Die Wahrheit tut weh

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MAYA

"Gib mir die verdammte Flasche, Dean!", bittet ihn Sam mit ruhiger Stimme. er hat sich noch im Griff aber es ist nur eine Frage der Zeit bis der sonst so gelassene Sam, seine wütende Seite zum Vorschein bringt. Dean's Anblick verursacht mir unfassbaren Schmerz. Ihn so armselig und gebrochen zu sehen, ist die reinste Hölle für mich und ich selbst trage die Schuld für seinen Zustand. Er sieht mich nicht einmal an, so verletzt ist er. Ich stehe an der Schlafzimmertür, traue mich nicht ins Zimmer rein zukommen. Die Tränen hören gar nicht mehr auf mir übers Gesicht zu laufen. Mühevoll halte ich die Luft an, um das Schluchzen zu unterdrücken.

Als Antwort auf Sam's Aufforderung nimmt Dean demonstrativ einen weiteren Schluck aus der Vodkaflasche. Ich schließe meine Augen, um mir sein teuflisches Grinsen nicht ansehen zu müssen. Was tut er sich bloß an? Seinen Kummer in Alkohol zu ertränken ist doch keine Lösung. Es ist nie eine gute Lösung. Plötzlich erinnere ich mich daran, wie mir Dean einmal erzählt hat, dass er früher ein wildes Leben geführt hat, obwohl er eine Freundin zu Hause hatte, war er oft feiern und hat sie vernachlässigt... Unweigerlich kehrt der längst von mir verdrängte Gedanken wieder zurück. Er hat seine schwangere Freundin betrogen. Diese Tatsache habe ich seit ich davon gehört habe, ausgeblendet. Denn Menschen machen Fehler und verdienen immer eine zweite Chance. Zudem bereut er an jedem Tag, seinen großen Fehler. Der Selbsthass, den er empfindet ist furchtbar, kaum vorstellbar und einfach nur entsetzlich.

Sam fasst sich verzweifelt an die Stirn. Er denkt nach... "Weißt du was komisch ist, Sammy?" Dean unterbricht das Schweigen. Trinkt noch einen großen Schluck Vodka und fährt mit einem verschmitzten Lächeln fort. "Alles im Leben kommt zurück. Verstehst du?" Sam blickt seinen Bruder enttäuscht in die Augen. Er schweigt und ignoriert Dean's Aussage."Warum antwortest du mir nicht?", brüllt er und stellt die Flasche mit voller Wucht auf der Kommode ab. Die brennende Flüssigkeit schwappt über. Ich erschrecke mich und gebe einen ängstliche Laut von mir. Dean's Augen sind rot. Die Augenringe tief. Er ist kaum wiederzu erkennen. Mir kommt ein furchtbarer Gedanke als ich mich an die erste Begegnung mit John erinnere. Dean verhält sich genau so wie sein armseliger Vater. Dabei verabscheut er ihn selbst so sehr. Diese Familie ist so zerbrochen. Voller Leid, Schuld und Streitigkeiten.

Zum ersten Mal erlebe ich Sam, zornig. Seine Fäuste sind geballt und die Augenbrauen zusammengezogen. "Sieh dich an, Dean. Du bist genau wie Dad.", spricht er kopfschüttelnd. Diese tiefe Abneigung kann man an Sam's Gesicht ablesen. In dem Augenblick als ich diesen Satz aus Sam's Mund kommen, höre, fällt mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Als hätte Sam meine Gedanken gelesen.

Dean atmet hastig und schaut zu Boden. Er droht zu explodieren und ich bete zu allen Engel dieser Welt, dass Dean die Ruhe bewahrt. So abscheulich Dean sich momentan auch verhält, ich kann es trotzdem kaum ertragen ihn so am Boden zerstört zu sehen. Sam's Worte waren gnadenlos. Dean zu sagen, er sei wie sein Vater ist für ihn das Schlimmste. Mit dieser Enttäuschung gleichgesetzt zu werden zerreißt ihm das Herz und das auch noch ausgerechnet von seinem jüngerem Bruder zu hören bringt das Fass zum überlaufen. Am liebsten würde ich sam einfach wegschicken und Dean trösten. Auch wenn ich wahnsinnige Angst habe mit ihm in diesem Zustand alleine zu sein.

"VERSCHWINDE!", flüstert Dean ausdruckslos, während er sich erneut seine Flasche an den Mund hält. "Ich werde nicht gehen, bevor du mir die verdammte Flasche gibst!", erwidert Sam mit ruhigem Ton. Er bemüht sich so sehr und muss sich echt beherrschen.

"Ich meinte nicht dich." Er blickt zu mir auf. Ich erstarre. Mein Herz zerbricht. "Die Schauspielerin da! Sie soll verschwinden." Er zeigt auf mich. Sein Blick ist leer, ohne jegliches Gefühl. Plötzlich frage ich mich, ob ich mich jemals so miserabel gefühlt habe. Er vertraut mir nicht mehr. Werden wir das hinbekommen? hat unser verkorkste Beziehung noch eine Chance? Kann ich ohne ihn überhaupt noch weiterleben? Nur auf diese letzte Frage habe ich die sichere Antwort: Nein.

Nun mustert auch Sam mich mit gerunzelter Stirn. Er versteht den Zusammenhang des Stichwortes "Schauspielerin" nicht. Wie sollte er auch? Oh verdammt. Dean kann nicht klar denken. Ihm ist wahrscheinlich nicht bewusst, dass wir mit Hilfe seiner verschissenen Aussage auffliegen könnten! Das wäre die reinste Katastrophe. Ich muss versuchen, die Situation in Griff zu bekommen. "Dann werde ich gehen.", sage ich unter Tränen der Verzweiflung und verlasse elendig das Schlafzimmer.

Sam, greift sich meinen Arm als ich an ihm vorbei gehe. "Du bleibst hier. Später kann ich dich nach Hause fahren!", flüstert er mir zu und schenkt mir zum Schluss noch einen mitfühlenden Blick. Ich nicke und gehe weiter, ohne mich nach dem Mann umzudrehen, den ich nicht wiedererkenne. Noch nie habe ich mich in seiner Gegenwart so fremd und unwohl gefühlt. Nicht einmal am Tag unserer ersten Begegnung als ich total nervös war, weil dieser wahnsinns Lehrer sich privat mit mir unterhielt.

Nur Menschen, die man liebt sind in der Lage dich emotional zu zerstören. Das erfahre ich nun am eigenen Leib. Da stehe ich alleine im Wohnzimmer und weiß nicht wohin mit mir, bis ich vor lauter Trauer und Kraftlosigkeit zu Boden sinke und mich meinen Tränen hingebe.


DEAN

Kalter Zorn. Tiefe Trauer. Dunkle Enttäuschung. Warum? Warum zum Teufel hat Maya das getan? Wie verdammt nochmal soll ich damit fertig werden? Diese Wut, die ich ihr gegenüber verspüre löst diesen pochenden Puls in meinen Adern aus, diese schwere Last auf meiner Brust ist brutal und droht mir die Luft abzuschnüren. Ich will alles um mich herum zerstören, nur um meinem eigenem Zorn zu entfliehen. Die Knochen meiner geballten Fäuste drohen meine Haut zu zerfetzten. Der brennende und zugleich doch tröstende Alkohol befriedigt meine Kummer. Er besänftigt mich und errichtet eine Schutzschild, hinter dessen sich meine leblose Seele verstecken kann. Schwach wie ich bin, habe ich mich dem Alkohol hingeben nach fast einem Jahr habe ich den Kampf schon wieder verloren. Ich bin nichts anderes als ein elender Verlierer. Meine Liebe, meine Würde und meine traumhafte Familie habe ich selbstverschuldet verloren. Wäre ich doch nur nicht so ein egoistisches Arschloch gewesen könnte ich jetzt meine wunderschöne Caroline und unseren vollkommenen Sohn in den Armen halten. Stattdessen sitze ich auf dem Boden meines einsamen Schlafzimmer's und umarme die Vodkaflasche, die einzige Komponente, die mir in diesem Moment zur Seite steht. Nicht einmal auf Maya kann ich mich verlassen. Sie hat mich belogen und mein Vertrauen gebrochen. Doch ich habe auch nichts anderes verdient. Karma. Ich weiß so sehr, dass ich Morgen alles bereuen werde. Wenn Maya nicht mehr da sein wird, wie soll ich auch noch diesen kostbaren Verlust ertragen? Der einzige Mensch, der mich nie verurteilt hat, darf mich nicht verlassen. Wie soll ich dann jemals glücklich werden?

Ich habe ihr heute schreckliche Vorwürfe gemacht, ihr Herz mit meinen Worten zum Zerbrechen gebracht und sie von mir weggestoßen. Wenn ich trinke, werde ich aggressiv und kann nicht klar denken. Der aufgestaute und unterdrückte Kummer kommt hoch und löst so ein abscheuliches Verhalten auf. Ich enttäusche somit am meisten die Menschen, die ich liebe. Das war schon immer so. Sam's Worte waren verletzend. Ich erinnere ihn an unseren armseligen Vater? Diese Vorstellung steigert nur die Abscheu mir gegenüber. Die Wahrheit tut weh...

Love Lesson Band 1 (wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt