SECRET ∞ first contact.

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- NIALL -

Es war drei Uhr nachts, als ich ein Geräusch vernahm, welches mich aus dem Schlaf riss. Beinahe hörte es sich so an, als würde ein Kind schreien. Mein Oberkörper schnellte nach oben, als ich begriff, dass tatsächlich ein Kind schrie. Mit einer unfassbaren Geschwindigkeit war ich aus dem Bett gesprungen und rannte, als wäre der Teufel persönlich hinter mir her, zu Georges Zimmer.

Zu meinem Glück hatte er nur einen schrecklichen Alptraum. Niemand wollte ihn entführen oder gar umbringen. Nicht dass Alpträume gut waren. Aber in diesem Moment sackte mein Herz vor Erleichterung bis in meine Beine.

„George", sprach ich und rüttelte an seiner Schulter. Mein kleiner Bruder schreckte aus dem Schlaf und starrte mich mit großen, vor Schreck aufgerissenen Augen an. Tränen liefen an seiner Wange hinunter. „Hey, wieso weinst du denn?" Ich nahm ihn in den Arm und hörte das gedämpfte Schluchzen meines Bruders.

Er antwortete mir nicht direkt, aber das musste er auch nicht.

Kurz darauf erschien James mit einem Baseballschläger in der Tür. Vermutlich hatte er auch dasselbe gedacht wie ich. Er atmete erleichtert aus: „Meine Güte, jagt mir das nächste Mal nicht so eine Angst ein. Sonst bekomme ich noch einen Herzinfarkt und darauf bin ich nicht sonderlich erpicht, klar soweit?"

Ich nickte stumm und strich mit der einen Hand beruhigend über Georges Rücken.

James bedachte uns noch mit einem väterlichen Blick, sah, dass ich alles unter Kontrolle hatte, und machte sich dann wieder Richtung Schlafzimmer auf.

Georges Schluchzen verstummte irgendwann. Seine Augen waren rot angeschwollen und seine Wangen durchnässt. „Komm, ich mach' dir einen Kakao. Dann geht es dir wieder besser", meinte ich, worauf er nur stumm nickte. Ich trug ihn sogar nach unten, denn schließlich war ich ein guter großer Bruder. Ich setzte ihn auf einen der Barhocker ab und machte mich daran, einen Kakao für ihn zu machen.

Mit einem Blick nach draußen stellte ich fest, dass es schneite. Dicke Flocken fielen vom dunklen Himmel herab und hatten bereits jegliche Grünflächen verschluckt. Dass es hier schneite, war für November nicht ungewöhnlich.

„Niall, ich habe Angst", ich drehte mich um und sah in das Gesicht meines kleinen Bruders: „Wieso das denn?" George zupfte an dem Ärmel seines blauen Pyjamas, doch eine Antwort auf meine Frage geben tat er nicht, was mich für einen kurzen Moment stutzig machte.

Die Tasse Kakao dampfte fröhlich vor sich hin und ich musste sie mit einem Lappen nehmen, damit ich mir nicht die Finger verbrannte. George schien dagegen nicht wirklich empfindlich zu sein, er nahm einfach die Tasse und trank einen Schluck.

„Also, willst du mir erzählen, wieso du Angst hast?"

Mein Bruder starrte auf den Inhalt der Tasse. Es sah nicht wirklich danach aus, als hätte er mich gehört oder wollte einfach nicht antworten. Er besaß denselben Sturkopf wie Mom. Und den hatte ich als kleiner Junge gelernt zu hassen.

„George-"

„Ich habe gehört, wie die Nachrichtenmänner über diese beiden toten Männer geredet haben", kam es leise von ihm und ich hielt inne. Ich hatte die Morde an Leo und dem mysteriösen Mann beinahe vergessen gehabt, genauso wie die Angst, die mich einst lange geplagt hatte. Aber die Morde waren bereits ein halbes Jahr her und kein Schwein interessierte sich mehr dafür. „George, das ist doch schon alles vergessen. Wieso hast du noch solche Angst davor?", erwiderte ich.

„Weil einer davon hier gestorben ist und der andere nicht weit entfernt."

Wo er Recht hatte, hatte er Recht.

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