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Corey gähnte herzhaft und nahm eine Hand vor den Mund. Seit einer Stunde sind sie nun wieder unterwegs, nachdem Alex aufgewacht war und ihnen so einiges interessantes erzählt hatte. Trotzdem schien er immer noch neben der Spur zu sein, weshalb sie nicht von seiner Seite wich und gelegentlich hakte sie sich bei ihm unter. ,,Das hat er gesagt?" ,fragte Lee verwirrt und runzelte die Stirn. ,,Ja." ,murmelte Alex leise. ,,Der Scharlatan sagte: 'Wir haben schon eine Auserwählte getötet, dann wird es nicht so schwer sein die zweite ebenfalls zu töten. Wir alle werden es verhindern.'." Er atmete laut aus. ,,Aber was meint sie mit 'Wir alle werden es verhindern'? Das ergibt für mich keinen Sinn." Lee hörte ihm zu, schüttelte aber schnell den Kopf. ,,Wir alle werden es verhindern. Sie sagte 'Wir' und du hast uns noch erklärt, dass er die Höllenpferde, die Verrückten, die Scharlatane und die Schatten der verfluchten Seelen meinte." Er sah abwechselnd von Alex zu Corey. ,,Sie tun sich zusammen, damit sie verhindern können, dass Corey nicht zum Orakel gelangt und herausfindet, wie sie die Verfluchten retten kann." Er schlug sich gegen die Stirn, als wäre ihm was plötzliches eingefallen. ,,Wenn du uns rettest, Corey, dann werden nicht nur die Verfluchten wieder normal, sondern die Schatten verschwinden." Corey Miene hellte sich auf, als sie verstand. ,,Dass heißt, sie wollen weiter leben und werden kein Halt machen, ehe sie das Land unter Kontrolle gebracht haben." ,,Das kann gefährlich werden." ,sagte Alex laut. ,,Nein, das ist gefährlich. Sehr sogar." ,verbesserte er sich und begutachtete mit aufgeregten Blicken seine beiden Freunde. ,,Wir müssen bald am Orakel ankommen. Wer weiß, was noch alles versuchen wird uns aufzuhalten." Lee und Corey stimmten ihn mit einem leichten Nicken zu. Wenn die Schatten, die Verfluchten und sonst noch was, ihren Kontakt zum Orakel wirklich verhindern wollen, dann wäre alles umsonst gewesen. Corey hatte umsonst ihre Mutter verlassen, umsonst eine lange Wanderung durch den Wald unternommen und hätte den Bewohnern umsonst Hoffnung gemacht. Wenn die Scharlatane, die Höllenpferde, die Verfluchten und die Schatten wirklich verhindern, dass Corey das Land rettet, dann werden sie es höchstwahrscheinlich übernehmen wollen. Dabei ist sie sich sicher. ,,Dann müssen wir uns beeilen." Corey strich sich eine störrische Strähne aus dem Gesicht. ,,Ich hoffe du weißt noch wo wir lang müssen?" ,fragte sie mit fester Stimme und warf einen Blick neben sich, wo Alex langlief. Dieser atmete wieder pfeifend aus, kniff verärgert die Augen zusammen und antwortete dann: ,,Natürlich weiß ich wo wir lang müssen." ,,Gut." ,sie lächelte leicht, doch ihre Augen blitzen entschlossen in der Morgendänmerung. ,,Wir werden jetzt zu diesem Orakel wandern und niemand wird uns aufhalten."

,,Seht ihr das?" Alex Stimme durchschnitt die Stille, wie ein heißes Messer die Butter. Sie waren nun schon wieder einige Stunden gewandert und Corey stapfte mit den, von der Müdigkeit schwer gewordenen, Füßen laut durchs Unterholz, dass sie nicht wirklich lange oder ausreichend geschlafen hatte, konnte man gut erkennen. Ihr Helfer deutete auf etwas, dass sich hinter einigen Bäumen versteckte, sodass man nur den oberen Teil erkennen konnte, der felsig und alt aussah. ,,Wir müssten gleich da sein." ,meinte er vorfreudig grinsend und alle drei beschleunigten ihre Schritte, getrieben von der Neugier und der Anspannung vergaß Corey fast sogar, dass sie eigentlich hundemüde war. Sie konnte nicht fassen, dass sie endlich da sind. ,,Alex?" ,fragte Corey und zog ihn leicht an seiner dunklen Jacke. Der soeben Angesprochene drehte seinen Kopf zu ihr um, machte jedoch keinerlei Anstalten stehen zu bleiben. ,,Im Buch meines Vaters habe ich gelesen, dass man ein bestimmtes Gen braucht, um überhaupt einen Fuß in diese Gemeuer setzten zu können, trifft das bei dem Orakel denn auch zu?" Sie runzelte nachdenklich die Stirn, während sie immer Näher kamen, wobei Lee schon fast anfing zu rennen. ,,Oh." ,sagte Alex überrascht, wegen Coreys Vermutung. ,,Das Orakel ist kein altes Gemeuer. Es ist eine Höhle." Und damit brachen sie aus dem Unterholz hervor. Ein riesig großer Höhleneingang erhob sich vor ihnen, das Innere war pechschwarz, man konnte keine Konturen, geschweige denn einen Weg im Innern ausmachen. ,,Das ist es." ,keuchte Lee mit aufgerissenen Augen, sein Brustkorb hob und senkte sich schnell, während er den Eingang musterte. ,,Da sollen wir rein?" ,fragte Corey ungläubig, ihre Hand zeigte in die Höhle hinein. Alex zuckte mit den Schultern und schlenderte los. ,,Natürlich." ,meinte er, als wäre es das normalste der Welt. ,,Niemand kommt dort hinein, da eine unsichtbare Kraft ihn zurückwirft und es einen so unmöglich macht das Innere zu erforschen." ,,Und wie soll ich dann da reinkommen?" ,fragte Corey fassungslos. ,,Wenn das Orakel für Auserwählte bestimmt ist, dann können auch nur Auserwählte dort hinein." Alex befeuchtete seine Lippen mithilfe seiner Zunge, wärend sein Blick immernoch an Corey hang. ,,Wir werden hier auf dich warten." Er zog sie in eine dicke Umarmung, die sie nur halbherzig erwiederte. Was wird passieren, wenn sich herausstellen wird, dass sie ihnen nicht helfen konnte? Ihre Stirn kreuselte sich besorgt, als sie von ihm abließ und sich zu Lee drehte. Auch dieser schlang seine starken Arme um ihren Körper, jedoch so sehr, dass sie kaum Luft bekam. ,,Lee. Luft." ,keuchte Corey und Lee lachte leicht, während er sie von sich gestreckt begutachtete. ,,Allison und ich waren nicht so weit gekommen." ,flüsterte er ihr zu und das Lächeln von eben war verschwunden, als wäre es nie da gewesen. ,,Ich bin froh, dass du und Alex es geschafft habt. Und zweifel nicht an dir selbst. Du bist eine tolle zweite Auserwählte." Sie beide hätten bestimmt eine ganze Weile so gestanden, hätte Alex sich nicht laut geräuspert und wäre zu ihnen rübergestapft. ,,Du solltest jetzt gehen, Corey." Ihr Helfer sah bei diesen Worten jedoch zu Lee und nicht zu Corey, wobei sein Gesicht einen warnenden Ausdruck annahm. Corey fühlte sich auf einen Schlag unwohl und wollte Alex nur noch folgeleisten. ,,Bis nachher." ,rief sie ihnen zu, atmete tief und geräuschvoll ein und ging geradewegs hinein in die Dunkelheit, die sie verschlang.
Corey konnten nicht einmal die Hand vor Augen sehen, während sie weiter hineinlief und sie ärgerte sich, dass sie keine Fackel oder ähnliche Lichtquellen mitgenommen hatte, welche ihr die Suche nach dem Orakel vereinfacht hätten. Ab und zu konnte sie noch ein paar Felsen, die mitten auf dem Weg auftauchten, erkennen, doch sie konnte sich im Moment nur auf ihre fünf Sinne verlassen und lief blind durch die Höhle, die kleiner zu werden schien und nun zu einem Tunnel verlief. Ihr schien es, als wäre eine kleine Ewigkeit vergangen, als sie im Tunnel blindlings mit den Händen an den kalten Wänden tastend, nach einem Ausgang suchte, der sie von der erdrückenden Dunkelheit retten sollte. Ein heller, aber jedoch unscheinbarer Lichtstrahl traf direkt auf ihr Gesicht und blendete sie, neugierig versuchte sie herauszufinden, woher das Licht kam und ertastete sich weiter vor, bis sie endlich ein kleines Loch an der Wand fühlen konnte, dass gerade groß genug für sie war und sie schlüpfte mit Leichtigkeit hindurch. Mit pochenden Herzen blinzelte sie. Der kleine Lichtstrahl war verschwunden und nun konnte Corey auch sehen, wo sie angekommen war. Wenige Meter vor ihr erstreckte sich ein tiefschwarzer Teich, sie konnte nicht einmal bis zum Grund schauen. Über dem Teich, an der Steinwand, waren kleine Zeichnungen eingeritzt. Staunend trat Corey näher, die Zeichnungen zeigten die Bewohner des Dämmerungslandes, manche hatten sich verwebt, andere zeigten die Anzeichen des Fluches vor. Sie umrundete den Teich, streckte die Hand nach der Abbildung aus, hatte schon die Kälte des Steines an den Fingerkuppen gespürt, doch sie wurde aus ihrer Bewegung gerissen, als eine laute Stimme durch die Höhle hallte. Erschrocken wirbelte sie herum, ihre Augen huschten umher und suchten nach den Besitzer der Stimme. ,,Wer spricht dort?" ,fragte Corey mit ebenfalls lauter Stimme und ging rückwärts zurück in die Mitte der Höhle und weg von dem Teich. ,,Die zweite Auserwählte ist nun da." ,rief die Stimme feierlich und Corey vermutete, dass sie männlich sein musste. Statt etwas darauf zu erwiedern, hielt sie den Mund und hörte weiter zu. ,,Wir haben dich schon sehnlichst erwartet." Die Abbildungen an der Wand fingen auf einmal an zu flimmern, schienen aus ihren Formen zu springen und tanzten durch die Luft, ehe sie auf den Boden aufkamen und sich zu einer Lichtseule vereinten. Mit offenen Mund sah Corey zu, wie eine männliche Gestalt aus der Lichtseule trat und sofort stehen blieb. ,,Miss McDiver." Die, förmlich aus Licht bestehende, Gestalt verbeugte sich elegant vor ihr und ihr schien es, als lächelte sie. ,,Was muss ich tun?" ,fragte Corey leise und zögernd trat sie näher heran. ,,Wie kann ich das Land retten?" Die Lichtgestalt schüttelte den Kopf. ,,Das kann ich dir nicht sagen." Er deutete mit einer leuchtenden Hand auf sich. ,,Aber es kann es dir sagen." Seine Hand wanderte zum dunklen Teich. ,,Steig hinein." ,forderte der Mann, doch Corey zögerte unsicher. ,,Wer bist du?" ,murmelte sie stattdessen und begutachtete ihn. ,,Niemand von Bedeutung." ,erklärte der Mann mit leicht erhobenen Armen. ,,Und das tut jetzt auch nichts zur Sache. Wenn du wissen willst, wie du als eine Auserwählten den Verfluchten behilflich sein kannst, ja, sie sogar retten kannst, dann steig hinein und lass deinen Geist gehen." Er schritt immer weiter zum Teich, seine Füße hinterließen weiße Fußspuren auf dem dunklen Boden und Corey konnte nicht anders als ihm zu folgen. ,,Was wird mich erwarten?" Sie wante ihren Blick ab und musterte das Wasser, welchem sie vorsichtig entgegentrat, doch der Mann antwortete nicht auf ihre Frage und als sie sich umdrehte, war die Lichtgestalt weg. Überrascht sah sich sich um, konnte ihn jedoch nicht ausmachen. Seufzend drehte sie sich wieder zum Teich, der gespenstisch ruhig da lag und konnte an der Wand darüber wieder die Abbildungen erkennen. ,,Na dann." ,sagte sie zu sich selbst und lief los. Am Rand des Teiches konnte sie Steinstufen erkennen, welche sie langsam herabstieg. Das Wasser durchdrang ihre Hose, ein kaltes Schaudern durchfuhr sie, doch sie machte weiter, bis sie die Augen schließen musste, sich das Wasser über ihren Kopf schloss und die Dunkelheit sich vollkommen über sie breitete. Und Corey schwebte ins Nichts.

Das Lied der AuserwähltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt