18. Eingesperrt

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Und dann kamen mir die Gesichter der Leute wieder in den Sinn. Ich stieß den fremden Mann von mir, sah ihn tödlich an und meinte kalt und emotionslos:,, Spiel mir nichts vor! Niemand liebt mich! Ich kenne dich nicht einmal, also verschwinde! Lass mich alleine wie alle anderen auch!"

Seine Miene wurde traurig und verwirrt. Er packte mich grob an den Schultern, sodass es langsam sogar schmerzte.  Ernst und wieder gefasst sah er er mir in die Augen und sagte:,, Sag sowas nie wieder!"

,,Wieso? Ich habe doch recht. Alle fürchten und verachten mich und du wirst da bestimmt nicht anders sein!", erwiderte ich gleichgültig und zeigte mit dem Finger auf den Mann, der sich Kyle nannte. Seine Stimme wurde tiefer, während er mich anschrie:,, Nein! Das werde ich ganz sicher nicht! Lieber sterbe ich, als dich zu verraten!"

Meine Augen weiteten sich. Ohne es zu merken, fing ich an zu weinen. Alle Gefühle brachen hervor. Wie ein Wasserfall strömten sie aus mir heraus.

Noch nie hat mich jemand so zum Weinen gebracht. Immer hatte ich versucht stark zu bleiben. Wollte keinem meine Schwächen zeigen, um nicht verletzt zu werden.  Die körperlichen Schmerzen taten nämlich keineswegs so viel weh wie die Seelischen. Diese Wunden würden nämlich viel Zeit benötigen um zu heilen und selbst das war nicht zu hundertprozent gewährleistet.

Kyle nahm mich in den Arm, wobei ich mein Gesicht in seiner Halsbeuge vergrub und sein T-shirt feucht weinte. Ihn schien dies jedoch nicht zu stören, denn sein Griff wurde sogar noch fester, als ohnehin schon.

Wenn ich jetzt so zurückdachte, war er der erste, der mir wenigstens einen Teil des Begriffes Liebe lehrte.
Ohne ihn wäre ich noch immer einsam, kalt und emotionslos. Er war der Mensch, der mein Eis zum Schmelzen gebracht hatte, sodass ich wieder Gefühle zeigen konnte und keine leere Hülle mehr war.

Doch auch, wenn ich nicht mehr unter der Einsamkeit litt und Kyle mich zum Wächter gemacht hatte, so blieben tief in mir die Blicke der Leute zurück.

Ihre Angst, ihre Furcht vor mir und meiner Kraft war so stark in meinem Inneren verwurzelt, dass es mir schwerfiel jemanden zu lieben. Die Erinnerungen an den Tod meiner Eltern und die damit verbundenen schlimme Kindheit hatte ich tief in mir verschlossen und versiegelt.
Dennoch konnte ich mich von diesen schlimmen Tagen und die damit entstandenen Gefühlen nicht befreien.
---------Ende der Vergangenheit------------

Als ich wieder zu mir kam, blickte ich zuerst an eine weiße trostlose Decke.
Schweißperlen rannten an meinem Kinn hinab und tropften auf die Bettdecke. Mein Herzschlag hatte sich wegen dem Traum verschnellert, weshalb ich eine Weile einfach nur dalag und mich beruhigte. Während die Zeit um mich herum verging, kamen mir die vergangenen Ereignisse wieder in den Sinn.

Sofort saß ich aufrecht und sah mich um. Ich befand mich in einem großen Zimmer, welches in dunklen Rottönen
gehalten wurde. Es befand sich nicht viel in diesem. Nur ein großes Himmelsbett, in dem ich mich befand, ein kleiner Tisch in der Mitte des Raumes, auf dem neue Anziehsachen lagen, und ein hölzernen Schrank, der an der Wand seinen Platz fand.

Doch augenblicklich kam mir die neue  Kleidung wieder in den Sinn. Sofort zog ich die Bettdecke weg und betrachtete meinen nackten Körper. Ich lief rot an. Halb vor Scham und halb vor Wut.

Man hatte mich allen ernstes entkleidet?!

Es dauerte nicht lange da stand ich auf, eilte zum Tischchen, schnappte mir die Klamotten und zog mich an. Erleichtert und frisch gekleidet, stand ich nun vor der Tür. Leider war sie verschlossen, was mich aber nicht groß wunderte.

Wer lässt seinen Gefangenen schon frei herumlaufen?

Eine Flucht war schon einmal aussichtslos.

Von den Fenstern gab es nur wenige und die, die es gab wurden von Gitterstäben geziert und zeigten nur den Ausblick auf das Meer.

Irritiert sah ich den Wellen dabei zu, wie sie unten gegen  die Felsen schlugen und in alle Richtungen zersprangen.

Wie weit war ich denn bitteschön von meinem Zuhause entfernt? Und wo zur Hölle bin ich gelandet?

Da mein Zimmer jede erdenkliche Fluchtmöglicheit ausschloss, ging ich wieder zum Bett und setzte mich einfach hin. Mein Blick schweifte durch das Zimmer und blieb an einem Spiegel hängen. Erst dann erkannte ich es. ,,Was ist das?", fragte ich geschockt.

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