Auf den ersten Blick erscheint vieles perfekt. Es ist wunderschön, wie oft sagt man das. Doch perfekt und wunderschön sind beides Adjektiv, die voraussetzten, dass etwas fehlerfrei ist.. es muss ... ja ganz einfach.. es muss wunderschön und perfekt sein. Auf der Fahrt vom Vulkan heruntersehe ich, dass Sizilien alles ist, aber nicht perfekt und schon gar nicht wunderschön. Wo ich vorher von den leuchtenden Plantagen und der vielfältigen Natur geblendet wurde, sehe ich jetzt das umher wuchernde Unkraut zwischen den leerstehenden, teilweise nur halbfertigen Ruinen von Gebäuden die trostlos die Umgebung prägen. Die kleinen Dörfer, durch die wir fahren schreien, laut nach Armut und als wir schon am dritten aufgegebenen Fabrikgelände vorbeifahren, hinter deren Zaun noch vereinzelte halb ausgeschlachtete Maschinen stehen, jagt mir ein kleiner Schauer den Rücken hinunter. Warum hab ich das alles bei der Herfahrt nicht gesehen? Das sind doch dieselben Orte, wie noch vor drei Stunden. Die Perfektion ist nicht verschwunden, sie war einfach nie da. Auf den ersten Blick erscheint vieles perfekt, doch, dass es das nicht ist, merkt man spätestens beim nächsten Hinschauen.
„Könntest du mal bitte kurz nachschauen wie wir jetzt nach Tao....wie hieß das noch mal? Taorina.. nein das was nicht......", Lucas zieht seine Stirn kraus und versucht sich offensichtlich krampfhaft an den Namen der nächsten Station unserer Reise zu erinnern.
„Taormina", helfe ich ihm aus.
„Genau, das war's. Könntest du mal nachschauen wie wir am besten da hinkommen? Die Beschilderung hier ist wirklich katastrophal."
Aus meinem Rucksack, den ich zwischen meinen Füßen verstaut habe, ziehe ich mein, etwas altersschwache, Handy hervor und werde erst mal dran erinnert, dass ich es so bald wie möglich aufladen sollte. Wie eigentlich sonst auch immer arbeitet das Gerät für meinen Geschmack viel zu langsam. Normalerweise ist mir das auch ziemlich egal, wenn der Bildschirm mal stockt, die Tastatur nicht reagiert oder eine Internetseite nicht ladet. Doch heute werde ich gestresst und das hängt nicht mal von mir direkt ab, sondern vom Gedanken in meinem Kopf, dass Lucas jetzt warten muss und ungeduldig werden könnte. Als es sich dann endlich dazu entschließt, seine Arbeit antreten zu können, fliegen meine Finger nur so über den Touchscreen und wenige Momente später habe ich das Gesuchte gefunden.
„Einfach immer grade aus bis zum nächsten Kreisverkehr und da auf die Autobahn Richtung Messina. Bis...warte mal kurz", ich verfolge auf der Karte die mit einem blauen Strich angezeigte Route und muss wieder erst mal warten, bis sie lädt, „... bis zur Ausfahrt Taormina von da ist es noch zirka eine viertel Stunde, steht da.
„Gut, klingt machbar", nickt Lucas, „So ein Navi wäre wirklich das mindeste in einem Leihwagen. Besonders hier."
„Es gibt schlimmeres. Man kann ja immer noch jemanden fragen", zucke ich mit den Schultern und verstaue mein Handy wieder im Rucksack.
„Stimmt auch wieder. Wenn wir früher hier waren, hatten wir immer mit einem Einheimischen unterwegs, da braucht man natürlich keine Hilfsmittel."
Ich horche auf: „Du warst schon mal hier?"
„Nein, also nicht hier hier, in Catania. Ich war aber schon ein paar Mal in Palermo. Ein Studienfreund mein Vater lebt dort und deswegen haben wir ihn oft in den Ferien besucht. Ich fand das als Kinder immer ätzend, wenn wir zweimal in den gleichen Ort gefahren sind. Aber meistens war der Abstecher nach Palermo nur ein Zwischenstopp."
„Dann hast du also schon einiges von der Welt gesehen?"
„Es geht. Ich war in ein paar Hauptstädte in Europa, dann in den USA. New York, DC und so weiter. Wir waren auch ein paar Mal in Dubai, wegen Geschäftsessen, zu denen mein Vater natürlich mit der ganzen Familie aufschlagen musste, um einen auf heile Familie zu spielen, das lieben sie da unten. Einen Winter haben wir in Brasilien verbracht. Aber nichts Spektakuläres sonst. Ich war zum Beispiel noch nie in Asien."
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Sun
Teen FictionDen Abschluss in der Tasche und was jetzt? Vor dieser Frage steht das Erwachsen gewordene Auswanderer-Kind Mia mitten auf der überfüllten Ferieninsel Mallorca. Einen Kellnerjob im Sunny's fürs erste, doch was nach dem Sommer passieren soll, steht in...