Meine Hände zitterten wie sonst etwas, als ich mit der Pistole auf die Cola-Dosa zielte, die ein paar Meter von mir entfernt auf einem Baumstamm thronte. Leandro, der hinter mir auf der Haube des Wagens saß und genüsslich seine Cola trank, grinste amüsiert.
„Lieber Herr im Himmel, du zitterst ja, als wären wir in der Antartkis. Du musst doch nur auf die Cola-Dose schießen und auf keinen Menschen", sagte Niall neben mir, der kopfschüttelnd neben mir stand.
„Danke für die Aufmunterung", gab ich gereizt zurück.
Ich hasste Waffen und hätte in meinem Leben niemals damit gerechnet, dass ich irgendwann eine in der Hand halten würde. Selbst wenn das Opfer nur eine dämliche Cola-Dose war, so wollte ich dieses Ding in meinen Händen am liebsten fünf tausend Meilen von mir entfernt haben.
Und ja, irgendwie war mir kalt, obwohl wir mitten in einer Wüste und 50 Meilen entfernt von Las Vegas, der Stadt der Sünde waren.
„Muss ich das wirklich machen? Du bist doch immer der, der die Waffe hat, also bin ich doch überflüssig!", versuchte ich mich rauszureden, aber Niall schüttelte erneut den Kopf: „Jetzt mach'. Es ist weniger schlimm als es aussieht."
Ich nahm tief Luft und drückte ab – ein lauter Knall ertönte, der mich zusammenzucken ließ. Jedoch hatte ich nicht die Cola-Dose getroffen, sondern geradewegs in den Stamm, auf der sie stand. Leandro fing an zu lachen und ich warf ihm einen bösen Blick zu, der ihn trotzdem nicht dazu veranlasste, aufzuhören.
Niall schmunzelte: „Naja. Immerhin hast du den Baumstamm getroffen und nicht die Cola-Dose." Und dann fing er ebenfalls an zu lachen.
Meine Reaktion war nur ein ärgerliches Schnauben.
Ich konnte doch nichts dafür, dass ich in meinem bisherigen Leben noch nie mit einer Waffe geschossen hatte.
Mich dafür also auszulachen, war nicht faire.
Ich hob die Waffe erneut und zielte erneut auf die Dose. Doch Niall hielt die Hand vor die Waffe und hinderte mich daran, abzudrücken. Er schob seine Sonnebrille von der Nase und umgriff mit einer Hand meinen rechten Arm: „Als erstes sorgst du dafür, dass du hier nicht so zitterst. Dann kannst du auch in Ruhe besser zielen."
Aber sie hörten sich auf zu zittern, egal wie sehr ich mich bemühte.
Niall seufzte erneut und stellte sich hinter mich, dabei griff er von hinten meine Arme und hinderte sie daran, weiter zu zittern. Ich spürte seinen Atem auf meiner Wange, als er sprach: „Und vergiss nicht die Spannung, bevor du schießt. Mit Armen wie Pudding kann man nichts anfangen."
Ich schluckte den Kloß hinunter und ignorierte mein wild pochendes Herz. Dann drückte ich erneut ab. Wie beim ersten Mal zuckte ich zusammen, als der laute Knall ertönte. Ich hatte immer noch nicht die Dose getroffen, dafür aber den Teil des Baumstammes direkt zwei Zentimeter daneben.
„Nicht schlecht", ließ Niall verlauten. „Und noch einmal."
„Noch einmal? Reicht das nicht-"
„Komm schon, Raven, sei kein Angsthase. Stell' dir vor, als wäre die 9-Milliemter in deinen Händen keine richtige Waffe, die Leute töten kann, sondern einfach eine Wasserpistole und nichts weiter." Er sagte es so nüchtern ernst, dass ich ein wenig Angst bekam.
Leandro war auf Niall's Seite, und so kam es dazu, dass ich erneut schießen musste.
Ganze sieben Mal musste ich schießen, bis ich die Cola-Dose getroffen hatte und die Waffe endlich aus meiner Hand geben konnte. Meine Erleichterung zeichnete sich überdeutlich auf meinem Gesicht ab, Leandro grinste mich an und warf mir einen Energieriegel zu.
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Kind Of Secrets #SpringAwards
Hayran Kurgu„Du kannst zwei Dinge nicht gleichzeitig haben, denn dein Sturkopf und dein Egoismus hindern dich daran - du musst dich entscheiden, was du haben willst." Die Welt, in der ich lebte, war eine andere. Dunkel, bedrohlich, heimtückisch und voller Gefah...