"Lynn, du musst aufstehen.", ich spürte, wir mir eine warme Hand über die Wange strich und ein zarter Finger eine Haarsträhne aus meinen Augen entfernte.
Langsam öffnete ich die Augen und sah zur Seite, von welcher Bill mich lächelnd ansah. Als ich zu Verstand kam, wurde mir sofort schlecht. Heute war der Tag, an dem ich meine kleine Schwester unter die Erde bringen musste. Heute war der Tag, den ich wohl den schlimmsten Tag in meinem Leben nennen konnte.
In mir zog sich alles zusammen, was mich krampfhaft meine Beine an meinen Körper ziehen ließ und ich mich zusammen gerollt an Bill drückte.
"Ich will das nicht.", hauchte ich und presste meinen Kopf in sein T-Shirt, was kurze Zeit später von den salzigen Tränen aus meinen Augen durchnässt wurde.
"Ich bin bei dir. Ich bin da, wenn du willst.", flüsterte er mir in mein Ohr, als er mir einen Kuss auf meine Haare drückte.
Bill hatte extra seinen privaten Arzt am Vortag zu mir kommen lassen, damit er mir ein paar Beruhigungsmittel geben konnte, damit ich die Nacht überhaupt einschlafen konnte. Doch auch nachdem ich das Mittel eingenommen hatte, merkte ich herzlich wenig davon. Trotzdem lag ich die ganze Nacht wach neben Bill im Bett und starrte an die Decke. Seit ich hier schlief, schlief ich jeden Abend neben Bill ein - alleine hielt ich es nicht aus. Oftmals lag er stundenlang wach und wartete, bis ich endlich eingeschlafen war, damit er die Sicherheit hatte, mich nicht alleine mit meiner Trauer wach liegen zu lassen.
"Kommst du? Geh dich erst einmal duschen. Sag mir bescheid, wenn du fertig bist. Ich föhne dir die Haare und binde sie dir zusammen, okay?", ich nickte, fing mir noch einen Kuss auf meine Stirn von Bill ein und krabbelte dann langsam und gebückt aus dem großen warmen Bett. Als ich stand wurde mir kurz schwarz vor Augen, was mich aufschrecken ließ. Dieser Tag konnte ja nicht anders beginnen.
Als ich die Sachen, die Bill und ich am Abend zuvor schon rausgesucht hatten, unter meinen Arm geklemmt hatte, verschwand ich im Badezimmer, um mich erst einmal unter den warmen Wasserstrahl der Dusche zu stellen und mich ein wenig frisch zu machen.
Ich schäumte meine Haare und seifte meinen Körper ein, während mir unendlich viele Gedanken durch den Kopf gingen. Ich hatte keine Ahnung, wie die Beerdigung aussehen würde, hatte keine Ahnung, was Beccy für einen Sarg hatte, geschweige denn eine Ahnung von dem Gesteck, welches den Sarg auf dem Deckel schmücken sollte. Ich wusste nicht, welche Lieder gespielt wurden, wusste nicht wer alles kommen würde, oder wer der Pastor war.
Als ich bemerkte, dass ich nicht mehr lange auf meinen Beinen stehen konnte, dass ich viel zu schwach, müde und ausgelaugt war, wusch ich mir den restlichen Schaum aus meinen Haaren und von meinem Körper und stieg aus der Dusche, wo ich mich abtrocknete und mir schnell meine schwarzen Klamotten überzog.
"Bill, wenn du magst, kannst du kommen.", versuchte ich daraufhin aus dem Raum durch den Flur hin zum Wohnzimmer zu rufen, doch lediglich ein leises Flüstern verließ meinen Mund. Ich hatte keine andere Kraft oder Motivation, geschweige denn Verlangen, an solch einem Tag lauter zu reden. Es sollte mich keiner hören, wollte so unscheinbar wie möglich sein. Wollte, dass dieser Tag einfach nur vorbei ging.
Ich lehnte die Badezimmertür hinter mir wieder an und ging in kleinen Schritten - was für mich ziemlich ungewohnt war - auf den Klodeckel zu, wo ich mich erschöpft fallen ließ und ich meine Beine zu einem Schneidersitz formte. Ich musste nicht lange warten, da kam Bill auch schon ins Badezimmer.
Auch ihm sah ich an, dass ihm der Tag gehörig in den Knochen lag, ebenso wie die vergangenen Tage, an denen er sich um mich kümmern musste und Vorbereitungen für die Beerdigung traf und alles organisierte. Ich kam mir so schlecht dabei vor, dass ich nicht eine einzige Sache für die Beerdigung meines liebsten gebliebenen Menschen getan hatte.
"Hat es ein wenig gut getan?", fragte Bill leise und strich mir kurz über meine Wange. Ich nickte nur, war wieder nicht fähig irgendetwas anderes von mir zu geben.
"Der Arzt kommt gleich noch mal, ist das okay?", rief Bill gegen das Geräusch des Föhns an.
Ich wusste, dass ich kurz bevor wir losfuhren noch eine Spritze bekam, da ich es anders nicht aushalten würde. Der Arzt hatte es mir lediglich vorgeschlagen, doch ich nahm es dankend an. Ich wusste, dass ich es nicht anders schaffen würde. Ich würde Bill und Tom ohne diese Spritze nur zu sehr zur Last fallen. Sie würden mich nicht mehr beruhigen können, würde mich nicht mehr halten können. Ich würde schreiend zusammen brechen, die Kontrolle verlieren.
Damals bei Mom war es nicht anders. Die Beerdigung über behielt ich mich unter Kontrolle, doch als die Trauergäste - samt Beccy - den Friedhof verließen, brach ich vor dem frischen Grab meiner Mom zusammen. Ich konnte und wollte es nicht wahrhaben, dass sie dort lag. Aber ich war froh, dass ich für Beccy durchgehalten hatte. Ich war froh, dass sie nie wirklich mitbekam, wie es mir wirklich ging. Denn für sie war ich schon immer stark. Für sie hielt ich alles durch!
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Diagnose Blutkrebs - Dein letzter Wunsch veränderte mein Leben
Fanfic[1. Teil der Diagnose-Trilogie.] - "Es ist mein letzter Wunsch, Lynn. Ich will die Vier einmal treffen, bitte...", hauchte die 11-jährige ihrer großen Schwester entgegen. Meine Schwester war seit 11 Jahren mein Ein und Alles und ich wich ihr nie län...