12. Cuevas del Drach

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Der Hafen hat am Morgen was ganz Besonderes an sich. Ich fand diese Stimmung immer so magisch und früher bin ich oft extra früh aufgestanden, damit ich beobachten kann, wie die Fähren auslaufen oder die großen Kreuzfahrtschiffe anlegen. Besonders faszinierend waren für mich damals die gigantischen Containerschiffe mit ihren so winzig wirkenden, bunten Blechbüchsen an Bord. Stundenlang konnte ich auf diesen Mauern sitzen und einfach nur zusehen wie die Giganten ent- und wieder beladen wurden.

Dabei habe ich mir die wildesten Geschichten ausgemalt. Von unglücklich Verliebten, die sich in ihrer Verzweiflung in diesen Blechbüchsen verstecken um endlich zueinander zu finden von Bergen von Spielzeug, das ich gerne hätte.

Nicht nur einmal kam dabei der Wunsch in mir auf, auch auf so einem Schiff zu sein mit dem Ziel Heimat, am besten zu meiner Tante mit der ich die schönsten Erinnerungen in Deutschland verband und die ich seitdem wir hier sind nie wieder gesehen habe. Jenny und sie haben gestritten. Sie würde uns nicht verstehen und wäre neidisch auf uns, war immer die Antwort, wenn ich nach Tante Lisa gefragt habe. Jetzt, so viele Jahre später ist Tante Lisa nur mehr ein Schatten in meiner Erinnerung, ein verschwommenes Bild einer Frau, die mit mir zusammen an einem wackeligen Küchentisch sitzt und mir einen Teller voller Kekse zuschiebt.

„Guten Morgen Träumerin", Lucas Stimme, die plötzlich neben mir auftaucht reißt mich aus meinen Träumereien. Ich war so in meine Gedanken vertieft, dass ich gar nicht gemerkt habe, dass jemand neben mir steht.

„Ich habe dich gar nicht bemerkt, tut mir leid." Ich schwinge meine Füße über die Mauer und stehe auf. Kurz schlage ich mir noch den Staub von meiner Hose.

„Bist du bereit?", fragt er mit verschwörerischem Blick, okay das kann nichts Gutes heißen.

„Kommt darauf an was wir heute vorhaben", ich bin wirklich überrascht wie leicht es mir heute fällt mit Lucas zwanglos zu sprechen und wie wohl ich mich mittlerweile in seiner Nähe fühle. Er steuert auf sein Auto zu, das wiedermal im Parkverbot steht.

„Lass dich überraschen", meint er nur und steigt bei der Fahrerseite ein.

„Und was soll das heißen?", frage ich skeptisch nach als ich mich ebenfalls auf meinen Sitz fallen lasse. So langsam habe ich den Dreh raus, wie ich mich anstellen muss, damit ich nicht wie ein Sack Kartoffeln auf den Sitz plumpse.

„Dass wir heute eine kleine Rundfahrt machen werden. Aber mehr wird noch nicht verraten." Eine Rundfahrt also, na das klingt doch gut, so harmlos. Das erste was Lucas ansteuert ist die Auffahrt zur Autobahn, der wir zirka 20 Minuten folgen und bei Manacor auf die normale Straße wechseln. Von da an dauert es nicht mehr lange bis es bei mir Klick macht.

„Wir fahren nach Porto Cristo, oder?" Ein zustimmendes Nicken ist die einzige Antwort die ich bekomme, denn Lucas ist gerade dabei an einer Kreuzung die Schilder nach dem richtigen Weg abzuscannen.

Porto Cristo ist ein typisches Touristen Städtchen mit nur einem kleinen Sandstreifen direkt an der Durchgangsstraße, die wir gerade Richtung Süden befahren. Nach einigen Minuten taucht noch ein Yachthafen mit einer beidseitig von Felsen geschützten Hafeneinfahrt auf. Ich ahne langsam was wir hier wohl machen werden. Denn auch wenn Porto Christo an sich eigentlich recht unspektakulär ist hat der Ort ein –genaugenommen zwei –Besonderheiten und das sind Höhlen. Wie ich jetzt auch auf einen Schild lesen kann führt uns unser Weg zur Cuevas del Drach, zur Drachenhöhle.

„Wir verbringen den Tag also untertage?", teile ich Lucas meine Erkenntnis mit.

„Nicht den ganzen Tag, nur eineinhalb Stunden. Ich hoffe du warst nicht schon mal dort."

„Nein, aber zu dieser Zeit ist die Höhle ja überrannt von Touristen", aus meiner Stimme ist wenig Begeisterung herauszuhören.

„Ja das ist Teil meines Plans", lächelnd wirft er mir einen kurzen Blick zu und biegt auf einen Parkplatz ein.

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