab.

Ich hatte das Gefühl zu Fallen, aber ich konnte mich doch noch halten, bis ich auf dem zweiten Kasten stand. Ich sprang runter und rollte mich ab. Dann sprintete ich zur Bank und ließ mich im richtigen Moment fallen, sodass ich ohne Probleme unter der Bank  her rutschte. Schnell stand ich wieder auf und klatschte bei dem letzten Mädchen ab.

„Auch wenn Kira den Parkour in Rekordzeit bewältigt hat, haben die Jungs gewonnen. Als Belohnung dürft ihr euch jetzt aussuchen, was für den Rest der Stunde gemacht werden soll!", sagte der Lehrer im Anschluss. „Fußball", schlug Rafael vor. „Nee. Lasst mal Krafttraining machen. Mit Hanteln, Boxsäcken und so", meinte Phillip. „Ja, man. Geile Idee, Bro!", kam es von Sascha und er klatschte bei Phillip ein.

Gesagt, getan. Die Jungs holten die Sachen aus dem Geräteschuppen. Ich würde ein wenig am Boxsack arbeiten. Die Mädchen standen alle um die Jungs, die damit angaben, wie stark sie doch waren. Ein verächtliches Schnauben entwich mit.

Wenigstens hatte ich jetzt einen Boxsack für mich alleine. Ich schulterte einen und befestigte ihn. Und dann schlug ich los. Immer fester und fester. Mit jedem Schlag ließ ich einen befreienden Schrei erklingen. Ich spürte keinen Schmerz. Ich füllte mich so, als wenn mit jedem Schlag ein Teil meiner Last abfallen würde.

Mit einem Kick riss ich den Sack aus der Ankerung und er flog ein paar Meter durch die Luft, bis er schlitternt auf dem Boden liegen blieb. Mein Blick klärte sich und ich realisierte, wo ich mich befand. Ich war in der Turnhalle und nicht alleine. Alle starrten mich an.

„Deine Hände!", schrie ein Mädchen. Ich konnte noch nicht wirklich realisieren, wer da sprach. Gedankenverloren schaute ich auf meine Hände. An ihnen klebte frisches Blut. Mein Blut. Durch die Schläge musste meine Haut auf geplatzt sein. Ich spürte keinen Schmerz, da ich noch zu viel Adrenalin im Körper hatte. „Mir gehts gut!", sagte ich gelassen.

„Gehen sie sofort zum Sanitätsraum und lassen sie ihre Hände verbinden! Sie sind vom Rest des Unterrichts befreit!", kam es von meinem sichtlich geschockten Lehrer. „Macht doch jetzt kein Drama. Das ist doch nur ein bisschen Blut." Okay. Es war mehr als nur ein bisschen. Das merkte ich, als das Blut auf den Boden tropfte. Doch so schlimm war es jetzt auch wieder nicht. Da hatte ich schon deutlich schlimmere Verletzungen erlitten.

Ich ging zu dem am Boden liegenden Boxsack, schulterte ihn und legte ihn zu den Anderen. Dann ging ich in die Umkleide und holte aus meinem Rucksack einen Verband.

Als ich dann meine Hände versorgt hatte, zog ich mich um und fuhr nach Hause. Die waren alle so kleinlich. Das war doch nur eine kleine Wunde. Ich fand, dass alle ein wenig überreagiert hatten.

Killerin - Lieben verboten?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt