Eine kleine Träne huschte mir über die Wange. Sie hinterließ eine salzige Spur. Eine salzige Spur, welche Trauer und Dankbarkeit mit sich brachte. Trauer, dass Beccy all' das nicht mehr mitbekam und Dankbarkeit den Jungs gegenüber, dass sie die ganze Zeit über bei mir waren und mir jetzt weiter ihre Hand reichten und mich mit sich nehmen wollten. Sie ließen meine Hand nicht los, sie hielten sie immer noch fest, ließen mich nicht zurück, nahmen mich mit.
„Ich komme morgen noch mal wieder, Beccy. Ich muss jetzt wieder los.", lächelte ich, als einige Minuten vergangen waren und es langsam dunkel wurde.
„Das nächste Mal bringe ich auch die beiden Jungs wieder mit.", ich strich noch einmal über das aus Stein geformte Herz und ging aus meiner Hocke wieder hoch. Meine Knie gaben ein Knacken von sich, was mich kurz schmerzhaft zusammen zucken ließ.
„Mach's gut, meine Süße.", lächelte ich das letzte Mal, bevor ich mich umdrehte und auf dem Kieselweg zurück zum Tor ging, um den Friedhof zu verlassen und das Loft der Jungs wieder
heimzusuchen.„Hallo, jemand da?", rief ich durch den großen Wohnraum, der zeitgleich auch noch als Flur diente und schmiss die Wohnungstür hinter mir zu.
„Bill? Tom?", rief ich. Langsam zog ich meine Jacke aus und lauschte, ob irgendwer mein Rufen erwiderte. Doch alles, was man wahrnahm war die gedämpfte Musik. Deutschrap; konnte also nur aus Toms Zimmer kommen.
„Mh...", brummte ich, schmiss meine Jacke über die Stuhllehne und schnappte mir zwei Tassen Kaffee, ehe ich mich auf den Weg in Toms Zimmer machte.
Als ich vor der Tür stand klopfte ich etwas lauter gegen die Holztür, um gegen die Musik anzukommen. Nach einem zweiten Klopfen wurde die Musik leiser gemacht.
„Ja?", ertönte Toms Stimme. Langsam drückte ich die Türklinge runter und sah in das Zimmer.
„Darf ich rein kommen?", lächelte ich. Er lag auf lang auf dem Bett und starrte an die Decke. Seine Arme hatte er hinter seinem Kopf verschränkt, wobei der eine Arm lang ausgestreckt auf der Matratze lag und eine Fernbedienung in der Hand hielt; ich nahm an, um die Musik lauter oder leiser zu machen.
„Ich hab dir 'n Kaffee mitgebracht.", ich streckte ihm die Tasse hin, woraufhin er sich aufsetzte und seine Hand nach dem heißen Getränk ausstreckte.
„Weißt du wo Bill ist?", fragte ich ihn, als wir schweigend an unserem Getränk nippten und der Musik lauschten.
„Ähm, nee... nicht wirklich. Du... er kommt später irgendwann wieder.", stotterte Tom rum und kratzte sich mit seiner freien Hand verlegen am Hinterkopf. Ich legte meinen Kopf schief, fing dann aber an zu lachen und gab mich mit seiner nicht gerade viel aussagenden Antwort zufrieden.
„Kommst du morgen auch mit zu Anna? Oder bleibst du hier?", wieder brach ich die Stille.
„Ich weiß es noch nicht. Bist du böse, wenn ich es nicht mehr schaffen sollte? Ich wollte noch mal zu Georg und Gustav.", entschuldigend sah der ältere Zwilling mich an.
„Ach quatsch.", winkte ich ab. „Ist doch voll in Ordnung.", beruhigend lächelte ich ihn an.
Wir saßen noch eine Weile in Toms Zimmer und unterhielten uns über belanglose Dinge, als Bill plötzlich im Türrahmen stand; ich sah auf die Uhr – es war zwanzig nach sieben.
„Hey, ihr beiden.", lächelte er, strich sich einmal durch die Haare und ließ sich dann neben mir nieder. „Alles klar bei euch?"
Leicht strich er mir über meinen Arm und drückte mir einen Kuss auf meine Schläfe.
„Ja, klar. Und bei dir? Wie war der Termin?", ich sah ihn lächelnd an und ließ meinen Kopf auf seiner Schulter nieder.
„Joa... ganz gut.", Bills Blick wich von mir zu Tom. Die beiden tauschten kurz Blicke aus und fingen urplötzlich an zu lachen. Verdutzt wich ich von Bills Gesicht zu dem Gesicht seines Bruders.
„Eure fünf Minuten oder wollt ihr mich eventuell doch aufklären?", leicht zog ich meine Augenbrauen zusammen.
„Ich denke, mein Brüderchen wird dich schon früh genug aufklären.", zwinkerte Tom mir zu, was meinen Kopf sofort zur Seite drehen und Bill erwartungsvoll ansehen ließ.
„Zieh dich warm an und komm dann ins Wohnzimmer.", lächelte dieser doch nur. „Und das nicht nur als Metapher aufnehmen; zieh dir wirklich was Warmes an."
Überrascht sah ich noch einmal zu Tom, der mir zunickte. „O-okay.", kicherte ich und verließ das Zimmer, um das zu tun, was Bill mir aufgetragen hatte.
Ich war irgendwie nervös, weil die Zwillinge wieder so taten, als hätten sie mal wieder ein Geheimnis, was sie unbedingt vor mir geheim halten mussten. Und je länger ich darüber nachdachte, was hier gerade vor sich ging, desto einleuchtender wurde mir Toms seltsames Gestotter, als ich ihn gefragt habe, wann sein Bruder wiederkommen würde. Sie hatten was vor mir zu verbergen. Zwar liebte ich es, wenn mich irgendwer überraschte – falls dies überhaupt der Fall war -, doch wenn man es vor mir nicht so verheimlichte, dass ich gar nichts mitbekam, sondern schon einige Vorahnungen hatte, saß ich auf heißen Kohlen und könnte vor Neugierde platzen. Dann war es manchmal kaum mit mir auszuhalten.
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Diagnose Blutkrebs - Dein letzter Wunsch veränderte mein Leben
Fanfic[1. Teil der Diagnose-Trilogie.] - "Es ist mein letzter Wunsch, Lynn. Ich will die Vier einmal treffen, bitte...", hauchte die 11-jährige ihrer großen Schwester entgegen. Meine Schwester war seit 11 Jahren mein Ein und Alles und ich wich ihr nie län...