15. Vertrauen und Wahnsinn

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Lucas dreht den Zündschlüssel und das Radio springt mit voller Lautstärke an. Erschrocken zucke ich zusammen. Mit einem entschuldigenden Blick dreht er die Musik leiser, nicht ohne sich kurz hektisch nach dem entsprechenden Knopf dafür umzusehen.

Jetzt habe ich auch das erste Mal heute die Gelegenheit Lucas zu mustern. Sein Blick wirkt in dem sonst so sorglosen Gesicht angespannt, seine Haare sind völlig durcheinander und eine seiner Hände ist immer noch zu einer Faust geballt und schlägt im gleichmäßigen Rhythmus auf seinen Oberschenkel. Gelasse sieht anders aus. Aber ich Gegensatz zu mir sieht er wahrscheinlich völlig normal aus.

Der kurze Blick, den ich im Seitenspiegel auf mich erhasche habe, hat mir gereicht. Die Haare zerzaust, schwarze Streifen vom Mascara die sich über mein Gesicht ziehen, gerötete Augen und eine unnatürlich blasse Gesichtsfarbe. Den Rest will ich mir gar nicht so genau anschauen.

Sachte nimmt Lucas mir den weißen Umschlag aus der Hand und meint mit einem – beeindruckend echt wirkenden – Lächeln: „Wir wollten uns doch die Fotos anschauen."

So wird der Umschlag geöffnet und das erste Bild erscheint vor meinen Augen. Der Eingang der Cueva del Drach, dann Fotos von Tropfsteinen, misslungene Exemplare von Schuhen oder Rücken anderer Touristen und und und. Es sind viele Bilder, sehr viele sogar.

Er stellt keine Fragen, beginnt nicht darüber zu reden, sondern schaut sich einfach mit mir die Erinnerungen von gestern an. Mehr nicht und doch ist es das Beste, was er in diesem Moment hätte tun können.

Statt, dass wir über das sprechen, was gerade hinter der Absperrung abgelaufen ist, reden wir über Bilder und als das Foto von mir mit der Nase voll von Eis kommt schaffen wir es sogar zu lachen. Ich merke schnell, dass auch Lucas an diesem Tag einige Bilder geschossen hat und ab und zu sogar eines von mir. Ich, wie ich auf der Treppe vor Erschöpfung die Hände auf die Knie stütze, um nach Luft zu ringen oder wie ich im Sand sitze, meinen Kopf auf meine Hände abgelegt und in die Ferne blicke. Als das letzte Bild von uns in Augenschein genommen wurde, verstaut er sie wieder im Umschlag und reicht ihn mir.

„Danke", auch wenn er viel mehr als dieses kurze Wort verdient hätte glaube ich zu wissen, wie sehr ihm bewusst ist, wie viel hinter diesem Danke steckt.

„Kein Dingt, sind ja nur ein paar Fotos", winkt er ab, aber es sind so viel mehr als nur Fotos, „Tja, es ist schon ziemlich spät. Ich glaube das wird heute nichts mehr mit dem was zusammen unternehmen." Er deutet auf die Digitalanzeige über dem Radio. 02:25 Uhr. So spät schon.

„Oder hast du vielleicht noch eine Idee was wir machen könnten?"

„Könntest du mich vielleicht einfach zur Wohnung fahren? Ich bin ziemlich müde und möchte einfach nur noch schlafen", antworte ich ehrlich. Mein Körper fühlt sich so an, als ob ich einen Marathon gelaufen wäre und mit dem Verklingen der psychischen Taubheit kommen auch die physischen Schmerzen zurück. Meine Füße, aber vor allem die Haut meiner Unterschenkel brennt wie Feuer. Ich habe stechende Kopfschmerzen und meine Augen fühlen sich unangenehm trocken an. Alles in mir sehnt sich nach einer heißen Dusche, einem sauberen Handtuch und einem weichen Bett mit einer Decke in die ich mich einmummen kann.

Er zögert kurz, dreht dann den Zündschlüssel etwas weiter und das Gefährt beginnt leicht zu vibrieren. Sachte tritt er auf das Gaspedal und will gerade losfahren, als ich ihn aufhalte: „Können wir vielleicht mein Rad mitnehmen." Die nächsten Minuten ist er damit beschäftigt mein Fahrrad in das Auto zu bekommen und als wir schließlich losfahren und der Wohnung Nummer 7 immer näherkommen, bereue ich das ich gesagt habe ich würde gerne zurück. Denn je weniger Abstand zwischen mir Jenny und Tom herrscht desto mehr Fragen und Sorgen tauchen in meinem Kopf auf. Die Fahrt verläuft schweigend und Lucas scheint seinen ganz eigenen Gedanken nachzuhängen. So bleibe ich alleine mit all diesen ungewissen Gedanken in meinem Kopf.

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