23.

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Doch als unsere Lippen sich wieder voneinander lösen, überrennt mich die Verwirrung und ich merke, ich muss so schnell es geht aus dieser Situation verschwinden. Ich muss mir einen freien Kopf zum Nachdenken schaffen.

Liam lächelt mich an, wie schon lange nicht mehr. Es ist so ein völlig aufrichtiges Lächeln, wie aus dem Bilderbuch, was normalerweise alle anderen in seiner unmittelbaren Nähe ansteckt. Mich aber diesmal nicht. „Ich muss jetzt wieder hoch, ich hab noch so viel zu Packen. Danke, dass du hier warst. Wir sehen uns dann, wenn ich wieder da bin." Mit diesen Worten drehe ich mich um und will so schnell wie es geht verschwinden. „Clare" Liam hält mich am Arm fest und durchkreuzt damit meinen Fluchtplan. „Vergiss nicht, dass ich dich liebe. Ich werde hier auf dich warten." Okay jetzt reicht es mir, ich halte das nicht mehr aus. Schnell entreiße ich mich seinem Griff und laufe Richtung Zuhause, ohne mich noch einmal umzudrehen. Ich weiß es ist total mies von mir, aber ich weiß einfach nicht anders mit der Situation umzugehen. Also treffe ich die einzig mögliche Vorsichtsmaßnahme, bevor ich noch etwas Unüberlegtes tue, nämlich wegrennen. Im Wegrennen bin ich mittlerweile ein echter Profi.. Aber ich regele solche Konflikte eben am liebsten mit mir selber, alleine in meinem Zimmer, in meinem Bett liegend und an die Decke starrend. Ich habe niemals behauptet, dass ich einfach wäre. 

Liz hat sich schon von mir verabschiedet, liegt mittlerweile im Bett und schläft wahrscheinlich schon. Mein Koffer ist endlich fertig gepackt, inklusive meiner Handtasche und mein Reiseoutfit für Morgen liegt griffbereit auf meinem Stuhl. Ich habe mich für etwas Bequemes entschieden, nämlich eine luftige, weite Hose im zartem rosé Farbton und ein weißes enges Top und als Finish meine schwarze schicke Lederjacke und als Schuhe die einfachen weißen Chucks. Nicht zu schick, aber auch nicht zu lässig. Schminken werde ich mich morgen früh nicht großartig, höchstens ein bisschen Mascara und einen hellen Lippenstift und das war es dann auch.  Morgen früh wird er mich dann abholen, ich kann es immer noch nicht ganz fassen.. Morgen um die Uhrzeit werde ich in Paris sein und die Zeit dort hoffentlich genießen. Werde ich überhaupt was von der Stadt sehen können oder muss ich Chris 24/7 zu Meetings begleiten. Geschäftsessen werden wohl auch anstehen. Clare, mach dir nicht so viele Gedanken, du wirst es morgen alles erfahren. Mein Kopf macht sich leider immer viel zu viele Gedanken über alles. Na, wollen wir hoffen, dass du nichts vergessen hast. Ich bin sehr gut organisiert und bei mir muss immer alles nach Plan laufen, falls nicht kriege ich dezente Panik. Meine Gedanken sind noch hellwach und lassen meinen müden Körper einfach noch nicht schlafen. Als meine Augenlider sich dann langsam schließen, beginnt mein Unterbewusstsein von Crepes am Tour Eiffel zu träumen.

Mein Handywecker klingelt, kurze Zeit später geht auch mein Radiowecker los, der neben meinem Bett auf dem Nachttisch steht und holt mich wie jeden Morgen aus meinen Träumen. Wenn etwas Wichtiges ansteht und ich auf keinen Fall verschlafen darf, stelle ich mir immer beide Wecker, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Kurz gesagt, du bist in der Hinsicht sehr paranoid. Ja ich weiß. Aber dafür habe ich wirklich noch nie verschlafen. Innerlich klopfe ich mir auf die Schulter. So jetzt aber raus aus den Federn oder willst du Chris nachher auf dich warten lassen? Ich schwinge meine Beine aus dem Bett und trotte langsam ins Badezimmer, schalte meine Lieblingsplaylist „Allday-Favorites" ein und beginne mein Gesicht mit kaltem Wasser zu waschen und starte meine Morgenroutine. Nachdem ich nach meiner täglichen Gesichtspflege ein dezentes MakeUp aufgetragen habe, fühle ich mich gleich schon viel wohler und bereit in den Tag zu starten. Schnell schlüpfe ich in mein ausgewähltes Outfit, betrachte mich dann noch einmal im Spiegel. Harre offen oder lieber zu tragen? Ich entscheide mich für einen legeren einfachen Dutt, weil ich weiß, meine offenen Haare werden mich beim Reisen sowieso nur stören. Meinen Koffer und mein Handgepäck stelle ich schon mal neben die Haustür. In der Küche wartet schon ein Milchkaffee auf mich und ich strahle Liz an. „Einen wunderschönen Guten Morgen meine Liebe." Sie schenkt mir auch ein Lächeln und setzt sich zu mir an den Küchentresen. „Na, schon aufgeregt?" Ich könnte platzen vor Aufregung, also definitiv ja. „Ein wenig..", gestehe ich ihr, obwohl meine Körpersprache wahrscheinlich schon längst alles verraten hat. Und sie beginnt zu lachen, „Was ich dir noch sagen wollte, es kann sein das vielleicht jemand hier übernachtet, solange du weg bist." So so, ihr geheimer Verehrer also. Ich bin immer noch total gespannt diesen Typen kennenzulernen. Ich hoffe für ihn, dass er meine beste Freundin nicht verletzt. „Ach was, immerhin bist du dann nicht alleine hier und ich muss mir keine Sorgen um dich machen, aber macht bloß kein Blödsinn hier." Dabei zwinkere ich ihr zu. „Das musst du gerade sagen, mach du bloß kein Blödsinn in Frankreich, du bist in einem fremdem Land benehme dich da bloß." Und wir beide fallen in schallendes Gelächter. „Ich könnte wetten, die wollen mich da gar nicht mehr weg lassen, wenn sie mich erstmal kennen." „Davon träumst du vielleicht", kontert Liz. Und dann klingelt es an der Tür. Ich werfe einen schnellen Blick auf meine Uhr, etwas zu früh aber was soll's und laufe dann zur Tür. Vor der Tür steht er, eine Hand in der Hosentasche und sieht wie immer vollkommen perfekt aus. Steigt der morgens auch so gutaussehend aus dem Bett oder hat auch er seine Schwachstellen? Noch bleibt es für mich ein Rätsel. „Darf ich reinkommen oder soll ich draußen bleiben?" Schnell sammle ich mich wieder und zeige ihm mit einer Handbewegung, dass er reinkommen kann. Er zieht sogar seine Schuhe direkt aus. „Wir haben ja noch ein bisschen Zeit, hast du Kaffee da ?" Was ist das denn für eine Frage, wer hat denn bitte keinen Kaffee im Haus? Ohne könnte ich echt nicht überleben... „Klar hab ich welchen da." Und schon führe ich ihn in unsere Küche, wo Liz schon ganz gespannt wartet. „Das ist meine beste Freundin Liz, aber du kennst sie bereits, zumindest ihre Stimme." Als ich das sage, versuche ich ihm einen sehr ernsten Blick zu liefern. „Es ist mir eine Freude, jetzt habe ich auch endlich ein Gesicht zu der besagten Stimme." Dabei schenkt er ihr ein wunderschönes Lächeln, bei dem ich glatt eifersüchtig werden könnte. Bist du aber nicht. Hoffentlich. „Bekomme ich denn nun meinen Kaffee?", als er mich das fragt legt er seine Hand auf meine Hüfte und schaut mir tief in die Augen. „Klar, bin schon dabei", und schnell weiche ich seiner Hand aus. Lass ihn doch, Clare. „Trinkst du ihn stark?" Er runzelt die Stirn, „Na wie denn sonst?" So ein Angeber.., aber ein ziemlich Süßer. Ruhe jetzt da oben, sage ich mir immer und immer wieder. Ich reiche ihm seinen extra starken Kaffee und setze mich wieder hin und er nimmt neben mir Platz, schiebt sogar den Barhocker noch ein Stückchen näher an mich heran. Ob Liz das bemerkt hat? „Wenn ihr zurück seid, schmeißen ich und mein Freund eine kleine Welcome Back Party für Clare, hast du nicht auch Lust zu kommen? Wir kochen auch was Leckeres." Nein, das hat sie gerade nicht gefragt oder? Doch hat sie, das ist doch super! Du hättest dich eh nicht getraut, umso einfacher für dich. „Als du gesagt hast ihr kocht was, hattest du mich schon überzeugt. Gerne komme ich", und als er das sagt blickt er wieder zu mir rüber. 

Stilles VerlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt