-RAVEN-
Wie in Zeitlupe gaben die Pfeiler des Gebäudes nach und ließen es einstürzen. Ich konnte mich nicht bewegen, konnte nicht atmen, mein Herz setzte einen Schlag aus. Unbemerkt hatte ich die Luft angehalten. Es gab einen gewaltigen Rums und schließlich war alles still, nur der Staub rieselte langsam auf uns nieder.
Ich vernahm Leandros Stimme hinter mir: „Scheiße", doch nur in weiter Ferne. Als würde ich alles ausblenden, kam ich wieder auf die Beine und lief zu dem Trümmerfeld. „Verdammt, Raven!" Auf Leandro hörte ich nicht. Ich hörte nur mein eigenes Herz, das mir beinahe drohte aus der Brust zu springen.
Der Eingang zur Tiefgarage war verschüttet, aber das musste nichts bedeuten. Er musste noch leben, er konnte nicht tot sein.
„Raven", Leandro tauchte hinter mir auf.
Ich stieg über einige Trümmerteile hinweg und bahnte mir einen Weg ins Zentrum des zerstörten Gebäudes, um vielleicht zu einem Loch zu kommen, durch das ich nach unten klettern konnte. In weiter Ferne hörte ich die Sirenen von Feuerwehr-, Polizei- und Krankenwagen. Einige Schaulustige hatten sich bereits versammelt.
Der Unfallort wurde voller und bald kamen die ersten Krankenwagen. Sanitäter sprangen heraus, zusammen mit einzelnen Feuerwehrmännern. Leandro versuchte mich am Arm zurückzuhalten: „Raven, lass sie das Gebiet durchkämmen. Sie werden ihn finden." Ich wollte Leandro glauben, aber das konnte ich nicht. Ich musste ihn selber finden.
„Hilfst du mir oder hilfst du mir nicht?", erwiderte ich trocken und als er nicht reagierte, da drehte ich ihm den Rücken zu und bahnte mir weiter einen Weg durch die Trümmer. Bei jedem Brocken, auf den ich trat, musste ich aufpassen nicht wegzurutschen. Als ich im Zentrum des umgestürzten Gebäudes stand, drehte ich mich um meine eigene Achse, um vielleicht ein Loch zu entdecken, dass mich runter in die Tiefgarage brachte.
Und dann sah ich eins, klein und unauffällig. Von der Größe her passte ich noch ebenso rein.
„Pass auf dich auf", sprach Leandro und ein Nicken war meine Antwort.
Vorsichtig stieg ich durch das Loch und versuchte mir nicht irgendetwas zu brechen. Ich konnte die Hand vor Augen nicht sehen, so dunkel und staubig war es. „Niall?", ich hustete den Staub aus meinen Lungen und kletterte über einen umgestürzten Pfeiler. „Niall?"
Ich bekam keine Antwort, sondern sah nur blutverschmierte Leichen, die von Trümmerteilen begraben worden waren. Darunter befand sich auch James Ross. Sein Kopf wurde von einem Auto zerdrückt. Übelkeit stieg in mir auf und ich musste wirklich den Drang zurückhalten zu reihern.
Am Rande hörte ich jemanden qualvoll aufstöhnen. Alles, was ich sehen konnte, war eine Hand, die sich langsam bewegte. „Niall?", rief ich wieder und bahnte mich durch die Trümmer in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Ein Pfeiler versperrte mir den Weg. Es war unmöglich an die Person ranzukommen.
„Niall?"
Ein schmerzendes Keuchen war erst zu hören, dann hörte ich eine leise Stimme: „R-Raven." – „Niall, ich hol dich hier raus! Halt nur noch ein paar Minuten durch!" Meine Augen scannten die verschüttete Garage nach etwas ab, das mir helfen konnte, den umgestürzten Pfeiler zumindest soweit zu zerstören, damit ich Niall rausholen konnte.
Das Beste war ein abgebrochener Seitenspiegel, den ich in die Hand nahm und den Pfeiler damit bearbeitete. Staub und kleine Brocken des Pfeilers flogen in aller Richtung. Ich musste mein Gesicht wegdrehen, damit ich mir keine weiteren Kratzer im Gesicht holte. Vielleicht hätte das auch keinen Unterschied mehr zu meinen restlichen Verletzungen gemacht.
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Kind Of Secrets #SpringAwards
Fanfiction„Du kannst zwei Dinge nicht gleichzeitig haben, denn dein Sturkopf und dein Egoismus hindern dich daran - du musst dich entscheiden, was du haben willst." Die Welt, in der ich lebte, war eine andere. Dunkel, bedrohlich, heimtückisch und voller Gefah...