SECRET ∞ his point of view.

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„Man, wieso müssen Männer immer Raufbolde sein", fluchte ich und kramte nach dem kleinen Erste Hilfe-Koffer, der sich unter meinem Hotelbett befand. Aus dem Badezimmer drang nur Gelächter, das ich einfach ignorierte und kniete mich vor das Bett, um nach dem Koffer zu greifen.

Wer hätte auch gedacht, dass Carlos Matthew Kung Fu konnte. Er hatte nämlich vorhin Niall filmreif ein blaues Auge verpasst. In diesem Moment fragte ich mich wirklich, ob Niall sich absichtlich schlagen hatte lassen, damit sein Opfer entkommen konnte oder er einfach nicht richtig aufgepasst hatte.

Ich schleppte den Koffer ins Badezimmer. Auf dem Badewannenrand hockte Niall und hielt sich sein blaues Auge. Seine Knöchel an der linken Hand waren von seinem Kinnhaken, den er Carlos im Aufzug verpasst hatte, aufgeplatzt. Wenn man ihn sah, dachte man wahrscheinlich auf den ersten Blick, er hätte eine schreckliche Prügelei hinter sich. Ich hatte es im ersten Moment auch gedacht, aber als Niall schließlich damit rausgerückt ist, dass das alles Carlos war, war ich in lautes Gelächter ausgebrochen.

Leandro hatte nur den Kopf geschüttelt und sich dann für die Nachtruhe aus dem Staub gemacht.

In der Zeit, in der die beiden mit ihrem Opfer beschäftigt gewesen waren, war ich wieder zurück zum Zimmer gegangen um mich für's Bett fertig zu machen und ich war auch schon am Wegdämmern, als Niall gekommen ist.

Ein Kissen an den Kopf hatte ihm am leider nicht wehgetan.

Aus dem Erste Hilfe-Koffer kramte ich ein Desinfektionsspray hervor und sprühte es erst auf die aufgeplatzten Knöchel und dann auf die Risswunde über seinem blauen Auge: „Ich verstehe das echt nicht. Ist das irgendwie ein Motto bei euch?"

„Nein, eigentlich nicht. Ich hatte ja auch nicht geahnt, dass der Typ Kung Fu kann."

Als ich das Spray auf seine Risswunde über dem Auge sprühte, biss er sich auf die Zunge. Ich zog amüsiert eine Augenbraue hoch: „Na, brennt es schön?" – „Haha, sehr witzig", entgegnete er. „Kriege du mal eine Kugel unter deine Leber, dann hast du auch was zu Lachen."

„Unter deine Leber? Was hast du angestellt? Dich wieder als Entführer ausgegeben?"

Er antwortete nicht darauf, also bewegte ich mich mal wieder auf gefährlich dünnem Eis. Ich hasste es, nicht zu wissen, wie weit ich bei einer Unterhaltung gehen durfte und wann es brenzlig für mich wurde.

Ich holte den Verband aus dem Kasten und wickelte ihn um seine Hand. Beim näheren Betrachten fielen mir noch ein paar weitere Narben an seinen Knöcheln auf. Interessiert hob ich eine Augenbraue hoch: „Woher kommen die denn?"

„Ich mache Kickboxen. Oder habe es zumindest gemacht-"

„Bevor du mit all dem hier angefangen hast?", vollendete ich seinen Satz und er nickte. „Ja. Man kriegt halt davon Narben. Ist nichts Schlimmes. Irgendwo muss man ja seine Aggressionen rauslassen. Außerdem sind Narben ein Zeichen von Weisheit."

„Oh ja, nämlich dass du von manchen Sachen die Finger lassen solltest." Ich schnitt mit der Schere den verbleibenden Verband ab und legte ihn wieder in den Koffer. Ohne ein Wort nahm ich ihm das Kühlpack vom Auge und sah es mir an. „Man, der hat aber zugeschlagen."

„Wahrscheinlich seine Rache wegen meinem Kinnhaken, dem ich ihm verpasst habe."

„Ich sagte ja, ihr Männer seid Raufbolde."

Niall lachte kurz auf  und für einen kurzen Moment hatte ich geglaubt zu sehen, dass sich das trübe Blau seiner Augen kurz verflüchtigt hatte und strahlendes Blau es ersetzt hatte. Doch kaum hatte er aufgehört zu lachen, war das trübe Blau wieder da. Irgendwie fand ich es Schade, denn an sich waren blaue Augen die schönsten Augen, die ich jemals gesehen hatte.

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