28. Sag mir was ich tun soll!

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Lucas Zustand verbesserte sich nicht und als ich ihm am nächsten Morgen die Flasche mit unserem letzten Trinkwasser reichte und er Probleme hatte, diese an seinen Mund zu führen wusste ich, dass ich etwas tun musste.

„Ich ruf jetzt einen Krankenwagen"

Lucas verschluckt sich und beginnt zu husten. „Nein!" Ist das etwas Angst in seinen Augen?

Seine Haut ist blass, seine Lippen spröde, unter seinen Augen zeichnen sich tiefe schwarze Schatten ab und man kann in seinem Gesicht erkennen, dass er in den letzten paaren Tagen deutlich an Gewicht verloren hat. Seine Tattoos stehen in einem unnatürlich starken Kontrast zu seiner weißen Haut. Kurz gesagt er sieht schrecklich aus.

„Doch", beharre ich und taste wieder mit meiner Hand nach seiner Stirn. Ist sie sogar noch heißer als gestern? Wieder ein mal verfluche ich mich, dass ich nicht ein simples Fieberthermometer oder zumindest eine kleine Reiseapotheke eingepackt habe, aber als wir Mallorca verlassen haben, war alles so überstürzt und hektisch und danach ging es uns immer blendend.

Tja, offensichtlich war diese kleine Leichtsinnigkeit ein großer Fehler.

Offensichtlich genervt dreht er seinen Kopf unter meiner Hand hinweg.

„Mia, ich bin krank okay, ich hab's jetzt auch kapiert. Aber ein Krankenwagen? Übertreib's doch nicht immer!"

Mache ich das? Übertreiben?

„Lucas, du hast seit Tagen hohes Fieber und Schüttelfrost. Du isst nichts und mit deiner Hautfarbe könntest du locker im nächsten Vampirfilm, den Hauptdarsteller geben, aber dafür müsstest du in der Lage sein aus dem Bett zu kommen, was du offensichtlich nicht bist. Und anstatt, dass es dir langsam mal besser geht, wird dein Zustand immer schlechter", zähle ich auf.

„Mein Zustand also, du tust ja fast schon so, als ob ich im Sterben liegen würde"

Frustriert stöhne ich auf, drehe mich um und wühle in meiner Tasche neben dem Bett nach meinen Shorts und einem Shirt, dass zwar nicht mehr wirklich frisch, aber dafür sauber ist. Lucas bringt mich auf die Palme. Egal was ich mache oder vorschlage, alles ist falsch und am Ende bin ich die überfürsorgliche Glucke, die ihm das Leben schwer macht. Etwas zu energisch schiebe ich die Seitentür des Busses auf und trete in die angenehm frische morgen Luft.

„Irgendwas müssen wir aber machen", rufe ich zurück in den Bus, überkreuze meine Arme und starre in den wild-wuchernden Olivenhain vor unserem Quartier. Eine schwarze Katze schleicht im Morgengrauen lautlos durch das trockene Gras, auf der Suche nach Beute. Wie war das noch mal? Besonders abergläubisch war ich noch nie, aber wenn mir das Schicksal gerade ein Zeichen schicken will, dann heißt das ganz bestimmt nichts Gutes.

„Wer geht denn in's Krankenhaus, bei einer einfachen Grippe?", kommt die gedämpfte Antwort aus dem Bus.

Ja! Vielleicht macht man das nicht, aber es ist immerhin besser als gar nichts zu tun. Diese Tatenlosigkeit, das Zuschauen, bangen, hoffen und warten macht mich wahnsinnig.

„Leute sterben an einer einfachen Grippe, Lucas", sage ich vor mich hin und ich bin mir nicht mal sicher, ob mich der Angesprochene überhaupt gehört hat. Eine kräftige Windböe, peitscht mir entgegen und ein Blick in den Himmel verrät mir, dass heute mein Tag wortwörtlich schwarz werden wird. Dunkle Wolkenmassen werden von kräftigen Winden hin und her geschoben und verschmelzen zu schwarzen Bergen, deren Anblick mir schon reicht und mir läuft ein Schauer, den Rücken runter. Auch das noch.

Ein Gewitter.

Ich hasse Gewitter. Ich habe nichts gegen Regen, überhaupt nicht! Aber der Lärm des Donners, die grellen Blitze, eine solche Menge an Energie, die wie aus dem Nichts entsteht, war mir schon immer Suspekt und jagt mir heute noch eine heiden Angst ein. Alles in mir graut es davor den Gewalten der Natur ausgesetzt zu sein, mit nichts anderem als der dünnen Blechwand dazwischen um uns zu schützen.

SunWo Geschichten leben. Entdecke jetzt