17.

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Das unangenehm laute Piepsen meines Weckers reißt mich aus meinen süßen Träumen. Mein Körper will sich nicht rühren und mein Kopf zieht es ebenfalls vor, im Bett zu bleiben , einfach weiter zu schlafen. Für den Rest des Tages. Aber Clare, du musst doch Liam Paris unter die Nase reiben.
Auf diesen Teil des Tages freue ich mich nicht besonders. Klar irgendwie will ich ihn wiedersehen, aber meine News würde ich dabei gerne auslassen. Ich zwinge meinen Körper dazu, langsam aufzustehen. Verschlafen schaue ich in meinen Spiegel. Etwas mehr Schlaf hätte dir schon gut getan, benutz bloß viel Concealer heute. Wie dankbar ich heute dem Menschen bin , der das Make-up für uns Frauen entwickelt hat. Ich trotte ins Bad, beginne mich zu schminken und ja , um meine Augenringe verschwinden zu lassen, benutze ich etwas mehr Concealer als sonst und verblende ihn.
Zufrieden schaue ich mein Werk im Spiegel an, als ich endlich fertig bin. Ja Clare, so kannst du dich aus dem Haus trauen. Ich streiche eine etwas zu lange Haarsträhne, die ich nicht mit in meinen Zopf binden konnte, hinter mein Ohr und beginne mir die Zähne zu putzen.
Auf in den Tag.

Heute genieße ich besonders die Autofahrt zur Arbeit, ich fahre so langsam wie es geht, um noch mehr Zeit für mich heraus zu schlagen. Die Bäume beginnen wieder zu blühen, es wird wieder heller, freundlicher draußen und kleine Vögel fliegen durch die Luft. Es ist ein schönes Schauspiel. Ich mag den Frühling, vor allem weil es dann nicht mehr lange bis zum Sommer dauert. Denn den Sommer, den liebe ich. Ich bin ein totales Sommerkind.

Doch all zu lange hat meine kleine Spritztour auch wieder nicht gedauert und ich muss mich meinem Arbeitstag stellen.
Noch einmal tief durchatmen, Clare. Du packst das ! Mit diesen Worten im Kopf, stolziere ich durch die Eingangstüren. Heute sitzt eine andere Frau am Empfang , diese ist deutlich jünger, vielleicht in meinem Alter. Sie ist wirklich schön.
"Was kann ich für Sie tun?", fragt sie dann etwas streng. Ihre Stimme ist alles andere als nett und freundlich. Anscheinend weiß sie genau, wie schön sie ist. Und anscheinend weiß sie nicht , dass DU hier arbeitest Clare.
"Clare Brown, Mr. Kingston's Sekretärin."
Sie schaut mich etwas verdattert an. Doch sie fängt sich sehr schnell wieder. Ziemlich abwertend blickt sie auf mich herab.
"Ach, sie sind das also." Nun räuspert sie sich leise und legt dabei meine Schlüsselkarte vor mich, " ich habe nicht gedacht, dass Mr. Kingston jede nimmt."
Hat sie das gerade wirklich gesagt ? Ja, das hat sie Clare und das lässt du dir gefälligst nicht gefallen. Ich will wirklich auf meine innere Stimme hören, aber im Moment weiß ich einfach gar nicht, was ich sagen soll und kann.
Aber du musst.
"Sagen Sie mal haben Sie irgendein Problem?"
Wieder guckt die Empfangsdame abschätzend zu mir.
"Momentan sind Sie mein einziges Problem", ihre Stimme ist total kühl.  Das hat sie gerade doch nicht wirklich gesagt, oder? Sie fährt fort. "Ich denke aber, sie werden nicht mehr lange mein Problem sein. Bisher war noch niemand gut genug für Chris und sie sind es ganz bestimmt nicht. Dementsprechend werd ich sie wohl bald los sein. Ihre E-Mail ?"
Ich realisiere noch nicht wirklich, was hier gerade vor sich geht. Sie hat ihn gerade Chris genannt, Clare. Sie kennt ihn also. Ein Räuspern nehme ich war und sie fragt nochmals, " Ihre E-Mail? Ich hab schließlich nicht den ganzen Tag Zeit." Vollkommen verwirrt stehe ich da und ja irgendwie bin ich auch etwas verletzt. Lass es dir nicht anmerken.
Und das tue ich nicht. Ich setze mein schönstes Lächeln auf und frage nur, "Wozu?"
Jetzt fängt sie an zu lachen. Na super, das hat ja toll funktioniert.
"Naja irgendwie muss ich Ihnen ja die Flug- und Hoteldaten zukommen lassen. Für Frankreich. Es sei denn natürlich, sie wollen doch nicht fliegen, das würde ich total verstehen. Ich kann sofort alles stornieren. " Nach ihren letzten Worten zwinkert sie mir böse zu. Was für ein Biest. Du musst die Oberhand über dieses Gespräch gewinnen. Mach sie fertig, Clare.
Ohja und wie ich das muss. Dieses Mal weiß ich, wie ich kontere und sie zum Stillschweigen bringe.
Nun bin ich diejenige, die anfängt zu lachen. "Ach wissen sie, meine E-Mail, die ist doch schon längst bei Ihnen im System vermerkt. Aber ich kann natürlich verstehen, wenn es schwer für sie ist, diese herauszufinden. Ich werde gleich Mr. Kingston Bescheid geben und der wird sie ihnen so schnell es geht zukommen lassen. Am besten gibt er ihnen auch gleich meine Handynummer dazu, damit gehen wir auf Nummer sicher. Das dürfte ja nicht mehr schwer für sie sein dann. Einen wundervollen Arbeitstag wünsche ich Ihnen noch, ich muss dann mal hoch. Mr. Kingston erwartet mich bestimmt schon." Mit diesen Worten, schnappe ich mir meine Karte und drehe mich von ihr weg. Nicht schlecht, Clare.
Innerlich klopfe ich mir auf die Schulter. Ich bewege mich extra langsam, damit sie das Bild von mir lange genug im Kopf behält. Der Fahrstuhl öffnet sich, ich gehe hinein, drehe mich um und sehe, wie sie mich anstarrt. Tja Liebes, das hättest du wohl nicht von mir erwartet. Als die Türen sich schließen, lasse ich das Biest endlich zurück. Meinen Oberkörper lehne ich gegen die Wand und atme tief durch. Warum passiert in meinem Leben momentan nur so schrecklich viel? Ich würde gerne mal wieder klar denken können und ein bisschen Freizeit von diesem ganzen Chaos haben. Die wirst du haben und zwar morgen. Paris!
Wie aufs Stichwort vibriert mein Handy und ich hole es aus meiner Jackentasche.
Es ist die Antwort von Liam.

Hey Süße,

Ich kann es kaum erwarten. Treffen uns dann nach deiner Arbeit bei Starbucks, ja?

Wir sehen uns dann.

Das hat mir gerade noch gefehlt. Wieso ist er nur so lieb zu mir, immer noch?                          Nachher wird er es auf jeden Fall nicht mehr sein. Ich hätte meinen Wecker heute morgen ignorieren und tatsächlich den ganzen Tag im Bett bleiben sollen.

Stilles VerlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt