Stilles Verlangen

8.

Jemand klopft an der Tür. Neiiin. Warum jetzt? Warum gerade in diesem Moment? Mr. Gaps betritt den Raum und Chris lässt sofort von mir ab. Neiiiin. Mein Körper schreit förmlich nach seiner Nähe. Dieser bescheurte Gaps, wie kann er nur unseren Kuss stören, naja fast Kuss. So ein Mistkerl. "Wie gesagt, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit", er klingt ziemlich genervt. Chris zuckt nur mit den Schultern, ihm scheint das hier alles nichts auszumachen.

Wir sitzen in einem sehr noblem Café. Mr. Gaps unterhält sich gerade mit meinem Chef über Finanzen. Wahrscheinlich sollte ich sie nur begleiten, damit ich seine Wohnung nicht auf den Kopf stelle oder einfach abhaue.

Naja, jetzt sitze ich hier etwas gelangweilt, mit einem Capuccino in der linken und meinem Handy in der rechten Hand.

Seit gestern Abend habe ich keinen Blick mehr darauf geworfen, 7 Anrufe in Abwesenheit, allesamt von Liz. Ich schreibe ihr eine kurze Nachricht, dass alles okay ist und sie sich keine Sorgen machen muss. 3 ungelesene Nachrichten, eine von Liz: Wo steckst du? Zwei weitere von Liam: Baby, ich will nur dich. Und: Komm zurück zu mir.

Kann er mich denn nicht einfach in Ruhe lassen? Wütend starre ich auf den Display, drücke den Ausschaltknopf und packe es zurück in meine Tasche.

Wieso kapiert er nicht, dass es endgültig aus ist zwischen uns?

"Entschuldigt mich", flüstere ich fast, zupfe mein Kleid zurecht und mache mich auf den Weg zu den Toiletten. Die beiden Männer schauen mir nach, bis ich hinter einer Tür verschwunden bin.

Mein Blick fällt in den Spiegel. Ich sehe älter aus als sonst, das liegt vielleicht daran, dass ich meine Haare zu einem strengem Dutt gebunden habe.

Mein Körper lässt sich an die Wand sinken. Irgendwie sehe ich anders aus als sonst. Haltet mich für verrückt, aber ich wirke glücklicher. Ich weiß nur nicht woran das liegt. Bevor ich wieder zu Mr. Gaps und Chris zurückkehre, trage ich noch ein wenig Schminke auf, man kann ja nie gut genug aussehen oder?

Ich kann kaum glauben, was ich sehe. Geld liegt auf dem Tisch und keine Spur von Gaps und Kingston. Was für eine Scheiße. Sie sind einfach weg ohne ein Wort. Und vor allem ohne mich. Sie haben mich ernsthaft sitzen gelassen. Beleidigt schnappe ich meine Tasche und verlasse wütend das Geschäft. Wie kann er nur? Wie demütigend das ist. Innerlich habe ich gerade einen Arschtritt bekommen. Was für ein Arsch, erst will er nicht das ich gehe, dann will er unbedingt das ich sie begleite und jetzt? Lässt er mich einfach da sitzen, dieser Idiot. Na toll, wie komme ich jetzt nach Hause? Verzweifelt krame ich nach meinem Handy und rufe Liz an. Verdammt, wieso hat sie nur gerade jetzt ihr Handy aus? So ein Mist. Ich setze mich auf die nächstbeste Bank und versuche vergeblich Liz zu erreichen. Aber ihr blödes Handy ist aus.

Die kalte Herbstluft streicht über meinen nackten Rücken. Ich schlinge die Arme um meinen Körper, um mich etwas aufzuwärmen. Leute gehen an mir vorbei, starren mich an und fragen sich wahrscheinlich, warum ich bei so einem Wetter in Kleid und High Heels rumlaufe. Ich ärgere mich ja selbst darüber, was würde ich jetzt für eine warme Jacke geben? So allein gelassen, wie ich mich gerade fühle, habe ich mich noch nie gefühlt. Zumindest ist es sehr lange her. Was bildet sich dieses arrogante Arschloch eigentlich ein? Denkt er, er kann alles mit mir machen? Wenn ja, dann hat er sich eindeutig getäuscht. Ich bin eine Frau mit Stolz und Würde, die Chris allerdings gerade beschmutzt hat. Warum bin ich nicht gleich abgehauen? Warum habe ich mich nur überreden lassen zu bleiben? Ach das bringt doch alles nichts, Clare.

Stimmt, ich will nach Hause. Und das jetzt, bevor ich hier noch in Selbstmitleid versinke. Und ich weiß auch schon ganz genau, wen ich anrufen werde.