- NIALL -
Das Haus, in dem mein kleiner Bruder gezwungen war zu leben, gehörte meiner verdammten Tante. Jetzt wurde mir auch klar, weshalb sie nur George genommen hat und mich weiter in diesem Scheiß von Kinderheim verrotten ließ. Tante Beth hasste mich wie die Pest, das hatte schon immer getan. Jetzt hatte sie mir meinen kleinen Bruder genommen. Wenn sie dachte, sie könnte mich damit zum Schweigen bringen, hatte sie sich gewaltig getäuscht.
Es war kurz nach Mitternacht, die Nacht dunkel und die Straße still.
Ich saß auf dem Motorrad, welches ich dem Nachtwächter des Kinderheims geklaut hatte. Ich sah sein geschocktes Gesicht immer noch vor mir, den Mund aufgeklappt und der Körper starr vor Schock. Es war nicht sonderlich schwer gewesen, die Schlüssel aus dem Office zu holen. Wenn man die Zeiten kannte, in denen sich niemand in diesem Raum befand, war alles ein Kinderspiel.
Das Haus meiner Tante war ohne Licht, also schliefen alle.
Entschlossen zog ich die Kapuze meiner Jacke hoch und machte mich auf dem Weg zur Gartentür auf der Rückseite des Hauses. Aus der Jackentasche kramte ich eine Haarnadel hervor, die ich einem Mädchen beim Abendessen entwendet hatte.
Es dauerte nicht lange, bis ich das Schloss geknackt hatte und die Tür nach innen aufging.
Für manche Dinge war Leo doch für etwas zu gebrauchen.
Ich ließ die Haarnadel wieder in meiner Jackentasche verschwinden und betrat mit leisen Schritten das Wohnzimmer. Spielsachen waren auf dem ganzen Boden verteilt. Ich musste zwei Mal hinschauen um zu realisieren, dass Tante Beth meine Spielsachen von zuhause mit hierhergenommen hatte, damit George mit ihnen spielen konnte.
Wütend presste ich die Lippen aufeinander und steuerte auf die Treppe zu. Die Stufen fingen an zu knarzen, als ich eine nach der anderen hochstieg. Der Flur war dunkel, ich hatte Mühe irgendetwas zu erkennen. Die Tür zum Bad stand offen, die Tür auf der anderen Seite nur einen kleinen Spalt.
In der Dunkelheit erkannte ich Tante Beth, schlafend in ihrem Bett.
Ich ging mit leisen Schritten weiter zur nächsten Tür. Auch diese stand einen kleinen Spalt offen.
Es war ein Kinderzimmer.
George lag in seinem Bett und schlief friedlich. Hoffentlich würde er nicht zu viel Krach von sich geben, wenn ich ihn aufweckte und mitteilte, dass wir jetzt woanders hingehen würden, wo uns nur einer kannte und sonst niemand.
Leise schloss ich die Tür hinter mir und zog die Kapuze vom Kopf.
Vor seinem Bett ging ich in die Hocke. Seine blonde Haarpracht stand in allen Richtungen ab. In seinen Armen hielt er eine Kuscheltier, eine Giraffe. Jene, die ich als kleiner Junge hatte, wenn ich nachts im Bett lag und nicht schlafen konnte. Anscheinend war Tante Beth zu geizig um meinem kleinen Bruder eigene Kuscheltiere oder Spielsachen zu kaufen.
Selbst mein The Beatles-Poster hatte sie mir entwendet.
Es war wirklich Zeit von hier zu verschwinden.
Mit einer Hand rüttelte ich leicht an Georges Schulter: „George, wach auf." Ein leises Murren kam von ihm, dann öffnete er die Augen und sah mich mit müden Augen an: „Niall?", seine Stimme war nur ein Flüstern. Ich nickte mit einem kleinen Lächeln: „Ja, Kumpel, ich bin's."
„Was machst du hier?"
„Wir machen einen kleinen Trip zu einem guten Freund, wie wär's?"
„Kommt Tante Beth auch mit?"
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Kind Of Secrets #SpringAwards
Fanfiction„Du kannst zwei Dinge nicht gleichzeitig haben, denn dein Sturkopf und dein Egoismus hindern dich daran - du musst dich entscheiden, was du haben willst." Die Welt, in der ich lebte, war eine andere. Dunkel, bedrohlich, heimtückisch und voller Gefah...