SECRET - feelings.

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- NIALL -

Die Luft war angenehm frisch, die Vögel trällerten ihr Morgenlied und flogen durch das noch verschlafene Dorf. Mir machte die Kühle nichts aus, ich war schon niedrigere Temperaturen gewöhnt als diese, die hier an diesem Ort herrschten. Dennoch war mein Körper von einer Gänsehaut überzogen.

Ich blickte über meine Schulter. Raven schlief noch seelenruhig. Ihr Haar hatte sich auf dem gesamten Kissen verteilt und für unsere Verhältnisse hatte sie seit ihrem letzten Alptraum keinen erneuten erleben müssen.

Diese Tatsache lag mehr oder weniger an mir.

Ich hatte letzte Nacht noch wach gelegen, an die Decke gestarrt und gegrübelt über das, was zwischen uns passiert war – etwas, was ich ausgelöst hatte, weil ich mich nicht mehr zurückhalten konnte. Ihre Schreie hallten in den Flur bis zu dem Zimmer, welches ich in Beschlag genommen hatte. Sofort war ich aufgesprungen und zu ihr gerannt, um sie aufzuwecken – und dann war es passiert.

Raven hatte den ersten Schritt getan. Ich hatte mich einfach nur fallen gelassen.

Es war lange her, seit ich jemanden geliebt hatte.

In meiner Branche war es nie einfach gewesen jemanden zu finden, dem man schonungslos vertrauen konnte und der nicht jemanden vorgab zu sein, der man nicht war. Lange hatte es keine Frau gegeben, die diese Bedingungen erfüllt hatte. Neben den belanglosen One-Night-Stands, die ich im Laufe meines Lebens gehabt hatte, war da nur Jess gewesen, die immer für mich dagewesen war, ohne dass ich es bemerkt hatte.

Wenn es der Zufall so wollte, mussten wir Aufträge zusammen erledigen, in den verschiedenen Teilen der Welt. Mal war es Afghanistan, Deutschland, Russland oder Mexiko. Irgendwie hatte wir uns immer gefunden, hatten – wenn es die Zeit zuließ – stundenlang über normale Dinge geredet. Die ganze Zeit über hatte sie von meinen Nachforschungen gewusst, doch hatte sie diese mit keiner Silbe erwähnt noch mich bei der Chefetage verpetzt.

Sie war die einzige Freundin gewesen, die ich im Kampf gegen die Ungerechtigkeit hatte – und irgendwann wurde daraus mehr.

Einen Abend vor ihrem Tod hatte sie mir einen unerwarteten Besuch abgestattet und mir ein Versprechen gegeben, das sie nicht einhalten konnte: „Wenn diese Scheiße vorbei ist, dann verspreche ich dir, werden wir die CIA an den Nagel hängen, abhauen und ein normales Leben führen, wie wir es uns schon immer erträumt hatten."

Am nächsten Morgen war sie tot in einer Mülltonne in einer Seitengasse aufgefunden worden.

Seitdem hatte ich viele Dinge getan, auf die ich nicht stolz gewesen war. Aus Wut hatte ich in der CIA-Zentrale in Washington eine Schießerei angefangen, mich von Ravens Cousin Dave Carter, diesem verdammten Mistkerl, anschießen lassen und habe mich in den waghalsigen Auftrag gestürzt die Ursache für den Anschlag von vor zehn Jahren herauszufinden, Jess' Tod und den meiner Eltern zu rächen.

Doch immer mehr und mehr wurde mir schleichend bewusst, dass jemand in der CIA dafür verantwortlich sein musste. Mir fehlte nur noch der bestätigende Beweis.

Raven ... war ein Zufall.

Als ich mich in die Schmugglerbande eingeschleust hatte, um an genauere Informationen zu gelangen, hätte ich niemals ahnen können, dass die Tochter eines Senators mit in diese Sache hineingezogen werden würde.

Ihre ständige Fragerei und Neugier hatte mich zu Anfang rasend gemacht. Sie hatte mich von dem abgelenkt, was ich hinter mich bringen wollte. Ich wollte sie schon loswerden, bevor wir in Detroit angekommen waren, doch ein Teil von mir wollte sie nicht ihrem Schicksal überlassen. Die Jungs von Brian, wie er sich selber schimpfte, wären wieder zurückgekommen und Diaz hatte mich höchstwahrscheinlich verpfiffen, diese Memme.

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